Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.

Philipp Musshafen ist zweifacher Vater und CEO der Hallenstadion AG. Eine beeindruckende Karriere liegt bereits hinter ihm – kein Wunder, dass er ab und zu einen Spa-Retreat braucht. Uns hat er verraten, wie seine restliche Self-Care-Routine aussieht und wie er mit beruflichem Druck umgeht.

Philipp, welches Konzert hast du zuletzt besucht?

Hecht und «Rap City». An beiden war ich beruflich – für «Rap City» bin ich natürlich ein bisschen zu alt. Meine beiden Jungs waren dabei, das war sehr schön. Aber Hecht gebe ich 10 von 10 Punkten!  

Das Hallenstadion ist eine der grössten Eventlocations der Schweiz. Überfordert dich das manchmal?

Nein, gar nicht!

Du hast bereits eine sehr beeindruckende Karriere hingelegt: Dein Weg führte von Fünf-Sterne-Hotels bis zur MAAG Halle und schliesslich zum Hallenstadion. Wie ist es so als Powermann und Vater?

Als die Kinder noch kleiner waren, war es schon sehr anspruchsvoll. Ich habe hohe Erwartungen an mich als Vater und will für meine Kinder da sein und mit ihnen Dinge unternehmen. Bis sie in der Primarschule waren, bestand mein Leben aus Arbeit und Kindern. Der private Philipp blieb da auf der Strecke. Heute sind meine Söhne 15 und 17 und die familiäre Situation hat sich verändert. Meine Frau  und ich haben uns vor eineinhalb Jahren getrennt. Deshalb sind die Jungs nun alle zwei Wochen für fünf Tage bei mir. Ich versuche, mir in dieser Zeit keine Abendtermine einzuplanen und wirklich Zeit mit ihnen zu verbringen.

Gelingt dir das?

Meistens sehr gut, ja. Ich schaue dann mit ihnen die Hausaufgaben an, oder wir kochen zusammen und unternehmen am Wochenende etwas gemeinsam. Das ist mir extrem wichtig. Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, ist definitiv ein Spagat. Aber je älter die Kinder werden, umso einfacher wird es. Beziehungsweise: Sie gehen jetzt am Wochenende in den Ausgang und der Papi sitzt dann allein zu Hause.

Philipp Musshafen
Ich habe hohe Erwartungen an mich als Vater und will für meine Kinder da sein und mit ihnen Dinge unternehmen.

Aber sie können mit dir coole Konzerte besuchen!

Haha, stimmt. Immerhin! Oder wir besuchen Fussballspiele zusammen. So Männerdinge halt, weisch.

Du kommst aus der Hotellerie- und Eventbranche: Hast du immer Vollzeit gearbeitet nach der Geburt?

Ich würde sogar sagen, ich habe mehr als Vollzeit gearbeitet. Die Tage sind lang in diesen Branchen, auch am Wochenende. Ich war da extrem auf meine Frau angewiesen. Das war allerdings auch so abgesprochen: Sie blieb zuerst zu Hause und fing dann wieder mit kleineren Prozenten an, zu arbeiten. Man könnte sagen, sie hat sich «geopfert» für die Familie, aber es war bei uns ganz klar, dass wir das beide so wollen. Schon bevor die Kinder da waren, haben wir entschieden, dass dieses klassische Familienmodell für uns passt. Aber ja: Ohne meine Frau, die mir den Rücken freihielt, hätte ich meine Karriere nicht so intensiv verfolgen können.

Hast du bei der Entwicklung deiner Kinder mal etwas verpasst?

Hmm. Nein, ich habe wirklich versucht, bei wichtigen Ereignissen wie Geburtstagen immer bei meiner Familie zu sein. Wobei: Ich glaube, die ersten Schritte von meinem älteren Sohn habe ich tatsächlich verpasst, weil ich am Arbeiten war. Ich habe dann aber ein Video davon bekommen.

Philipp Musshafen
Ohne meine Frau, die mir den Rücken freihielt, hätte ich meine Karriere nicht so intensiv verfolgen können.

Wie hat sich das Vaterbild deiner Meinung nach in den letzten Jahren verändert?

Vor 16, 17 Jahren war es undenkbar, dass ein Mann in einer Führungsposition länger abwesend ist oder Teilzeit arbeitet. Das ist heute sicherlich einfacher, je nach Branche natürlich. Was aus meiner Sicht viel geholfen hat, ist die Einsicht, dass man vieles remote machen kann. Das haben wir ja in der Corona-Zeit gelernt, als praktisch alle im Homeoffice waren. Das habe ich aus diesen Monaten mitgenommen: Wenn meine Jungs bei mir sind, versuche ich, ab 16 Uhr keine Termine mehr abzumachen, bei denen ich vor Ort sein muss. So kann ich den Verkehr in den Stosszeiten umgehen – ich wohne in der Region Luzern, habe also einen einstündigen Arbeitsweg – und arbeite zu Hause noch ein bisschen weiter. Aber ich bin dann bei meinen Kindern. Das war früher undenkbar.

Apropos Corona: Die Pandemie hat das Hallenstadion mit voller Wucht getroffen. Du hast Anfang 2020 die Leitung übernommen, also quasi pünktlich zum Start.

(Grinst.) Genau, ich habe übernommen und sofort die Tür geschlossen – für eine lange Zeit.

Philipp Musshafen
Vor 16, 17 Jahren war es undenkbar, dass ein Mann in einer Führungsposition länger abwesend ist oder Teilzeit arbeitet. Das ist heute sicherlich einfacher, je nach Branche natürlich.

Finanziell gesehen fuhr die Hallenstadion AG in der Coronapandemie den grössten Verlust in ihrer 72-jährigen Geschichte ein, nun zog dieses Jahr auch noch der ZSC aus. Wie geht es dir so damit?

Es geht mir wieder besser. Wirklich schlecht ging es mir aber auch nie. Ich habe den Job angefangen und dann mussten wir von null auf hundert in ein Krisenmanagement umschalten, wie ich – und wohl auch alle anderen – es so noch nie erlebt hatte. Man kann das auch nicht lernen, sondern muss quasi mit dem Kopf durch die Wand. Es gab Phasen, in denen ich sehr down war und trotzdem ein Team und mich selbst motivieren musste. Das war schon schwierig.

Leitest du denn typisch männlich emotional und gehst auf die Bedürfnisse deiner Angestellten ein?

Ich bin sicher eine Führungsperson, die sehr offen kommuniziert. Wir haben etwa 30 Festangestellte und ungefähr 400 Teilzeitmitarbeiter:innen. Es war eine Herausforderung, allen gerecht zu werden und zu schauen, dass niemand total in ein emotionales Loch fällt. Mein Stellvertreter ist näher dran an unseren Angestellten und hörte eher, wie es ihnen in dieser Zeit ging. Wir haben uns aber immer wieder intensiv darüber unterhalten, und ich habe im Rahmen meiner Möglichkeiten alles gemacht, um die Leute bei der Stange zu halten. Mir war immer wichtig, dass wir diese Zeit zusammen gut durchstehen können, und ich glaube, das ist uns gelungen.

Das Hallenstadion verbraucht einiges an Strom. Wie stark stresst dich die Energiekrise?

Die stresst mich schon sehr, leider. Unser Energiepreis hat sich verzehnfacht, das bedeutet für uns Mehrkosten von etwa einer knappen Million pro Jahr. Das ist mehr als der durchschnittliche Jahresgewinn, den das Hallenstadion vor Corona gemacht hat. Das ist also die nächste Krise, die wir meistern müssen. Wir hoffen jetzt, dass wir ein Jahr durchkommen. Viel länger können wir diesen Zustand nicht auffangen und wären dann gezwungen, die Mehrkosten an die Kund:innen weiterzugeben. Eigentlich könnte man sagen: Es ist gut, dass wir während Corona üben konnten, auch in extremen Stresssituationen im Team aufeinander Acht zu geben.

Im Eventbereich und der Hotelleriebranche herrscht ja eher ein rauer Ton. Warum bist du so ein Softie?

Ich weiss es nicht. Vielleicht ist mir das schon in der DNA gegeben. Und vielleicht spielt das Sternzeichen auch noch eine Rolle?

Philipp Musshafen
Es ist gut, dass wir während Corona üben konnten, auch in extremen Stresssituationen im Team aufeinander Acht zu geben.

(Journalistin grinst.) Ah ja? Ein Mann, der sich mit seinem Sternzeichen auseinandersetzt?

(Kichert.) Naja, ich bin Waage. Offenbar sind wir ausgeglichen und harmoniebedürftig. Das sind schon Charakterzüge, die bei mir stark ausgeprägt sind. Und dann hat es natürlich viel mit Erziehung zu tun: Mein Vater hatte eine beeindruckende Karriere im Pharmabereich, auch er war in der Geschäftsführung. Aber er war immer für uns Kinder da. Dieses Rollenbild habe ich also sicher von ihm mitbekommen. Und in der Hotellerie lernst du, dass du dein Team brauchst und gut zu deinen Kolleg:innen schauen musst. Egal, wie stressig es ist – und es ist brutal stressig!

Wie handelst du das alles?

(Grinst.) Es steckt ja auch viel Leidenschaft in meinem Job. Ich sage zu meinem Team immer: Eigentlich haben wir den schönsten Job der Welt, denn die Leute verbringen ihre Freizeit bei uns, und wir dürfen dafür sorgen, dass sie eine schöne Zeit haben. Wir haben nur glückliche Menschen vor Ort, sie kommen ja ihre Lieblingskünstler:innen schauen! Das nimmt schon ein bisschen weg vom Stress.

Trotzdem, man muss ja auch mal runterkommen. Wie sieht denn deine Self-Care-Routine aus?

Mir ist wichtig, Zeit für mich zu haben. Ich brauche freie Tage, an denen ich wirklich nicht arbeite oder nur im Notfall erreichbar bin. Meine Kinder sind auch eine grosse Energiequelle für mich. Kürzlich waren wir zusammen im Berner Wankdorf an einem Match, das geniesse ich sehr, und diese Erlebnisse geben mir Kraft. Ansonsten treffe ich viele Freund:innen und verbringe Zeit in der Natur. Und ich mache ab und zu ein bisschen Yoga.

Aha?

Ja, aber leider viel zu wenig. Ich habe auch erst vor einem Dreivierteljahr damit angefangen, damals gönnte ich mir eine Ayurveda-Kur in einem Hotel. Das war alles Neuland für mich. Aber seither achte ich schon mehr auf mich und plane, in Zukunft einmal im Jahr so eine Kur zu machen.

Gute Entscheidung!

Laut Abwesenheitsmeldung war Musshafen am Tag, an dem das Interview zum Gegenlesen geschickt wurde, nicht im Büro. Geantwortet hat er trotzdem.

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