Wir fragen hier Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.

Der Singer-Songwriter James Gruntz ist einer der bekanntesten Sad Boys der Schweiz. Für den zweifachen Vater ist eine Frauenquote auf der Bühne in Ordnung – solange man sie bald wieder abschafft.

James, du bist Vater von zwei kleinen Söhnen. Wie war das mit dem ersten Baby im Studio?

Ui, schwierig! Ich habe immer ein schlechtes Gewissen, das zu sagen, aber: Corona war ein Glücksfall für mich in dieser Hinsicht. Ja, es war schlimm, nicht mehr auftreten zu können und nicht zu wissen, wie alles weitergeht. Aber in dieser Zeit wurde mein erster Sohn geboren, und ich war in einer Art Zwangspause. Corona hat mir in dem Sinn zu einem verlängerten Vaterschaftsurlaub verholfen. So konnte ich einerseits viel Zeit mit ihm verbringen, andererseits merke ich erst jetzt, was es bedeutet, meine Arbeit mit dem Vatersein zu kombinieren.

Und was bedeutet es?

(Grinst.) Ich dachte: «Hey, das wird doch easy, das Baby schläft einfach ein bisschen im Studio, und ich kann an meinem Zeugs basteln.»

Das war aber nicht so, oder?

Haha, oh nein. Keine Chance! Und auch jetzt, wo mein erster Sohn zweieinhalb Jahre alt ist, ist es immer noch schwierig. Ich nehme ihn zwar oft mit ins Studio und probiere, so viel wie möglich für mich zu arbeiten. Aber es geht halt einfach noch nicht so gut. Wir können leider auch noch nicht zusammen Musik machen.

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Wie bringst du Haushalt, Job und zwei kleine Kinder unter einen Hut?

Ich bin ja in der luxuriösen Situation, dass ich mein eigener Arbeitgeber bin. Und momentan mache ich eine Pause vom Touren und bin viel im Studio; das übrigens in meiner Wohnung ist. Von daher lässt sich das gut kombinieren. Und ich gestehe: Haushalten macht mir ziemlich viel Spass! Das Schöne am Haushalt ist, dass er irgendwann erledigt ist. Die Wäsche ist gefaltet, das Geschirr abgewaschen. Beim Produzieren von Musik bist du nie fertig, man könnte immer noch irgendetwas feilen.

Schreibst du deine Songs eigentlich selber, oder lässt du sie von einer Frau schreiben?

Bis jetzt habe ich alle meine Texte selber geschrieben. Wobei, ich finde, Schreiben ist vielleicht schon zu viel gesagt. Es ist eher ein Spüren. Die Songs passieren einfach. Von daher ist das eine sehr einsame Tätigkeit in meinem Fall.

Typisch Mann, so emotional. Wie kommen die Gedanken dann aufs Papier?

Ich vergleiche das gerne mit Träumen: Plötzlich ist man in der zone, eine Geschichte passiert, ein Ort taucht vor dem inneren Auge auf, ein Gefühl macht sich breit im Herzen. Und man weiss nicht genau, wie man dorthin gekommen ist. Und das schreibe ich dann auf. Aber das ist eigentlich nie ein bewusster, von Anfang an durchdachter Prozess.

Dieses Verträumte hört man deinen Songs auch an. Machst du klassische «sad boy music»?

(Kichert.) Da müsstest du mir erstmal erklären, was das genau ist.

Als «sad girl music» bezeichnen oft Männer die Musik von Frauen, die über ihre Gefühle singen. Zum Beispiel Phoebe Bridgers, Angel Olsen oder Lana del Rey.

Hm. Aber: Die meisten Menschen singen doch über ihre Gefühle, nicht nur Frauen. Musik ist für mich eine Art, etwas auszudrücken, wofür man keine Worte hat. Da gehören Gefühle natürlich dazu. Für mich selber ist die Musik, die ich mache, thematisch tendenziell schon schwermütig. Aber gleichzeitig versuche ich, musikalisch etwas Leichtes hinzuzugeben. Damit sie nicht zu sehr runterzieht.

Du nimmst also Rücksicht auf diejenigen, die das dann hören. Ist Musik für dich eine Art Therapie?

Ja voll, auf jeden Fall. Aber vielleicht eher präventiv. Ich habe zum Beispiel noch nie Yoga gemacht, meditieren habe ich nur einmal probiert. Für mich ist Musik machen genau das: bei sich sein, im Moment leben, aber sich auch total gehen lassen können. Das würde ich schon als eine Art Therapieform bezeichnen.

James Gruntz
Die meisten Menschen singen doch über ihre Gefühle, nicht nur Frauen. Musik ist für mich eine Art, etwas auszudrücken, wofür man keine Worte hat.

So wie du das beschreibst, ist deine Musik etwas sehr Intimes für dich. Bist du nie nervös, bevor du auf die Bühne gehst?

Früher war ich enorm nervös. Ich habe dann versucht, für mich zu analysieren, was mich so nervös gemacht hat. Und warum ich trotzdem jedes Mal wieder auf die Bühne ging.

Und, was hast du herausgefunden?

Wenn ich meine Musik vor Publikum spiele, wird mir jedes Mal ein Teil dieser Schwere, dieser Melancholie abgenommen. Weil ich diese Gefühle mit jemandem teilen kann. Und gleichzeitig verändert sich meine Musik jedes Mal, wenn ich sie vor anderen Leuten spiele. Sie wächst irgendwie zu etwas Anderem, Neuem heran. Das geniesse ich sehr. Wenn die Musik mit dem Publikum verschmilzt, dann kann ich mich entspannen. Weil es dann nicht mehr nur um mich geht, wir sind alle ein Ganzes. Ich finde, das ist etwas sehr Schönes.

So poetisch!

Haha, ja oder? Aber natürlich hat man irgendwann auch eine gewisse Routine, das hilft sicher auch.

James Gruntz
Für mich ist Musik machen genau das: bei sich sein, im Moment leben, aber sich auch total gehen lassen können. Das würde ich schon als eine Art Therapieform bezeichnen.

Wer erklärt dir eigentlich die Technik auf der Bühne?

Oh. Youtube war da eine grosse Hilfe. Und ansonsten war und ist es immer noch ein Ausprobieren. Der Vorteil der Technik, die man zum Musik machen braucht, ist, dass sie relativ alt ist. Und darum relativ einfach.

Glück gehabt. Männer haben es ja nicht so mit Technik. Weisst du, welche Kabel du wo einstecken musst?

(Lacht.) Meistens schon, ja. Aber man kann nicht viel falsch machen. Im Grundsatz wurden viele der Geräte ja vor einigen Jahrzehnten erfunden und entwickelt, und wenn man die Basics einmal verstanden hat, läufts. Und das Coole am Musik machen ist ja, dass es kein richtig oder falsch gibt. Das gilt auch für die Technik, finde ich. Es passieren Fehler, aber dann wirds erst richtig spannend.

James Gruntz
Der Vorteil der Technik, die man zum Musikmachen braucht, ist, dass sie relativ alt ist. Und darum relativ einfach.

Und für den Notfall hast du ja sicher noch eine Technikerin dabei. In wie vielen deiner Songs geht es um Liebeskummer wegen einer Frau?

Hmmm. Da habe ich keine konkrete Liste, aber ich würde sagen, mindestens in der Hälfte. Ich finde übrigens, das Schöne an der englischen Sprache ist, dass man auf den ersten Blick nicht sieht, ob es um eine Frau oder einen Mann geht. Und in allen meinen Songs wirds auch nicht so spezifisch, dass man merkt: Hier singt der über eine Frau. Das gefällt mir, man kann die Songs hören und fühlt sich in seinem Herzschmerz immer abgeholt. Hoffentlich!

Du hast an der Zürcher Hochschule der Künste Pop studiert. Ein extrem weiblich geprägter Studiengang. Wie war das für dich?

(Lacht) Hey, das finde ich schön, dass du das so sagst. Die Jazz- und Pop-Abteilung der ZHdK ist relativ klein. Viele Plätze gibt es also eh nicht. Aber natürlich muss man sagen: Mein Jahrgang war ganz, ganz stark männerdominiert, wir waren sechs Männer – und keine Frau. Im Jazz-Jahrgang hatte es in diesem Jahr, glaube ich, eine einzige Frau. Zu diesem Thema mache ich mir auch immer wieder Gedanken, und ich habe ein paar Theorien dazu, warum das so ist.

Ja? Dann teil diese Theorien doch mal mit mir.

Die Vorbilder fehlen. Das ist eine schwierige Theorie, weil ich für mich nicht sagen kann, inwiefern mich meine Vorbilder geprägt haben, weil sie Männer sind. Aber ich sehe ja auch, dass man auf diversen Bühnen einfach sehr viele Männer sieht. Teilweise gibts ja Festivals mit reinen Männer-Line-ups! Vor ein paar Jahren hatte ich einen Auftritt an einem grossen Schweizer Festival. Das erste Mal, als dort Frauen die Bühne betraten, waren das zehn knapp bekleidete Hintergrundtänzerinnen. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich die jungen Frauen im Publikum so eher mit dem «Hintergrund» identifizieren und die jungen Männer halt denken: «Ah cool, so wie der am Mikrofon will ich auch werden.»

James Gruntz
Mein Jahrgang war ganz, ganz stark männerdominiert, wir waren sechs Männer – und keine Frau. Im Jazz-Jahrgang hatte es in diesem Jahr, glaube ich, eine einzige Frau.

Welche Sängerin ist denn deine grösste Inspiration?

Erykah Badu! Früher, heute und wahrscheinlich für immer. Sie ist eine der ganz, ganz Grossen für mich. Wie sie singt, ihre Stimme, ihre Texte. Das ist alles so gut!

Du wirst ja sicher auch immer wieder nur für die Männerquote auf der Bühne gebucht.

(Grinst.) Ja, das fühlt sich sicher nicht so geil an. Hm. Ich bin dem Thema Quote gegenüber eigentlich etwas kritisch eingestellt.

Warum?

Weil man ja nie weiss, wie das genau berechnet wird. Wenn ein Festival zum Beispiel sagt, sie haben eine Frauenquote von 50 Prozent – was heisst das genau? Ich habe nicht nachgezählt, aber ich bin mir sehr sicher: Wenn man nicht nur die Frontleute zählt, sondern die ganze Band, die auf der Bühne steht, dann sind es sicher deutlich mehr Männer als Frauen. Ich finde es einfach so krass, dass man darüber immer noch so diskutieren muss. Und dass es nur langsam besser wird. Aber wenn es im Moment nötig ist, eine Frauenquote einzuführen, mit dem Ziel, sie bald wieder abzuschaffen, dann bin ich auf jeden Fall dafür.

Würde es für dich denn infrage kommen, Festivals mit solchen «all male line-ups» zu boykottieren?

Hey, ja, eigentlich wäre das noch eine gute Idee. Bisher habe ich mir das so noch nicht überlegt, aber das würde auf jeden Fall Sinn ergeben. Ich mache mein Booking halt nicht selber, aber eigentlich könnte man sich das für eine nächste Tour mit Festivals überlegen. Gleichzeitig finde ich aber auch, dass das nicht in der Verantwortung der Musiker selbst liegt. Die Veranstaltenden in der Schweiz sollten doch langsam begriffen haben, dass ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis heutzutage ein Muss ist.

Gibt es in der Schweiz eigentlich ein Netzwerk für Musiker, damit ihr euch austauschen und unterstützen könnt?

(Lacht.) Es gibt eins, die Musikbranche selbst!