Du bist selbstständig als Strategieberater. Wo hast du als Mann dieses Selbstvertrauen hergenommen? Dazustehen und zu sagen: Ich bin das.

Ich habe mich sehr lange damit auseinandergesetzt. Als Selbstständiger muss man ja genau diese Frage reflektieren, da ich mich und meine Leistungen verkaufe. Damit tue ich mich immer noch schwer, zum Beispiel auf LinkedIn. Wie verkauft man sich?

Und, wie verkaufst du dich?

Ich mache das über meine Inhalte und Themen, für die ich stehen möchte. Da ich alleine beruflich tätig bin, ist es mir auch umso wichtiger, ein Umfeld aufzubauen, das mich kritisch reflektiert.

Nehmen dich weibliche CEO ernst?

Mein erstes grösseres Mandat kam von einer Frau, die als CEO auf mich zukam; ich glaube, ich werde von Frauen wie Männern genau gleich ernst genommen. Aber ich beobachte, dass Männer in diesen Führungspositionen teilweise beratungsresistent sind, und deshalb: Ja, Frauen nehmen mich wohl ernster als Männer.

Nehmen Männer einfach niemanden ernst?

Vielleicht sollten sie einfach mal lernen zuzuhören, es fängt wohl damit an.

Denkst du tatsächlich strategisch, oder ist alles so, typisch Mann, ein bizzli Bauchgefühl bei dir?

Die letzten Jahre zeigten mir: Je mehr Erfahrung ich habe, desto eher kommt die Intuition ins Spiel, weil ich schneller heraushöre, wo das Problem liegen könnte. Ich investiere viel Zeit in die Analyse und Auftragsklärung, wenn jemand mich um eine Strategieberatung anfragt. Das ist dann auch, wenn das analytische und strategische Denken zusammenkommt.

Aha.

Oft wird dafür zu wenig Zeit verwendet, und man macht schnell ein Brainstorming und erarbeitet Sofort-Lösungen und nimmt damit eigentlich das Hauptproblem gar nicht in Angriff.

Konrad Weber
Als mein inneres Feuer bei meiner letzten Stelle erlosch, war ich konsequent und kündigte ins Blaue. Das befeuerte meine innere Energie von neuem, plötzlich kamen wieder meine Ideen zurück.

Soso. Und was ist mit deinem Herzen? Männer wollen doch mit Herzblut dabei sein.

Herzblut würde ich mit dem Brennen für eine Sache übersetzen. Mein Feuer brennt, wenn ich in dem, was ich mache, andere Menschen unterstützen, inspirieren und weiterbringen kann. Indem das, was wir gemeinsam entwickeln, auch tatsächlich Früchte trägt und erfolgreich umgesetzt wird.

Was für ein schöner PR-Satz. Auswendig gelernt?

(Schaut verdutzt.) Das ist wirklich so! Als mein inneres Feuer bei meiner letzten Stelle erlosch, war ich konsequent und kündigte ins Blaue. Das befeuerte meine innere Energie von Neuem, plötzlich kamen meine Ideen wieder zurück. Jetzt merke ich, dass ich mehr denn je für das brenne, was ich mache.

Wie gehst du damit um, dass weibliche Coaches viel mehr verdienen als du?

Es gibt viel Intransparenz in diesem Bereich. Ich tausche mich aber oft mit meinen Kollegen und Kolleginnen in der Beratung aus und spreche dabei auch immer wieder das Thema Tagessätze und Honorare an. Ich finde es wichtig, dass wir mehr und offener über Geld sprechen.

Wie hoch ist dein Tagessatz?

Mein Tagessatz variiert zwischen 1800 und 2200 Franken. Das kommt auf den Ansatz an, für eine NGO ist er tiefer. Aber das ist der Rahmen, den auch andere verlangen, und ich arbeite auch oft in Deutschland. Da sind die Ansätze auch anders.

Du führst ja ganz genau Buch, wie viel du arbeitest. Warum?

Ja, mir ist Transparenz wichtig: Einerseits möchte ich wissen, wie viel ich tatsächlich an Beratungsleistungen verrechnen kann, und andererseits interessiert es mich, wo ich zu viel Zeit verbrauche und effizienter sein könnte. Das hilft mir, mich selbst zu strukturieren. Letztes Jahr arbeitete ich zum Beispiel 89 Prozent auf eine 40-Stunden-Woche.

Wie gross ist dein Körpereinsatz, um deine Strategien zu verkaufen?

(Lacht gequält … und überlegt dann lange.) Ich stelle mich da mit meiner vollen Körpergrösse von 1 Meter 96 hin …

(Journalistin runzelt die Stirn. Und denkt: «Okay, er nützt seine Länge aus.»)

… aber ich arbeite oft auch digital, und da hat es offensichtlich auf Distanz auch ohne Körpereinsatz gut funktioniert. (Atmet erleichtert aus, dass er eine unverfängliche Antwort gefunden hat.)

Konrad Weber
Im Austausch mit engen Freundinnen erlebe ich es fast täglich, dass mir Situationen erzählt werden, die ihnen widerfahren. Das gibt mir regelmässig das Gefühl, ich müsse mich für mein Geschlecht rechtfertigen, und ich rege mich über diese Männer auch auf.

Aber jetzt nach der Pandemie wird dein Körpereinsatz schon wieder mehr eingefordert (grinst)?

Ja, das stimmt. Präsenz bei den Teams wird unterdessen wieder öfter verlangt, und physisch vor Ort zu sein mit Körpereinsatz ist wieder wichtiger geworden (grinst unverschämt zurück). Das bringt aber leider auch wieder viel Reisezeit mit sich, und die Pandemie-Zeit war in diesem Punkt definitiv effizienter.

Wie viel Alltagssexismus erlebst du als Mann?

(Schaut wieder ernst.) Direkt wenig. Aber: Im Austausch mit engen Freundinnen erlebe ich es fast täglich, dass mir Situationen erzählt werden, die ihnen widerfahren. Das gibt mir regelmässig das Gefühl, ich müsse mich für mein Geschlecht rechtfertigen, und ich rege mich über diese Männer auch auf.

Wir sind ja zusammen im Vorstand von WE/MEN. Ist das dein männliches Feigenblatt-Engagement?

Das kann man so sehen, aber selbst wenn es so wäre, dann wäre es noch immer besser, als nichts zu tun. Aber das ist natürlich nicht so. Im Gegenteil: Es ist sehr wichtig, dass sich mehr Männer für Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit einsetzen. Ich habe das schon immer gemacht, zum Beispiel meine Kolleg:innen in Lohnverhandlungen oder bei Jobbewerbungen gecoacht. Deshalb finde ich es angebracht, mich in so einem Verein zu engagieren.

Was konkret müssen Männer anders machen?

Zuhören, hinstehen und für Gleichberechtigung einstehen. Das bedeutet oft auch mal zurückzustehen.

Können Männer zurückstehen?

Nein, das können sie nicht gut. Wenn mehr Männer mal bewusst verzichten würden, gäbe es mehr Raum und Chancen für Frauen.

Wo ist dein Kind, wenn du jetzt hier zum Interview erscheinst?

Heute schaut ausnahmsweise unsere Nanny Bettina, eine wundervolle Person. Sonst wird unsere Tochter zwei Tage bei der Tagesmutter betreut, den Rest der Zeit teilen meine Partnerin und ich gleichmässig auf.

Also gemäss deiner Aufstellung hättest du noch elf Prozent Kapazität.

Ja, wenn du von einem klassischen 9-5-Job ausgehst. Aber da ich meine Arbeitszeiten selber einteilen kann, arbeite ich häufiger abends, nachts und an Wochenenden.

Welcome to the Working-Moms-Club (schaut gekonnt konspirativ).

(Lacht laut.) Das habe ich noch nicht ausgewertet, wie viel Care-Arbeit ich noch übernehme.

Ich habe eine Idee: Du designst uns für elleXX einen Care-Arbeit-Planer.

Gute Idee! Indem man darüber spricht, wird es erst sichtbar. Ich kann gerne mal eine Woche durchgehen und die entsprechenden Zeitkategorien sammeln. Allerdings müsste man diesen Planer wohl noch mit einem Paar-Beratungstool kombinieren (grinst).

Wie bringst du Familie und Beruf unter einen Hut?

Der grosse Vorteil ist, dass ich nach wie vor zu Hause arbeite und dass wir ein Modell gefunden haben, in dem wir uns gegenseitig ergänzen. Das bedingt grossen gegenseitigen Respekt und viel Planung.

Wie hast du die Geburt eurer Tochter vor eineinhalb Jahren erlebt?

Da könnten wir nochmals ein eigenes Interview dazu führen. (Er stockt, es fehlen ihm die Worte.) Es war schwierig, schön und ein herausfordernder Prozess zugleich. Damit meine ich nicht nur die Geburt, sondern alles zuvor und danach. Bei der Geburt selbst war ich bewusst nicht dabei.

Warum warst du nicht dabei?

Unsere Tochter kam mit einem Kaiserschnitt auf die Welt, und ich wusste, dass ich das Blut nicht so gut vertragen würde. Wir waren allerdings bereits mehrere Tage zuvor im Spital, und ich war rund um die Uhr an der Seite meiner Partnerin.

Es war schlimm?

Ja, meine Partnerin hatte eine Schwangerschaftsvergiftung, und es war ein ständiges Hin und Her mit Geburtseinleitung und weiteren Interventionen. Irgendwann haben wir uns für einen Kaiserschnitt entschieden. Das war ein erlösender Moment. Die Geburt selbst war der kleinste Part, da wusste ich, jetzt kann ich es abgeben, es war durch, es ging nur noch darum, dass das Kind gesund auf die Welt kommt.

Wann seid ihr ins Leben zurückgekommen?

So ungefähr nach zwei Monaten, aber da ich Homeoffice gemacht habe, konnte ich unterstützen, wenn es gerade nötig war, besonders auch körperlich. Richtig erholt hat sich meine Partnerin körperlich erst nach einem halben Jahr.

Deshalb sind 14 Wochen Mutterschaftszeit ein Witz.

Ja, sie hätte unmöglich nach der offiziellen Zeit wieder arbeiten können.

Konrad Weber
Ich habe ein Fitness-Abo, das ich im letzten Jahr nicht einmal gebraucht habe. Ich trage dafür unsere Tochter und die Einkäufe in den dritten Stock plus stosse ich den Kinderwagen den Berg hoch.

Hast du als Vater nie ein schlechtes Gewissen, etwas zu verpassen?

Nein, denn ich bin ja da! Ich sehe unsere Tochter jeden Tag, nicht nur am Morgen früh oder abends, wenn sie schläft, ich gebe ihr auch zu essen am Mittag, wenn ich da bin, oder ich spiele zwischendurch mit ihr. Die Tage, die ich sie nicht gesehen habe, seit sie auf der Welt ist, kann ich an einer Hand abzählen. Das hängt sicher auch von unserem Lebensmodell ab.

Wie hältst du dich fit?

Viel zu wenig! Ich habe ein Fitness-Abo, das ich im letzten Jahr nicht einmal gebraucht habe. Ich trage dafür unsere Tochter und die Einkäufe in den dritten Stock plus stosse ich den Kinderwagen den Berg hoch. Das ist mein gratis Fitness-Programm. Ich koche selber gerne, gutes Essen ist mir wichti,g und das gehört aus meiner Sicht genauso zur Fitness.

Warum kleidest du dich immer in senfgelb?

Das ist unabsichtlich zu einem Markenzeichen geworden. Heute ist es allerdings ein Zufall, weil ich morgens Videoaufnahmen hatte.

Hast du nur einen gelben Pulli (schaut ungläubig)?

Nein, ich habe mehrere, aber das ist mein Signature-Pullover.

Wie hat dein gutes Aussehen deine Karriere beeinflusst?

Bis jetzt habe ich glaubs noch keinen Auftrag deswegen bekommen. Aber es ist ein People's Business, und das hat am Ende sicher auch mit Sympathie zu tun …

… und in dem Fall auch mit dem Aussehen?

(Überlegt lange, um nichts Falsches zu sagen.) Da müsstest du meine Kund:innen fragen.

Von Medienprofi zu Medienprofi: Wie findest du eigentlich elleXX?

Endlich gibt's in diesem Bereich ein Angebot! Ich finde wichtig, was ihr macht. Ich würde mir aber wünschen, dass ihr noch etwas weniger akademisch und auch diverser in der Ansprache und der Community seid. Es gibt noch sehr viele Frauen, die sich zu all diesen Themen keine Gedanken machen können, weil ihnen schlicht die Zeit fehlt. Sie arbeiten Vollzeit oder in Schichten, sind alleinerziehend oder sorgen nicht nur für Kinder, sondern auch für Angehörige. Ich denke vor allem auch an die Menschen in der Pflege oder in Berufen, die eher Frauen ausüben und die schlechter bezahlt sind – und hier ist es so wichtig, dass Themen wie Vorsorge, Geld und so weiter verständlich erklärt und einfach zugänglich aufbereitet werden.

Aus Sicht des Strategieberaters finde ich euer Medienmodell natürlich sehr spannend, ob und wie es euch gelingt, eine neue Form von Journalismus-Finanzierung zu finden. Wie das Philipp Meier ja bereits sehr schnell als einer der Ersten festgestellt hat.

Danke für dein Feedback und das Gespräch!

Biologie ist keine Grundlage für moralische Forderungen
Müssen wir alle noch mal hinter die Biologiebücher und uns mit Gonaden und Gameten befassen? Brauchen wir dieses Wissen, um über Rechte von trans Menschen zu diskutieren? Nein, findet unsere Kolumnistin und erklärt, warum Biologie nicht die Basis für moralische Forderungen sein kann.
Politik und Familie sind schwer vereinbar
In der Schweiz lassen sich Politik und Familie nur schwer vereinbaren. Das hat Folgen für Frauen.