«Tu einfach so, als würdest du schlafen, und schnarch ein bisschen», sagt der Kameramann von TeleZüri zu mir, während er mich filmt. Unangenehm und irgendwie viel zu intim für mich. Trotzdem lege ich mich ins Zeug und mime den Schnarcher nach bestem Wissen. Als Kommunikationsverantwortlicher unterstütze ich die medizinisch-therapeutischen Fachbereiche des Gesundheitsunternehmens, für das ich hauptberuflich arbeite. Im Normalfall jedoch nicht vor der Kamera als Betroffener.

Schnarchen ist eine Volkskrankheit, von der in jüngeren Jahren jedoch vor allem Männer betroffen sind. 60 Prozent der Männer schnarchen. Ebenso rund 40 Prozent der Frauen, allerdings vorwiegend mit zunehmendem Alter. Trotz des weitverbreiteten Phänomens fanden wir damals für den Beitrag keine Person, die sich bereitwillig als Patient:in vor der Kamera zu dem Thema äussern wollte. Deshalb fasste ich mir ein Herz und outete mich beim Chefarzt der Schlafmedizin offiziell als Schnarcher, was mich als Probanden für den Beitrag qualifizierte und schliesslich zu der bizarren Situation in meinem eigenen Wohnzimmer führte.

Stefan Glantschnig
Ich übernachtete früher nicht gerne im Zuhause anderer Leute. Weder bei Freunden, noch bei Frauen.

Wie ich beim Schnarchen in Aktion klinge, weiss ich einerseits von meiner Freundin, andererseits von meiner Mitbewohnerin, die mein Schnarchen auch schon bei einem vorabendlichen Nickerchen auf dem Sofa aufgenommen und mir im Nachhinein vorgespielt hat. Holla die Waldfee! Jedoch habe ich Glück: Meine Freundin nutzt zum Einschlafen Hörbücher und stört sich deshalb kaum an meinen Geräuschen. Bei anderen Paaren, die ich kenne, führte diese Situation manchmal zu ernsthaften Beziehungsproblemen oder zu getrennten Schlafzimmern.

Ich wollte schon länger die Ursache und den Schweregrad meines Schnarchens abklären lassen, schob die Angelegenheit jedoch lange vor mich hin. Mein Zögern gibt auch Antwort darauf, weshalb wir keine andere Testperson fanden: Scham. Diesen Grund bestätigten mir sämtliche unserer Schlafmediziner:innen, vor allem aber auch meine persönliche Geschichte.

Ich übernachtete früher nicht gerne im Zuhause anderer Leute. Weder bei Freunden noch bei Frauen. Ich will das Schnarchen hier sicher nicht als Ausrede gebrauchen. Ehrlicherweise habe ich es für mich selbst oft als interne Rechtfertigung genutzt, um nach einem One-Night-Stand noch vor dem Morgengrauen zu verschwinden. Gerade bei Frauen, die ich mochte, löste das erstmalige gemeinsame Schlafen jedoch vorgängig Unbehagen bei mir aus. Ich versuchte dann stets, möglichst so lange wach zu bleiben, bis sie einschlief.

Ich erinnere mich auch an unzählige Situationen, an denen das Thema in geselligen Runden diskutiert wurde. «Boah, der Typ letzte Nacht hat so geschnarcht. Das ist ein absolutes No-Go für mich», erzählte etwa einmal eine Freundin. Ich reihte mich mit einem zurückhaltenden Nicken in die ausufernde Zustimmung sämtlicher Anwesenden ein, anstatt das Schnarchen als echtes Problem anzusprechen. Die Statistik legt nahe, dass zumindest ein weiterer der anwesenden Männer mein Schicksal geteilt hätte.

Die Bestätigung dafür liefert auch meine Zeit als junger Erwachsener im Militär. Zusammen mit 42 anderen Männern in einen Schlafsaal eingepfercht, ergab sich eine wunderbare Spannweite im nächtlichen Getöse. Die Klaviatur reicht von leisem Schnurren bis hin zu ungeölten Kettensägen. Kurz: eine Anleitung für Schlafprobleme und ein Konzert, das niemand für Geld hören möchte.

Ich wusste also früh, dass ich mit meinem Problem nicht alleine bin, dennoch sträubte sich alles in mir, konstruktiv über die damit verbundenen Belastungen zu sprechen. Weil das Thema so stark tabuisiert und stigmatisiert ist. Damit fällt für mich das Schnarchen in die gleiche Kategorie wie Sex, Stuhlgang und Menstruation – wir tun uns verdammt schwer damit, über ganz alltägliche Dinge zu reden, und sind peinlich berührt, wenn es doch mal vorkommt.

Stefan Glantschnig
Das Schnarchen fällt für mich in die gleiche Kategorie wie Sex, Stuhlgang und Menstruation – wir tun uns verdammt schwer damit, über ganz alltägliche Dinge zu reden, und sind peinlich berührt, wenn es doch mal vorkommt.

Und so habe ich in all den Jahren lieber diverse Frauen mit meinem nächtlichen Verschwinden ratlos zurückgelassen und die Angelegenheit stoisch verleugnet, anstatt Klarheit für mich selbst zu schaffen und somit vielleicht eine Lösung zu finden. Damit passe ich bestens zu den Vertretern des männlichen Geschlechts, die allgemein Mühe mit dem Gang zum Arzt bekunden. Neben Scham auch aus Angst vor der Diagnose – und das kann Konsequenzen haben.

Die Hauptgründe für Schnarchen sind Rauchen, Trinken und Übergewicht. Von diesen Ursachen sind Männer deutlich stärker betroffen, was auch das Risiko für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen signifikant erhöht. Ich wage an dieser Stelle einfach mal zu behaupten, dass kein Mann gerne hört, er schnarche, weil er zu dick ist oder zu viel säuft. Ebenso wenig ist das Wissen nicht leicht zu ertragen, dass die eigene Gesundheit gefährdet ist, wenn man nichts ändert. Und etwas zu ändern, braucht Überwindung. Bei den Männern handelt es sich zudem bei jedem vierten Fall nicht um Schnarchen, sondern um Schlafapnoe. Diese Atemaussetzer sind gefährlich.

Long story short: Nach 33 Jahren habe ich es endlich geschafft, die Abklärung zu machen. Für die Untersuchung verkabelte ich mich für eine Nacht mit einer ganzen Menge Geräte. Ich sah zwar ein wenig aus wie ein hässlich geschmückter Weihnachtsbaum, die Messdaten erhielt ich dafür am nächsten Tag digital zugestellt und stellte erschrocken fest: Sieben Apnoen pro Stunde, dass ich überhaupt noch lebe, ist ein Wunder!

Mit den Gedanken schon halb im Sarg, begab ich mich zum Arzttermin, zu dem mich das TV-Team wieder begleitete. Nach der ersten Untersuchung entkräftete die anschliessende Datenanalyse mit dem Schlafmediziner alle meine Befürchtungen des nahenden Todes. Es sei alles im grünen Bereich und kein Eingriff notwendig. So gab ich erleichtert mein abschliessendes Interview für den TV-Beitrag und verliess die Praxis alleine mit einem Rezept für Nasencrème und dem Hinweis auf die nicht-förderliche Wirkung meines Trink- und Rauchverhaltens – vom Gewicht her bin ich ein untypischer Schnarcher. Will ich etwas gegen mein Schnarchen tun, dann solle ich bei meinen Genussmitteln ansetzen.

Es bleibt die Erkenntnis, dass ich mir all die Jahre aus Angst den Kopf über etwas zerbrochen habe, das eigentlich ganz normal ist. Ich lege deshalb Männern und Frauen ans Herz, endlich über Tabuthemen zu sprechen – niemand ist alleine damit.