Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven. Heute mit Veit Dengler, COO der deutschen Bauer Media Group und ehemaliger CEO der NZZ.

Wie bringst Du eigentlich alles unter einen Hut? Du hast vier Kinder und einen anspruchsvollen Job?

Das gelingt mir schlecht, wie allen anderen. Ich habe bei meinen beiden mittleren Kindern zwar eine mehrmonatige Auszeit bzw. Teilzeit beansprucht. Aber beim Jüngsten wurde daraus nichts. Immerhin, ich habe keine Hobbies. Und spiele kein Golf.

Wer kocht bei euch?

Ich bin seit 6 Jahren geschieden, circa zweimal die Woche habe ich eine Hilfe, die den Haushalt macht und kocht, sonst mache ich das. Das Frühstück machen meine Kinder selber, ab und zu kochen sie auch.

Wie alt sind deine Kids?

28, 19, 17 und 10 Jahre. Sie haben aber zwei Mütter.

Zwei Mütter?

Die älteste Tochter ist aus meiner ersten Beziehung mit meiner Freundin aus Wien.

Meine Ungeduld bringe ich zu oft mit nach Hause, das ist den Kinder gegenüber unfair.

Du warst im Job immer sehr engagiert. Hattest du als Vater nie ein schlechtes Gewissen, etwas zu verpassen?

Doch, klar. Das war richtig schwierig bei McKinsey. Immerhin, die letzten 10 Jahre war ich an fast allen Elternabenden anwesend, habe auch keine Musikschulkonzerte verpasst.

Wie kommst du mit der Mental Load klar, Haushalt, Planung, Kinder und Jobs?

Schwer. Meine Ungeduld bringe ich zu oft mit nach Hause, das ist den Kinder gegenüber unfair.

Wie bist du denn dann so?

Na, wenn es schlecht geht schon mal ungeduldig und laut. Ja, das war nicht immer super. Ja. (Schweigt lange).

Aber meine Kinder sind lebhaft, ihre Mutter ist Griechin, die lassen sich nicht so leicht unterkriegen. (Lacht).

Tauscht ihr unter Führungskräften auch Vätertipps aus?

Ehrlicherweise so nicht. Ich habe schon Freunde, da besprechen wir so Dinge, wenn es Probleme gibt.

Was besprecht ihr denn?

Am ehesten, wie die Kinder am besten mit der Trennung klarkommen. Der Jüngste war ja erst vier.

Hast du schon mal einen Kindergeburtstag verpasst? Und wie hast du dich dabei gefühlt?

Ja, den Geburtstag schon aber die Party nicht. Es gab schon Beispiele, da war ich nicht da, sondern verreist. Meine 17-Jährige hat mir gerade kürzlich erzählt, dass sie sich an einen solchen Geburtstag erinnert. Immerhin, nur einer. Das ist natürlich Mist, das war nicht schön. Aber seit der Trennung haben wir die Vereinbarung: Geburtstage und Weihnachten feiern wir zusammen. Das halten wir auch gut durch.

Verlässt du kurzfristig den Arbeitsplatz, wenn ein Kind krank ist?

Einmal sass ich in einem Meeting der Unternehmensleitung der NZZ, mein Sohn war damals 7 und hatte sich den Arm gebrochen und die Schule konnte die Mutter nicht erreichen. Da bin ich losgebraust und bin mit ihm ins Spital. Aber ich war natürlich nicht so oft da, wie die Mutter. Sie hat von zu Hause aus gearbeitet.

Du warst nicht erste Adresse, wenn ein Kind krank war.

Nein, das nicht.

Wie ist das für dich, wenn dein Chef Meetings ansetzt, gerade wenn du die Kinder in die Schule bringen musst?

Ich hatte das nie so oft. Da muss man dann einfach sagen, dann kann ich nicht, da habe ich Familie. Wenn das regelmässig ein Problem ist, dann ist man beim falschen Arbeitgeber. Ich hatte das einmal bei McKinsey, da habe ich den Flieger fürs Wochenende mit meiner Tochter verpasst wegen eines Senior-Partners, der es verunmöglicht hat, dass ich zuerst präsentiere. Da habe ich mir geschworen, das passiert mir kein zweites Mal.

Am meisten bereue ich, dass ich nicht mutiger war, auch mal Nein zu sagen.

Aber du hast als CEO bei der NZZ Frühstücksgespräche geführt, welche die berufstätigen Eltern nie besuchen konnten, wenn sie die Kinder in die Kita brachten.

Ja, aber die waren doch freiwillig. Hm, ja stimmt schon. Das war nicht ideal im Nachhinein betrachtet.

Was bereust du?

Am meisten bereue ich, dass ich bei meiner ersten Tochter nicht etwas mutiger war gegenüber dem Arbeitgeber und auch mal Nein gesagt habe. Ich war jung, ok, aber ich wäre gerne etwas abgeklärter gewesen, und hätte gerne etwas mehr Zeit zum Durchschnaufen gehabt.

Kommst du persönlich so im Job eigentlich nie an dein Limit?

(Atmet hörbar tief ein. Pause). Ja, klar manchmal wird es schon stressig. Aber ich mache viermal die Woche Sport und versuche meine 7 bis 8 Stunden Schlaf hinzubekommen. Und richtig gestresst werde ich kaum je. Wie sagt man so schön auf Wienerisch: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.

Du wirkst ja sehr selbstbewusst. Fragst du dich nie, ob du das alles kannst?

Jeder hat doch irgendwo das Imposter-Syndrom. Kann ich meinen Job? Mache ich mir etwas vor?

Und?

Alles hat seinen Preis, Interessantes zu lernen und zu tun braucht Zeit und Energie.

Bist du also überzeugt, dass du gut bist, in dem was du tust?

Ich glaube ich mache es ganz gut, aber ich sehe immer wieder Dinge, die ich besser machen könnte. Was mich hoffentlich frisch hält. Momentan beschäftige ich mich mit neuen Themen wie Performance Marketing und Cloud Computing. Wenn man das Gefühl hat, das maneinfach gut ist, dann stimmt was nicht. Man muss immer Selbstzweifel haben. Ich möchte immer dazulernen, immer wieder besser werden.

Leider haben mir meine Eltern aber nicht beigebracht, wie man mit Geld umgeht.

Wie konntest du beweisen, dass du was von Zahlen verstehst?

Wieso?

Naja, allgemeinhin können Männer doch nicht so gut mit Zahlen umgehen.

Wie bitte? (Schaut konsterniert drein).

Also doch, ich kann gut mit Zahlen umgehen. Leider haben mir meine Eltern aber nicht beigebracht, wie man mit Geld umgeht. Ich hatte schon als Student Schulden. Erst nach 30 habe ich mir den Umgang mit Geld selbst beigebracht.

Ich hatte schon als Student Schulden, bis ich 30 war.

Schulden, weshalb?

Einfach für das Leben, ich habe damals die Kerze schon an beiden Enden angezündet. Ich lade gerne Leute ein, mache Geschenke. Mein Vater ist pleite gegangen als ich zehn Jahre alt war. Mit 16 habe ich zwar angefangen bei McDonalds mein eigenes Geld zu verdienen, das Problem war nur, dass ich oft mit Leuten unterwegs war, die mehr Geld hatten als ich oder Spesenkonten. Ich habe die Lektion auf die harte Tour gelernt.

Wann hast du gemerkt, dass sich etwas ändern muss?

Als ich am Ende des ersten Monats bei McKinsey die Rechnungen zusammengezählt habe. Da habe ich angefangen, mich zusammenzureissen. Innerhalb von vier Jahren war ich dann schuldenfrei. Heute habe ich eine Regel: Schulden nur für Immobilien, sonst würde ich nie mehr einen Kredit aufnehmen. Das habe ich auch meinen Kindern mitgegeben: Es gibt ein Budget, und mehr wird nicht ausgegeben.

Financial Literacy Gap?
Sprich mit deinen Kindern über Geld.

Wie ist es eigentlich so als Mann immer nur allein mit Frauen in einem Raum?

Ich find das ganz schön, es passiert aber selten (grinst). Aber im Ernst, bei Bauer im Executive Board sind wir zwei Frauen und ich. Es ist auch ganz gut für eine Chefin zu arbeiten.

Sind Frauen die besseren Chefinnen?

Nein, das würde ich nicht sagen, ich bin weder für Gender- noch für Ethno-Stereotyping zu haben. In einem Team ist die Mischung immer wichtig. Bei der  NZZ waren wir zu Beginn in der Unternehmensleitung sieben Männer, das war natürlich nicht sehr divers und das habe ich auch rasch geändert. Für mich zählt besonders die Persönlichkeit und die Fähigkeit in einem Team, nicht das Geschlecht.

… Aber jetzt hast du noch gar nicht gefragt, was ich im Job anziehe?

Keine Sorge, das kommt gleich, zuerst geht es um deine Aspirationen.

Du bist ja Österreicher, wolltest du nicht mal Kanzler werden mit NEOS? Der Platz wäre wieder frei.

(Lacht laut heraus.) Das ist mein Pensionsjob. Ab 60 gehe ich wieder nach Österreich und wieder in die Politik.

Und dann möchtest du gerne Kanzler werden?

Nein, das habe ich nie behauptet. Ich möchte gerne nach der Wirtschaftskarriere, bei der man primär dafür arbeitet, dass Aktionäre reicher werden, noch etwas der Gesellschaft zurückgeben, etwas bewegen. Das kann bei einer NGO sein oder in der Politik.

Ab 60 gehe ich wieder nach Österreich und wieder in die Politik.

Du bist ja eher so der Sunnyboy, nutzt du als als Vorteil für die Karriere?

Bin ich das? Ja klar, ich habe keine Illusionen, dass der grösste Anteil meines beruflichen Erfolgs nur von meinem Äusseren abhing. (Lacht.) Aber es hat mich früher schon beschäftigt, dass grösseren Männern mehr Autorität zugesprochen wird. Ich bin ja auch nicht gerade klein mit 1 Meter 84, aber trotzdem.

Würdest du denn gerne autoritärer wahrgenommen werden?

Als ich jünger war schon, heute sind die Zeiten ja zum Glück vorbei, dass man so geführt hat. Das Schlimmste ist doch, wenn man das Gefühl hat, man weiss schon alle Antworten als Führungskraft.

Hinter vorgehaltener Hand heisst es, deine Leistungen seien nicht gerade ausschlaggebend gewesen für die berufliche Position, in der du dich befindest.

Fragst du mich jetzt, ob ich mich nach oben geschlafen habe? Kriegt man als Frau ernsthaft solche Fragen gestellt?

Teilweise schon. Vielleicht nicht immer so offen ins Gesicht.

Jetzt habe ich das also auch mal erlebt, dass man mich sowas fragt. (Er ist sichtlich angewidert.) Ich finde, das solltest du öfters fragen, man versteht dieses Gefühl ja gar nicht, bis man das auch mal am eigenen Leib erfahren hat. (Schüttelt den Kopf.)

Veit Dengler
Fragst du mich jetzt, ob ich mich nach oben geschlafen habe?

Auf was achtest du bei deinem Look?

Ich finde es schon gut, dass man heutzutage nicht mehr so auf Äusserlichkeiten achtet. Aber als ich angetreten war bei der NZZ, habe ich ein Interview für ein Magazin gegeben und sass in hochgekrempelten Ärmeln da auf dem Sofa, ohne Krawatte. Da rief mich ein Verwaltungsrat an und meinte, wieso ich mich nicht im Anzug ablichten liesse. Dabei wollte ich doch vermitteln, dass ich gekommen war, um die Ärmel hochzukrempeln, anzupacken.

Hast du einen Signature Look?

Ich trage ab und an gerne einen Steirer Anzug, das ist in Österreich, wo ich herkomme, ein normales Business Outfit.

Wie pflegst du deine Haare?

(Lacht und schüttelt den Kopf über die Frage.) Wahnsinn.

Wie wichtig ist dir das Aussehen?

Ganz im Ernst, das Aussehen hat natürlich schon etwas mit der Wirkung gegenüber anderen zu tun. Ich bin mir generell schon bewusst, was ich für eine Wirkung habe. Das ist ja auch aus Respekt gegenüber anderen. Ein gepflegtes Aussehen hat etwas mit Manieren und Respekt zu tun. Ich musste bei Dell schon auch einmal eine Mail versenden, in der ich bat, keine Flipflops, Shorts oder Miniröcke zu tragen. Die Kleidung sollte im Büro schon etwas bedecken.

Wurde dir auch schon gesagt, dass du besser Model als Manager sein solltest?

Haha, jetzt schmeichelst du mir aber. Ich hätte als Teenager vielleicht für Clearasil modeln können, aber als das Model für “vorher”.

Ich hätte vielleicht für Clearasil modeln können, aber als das Model für "vorher".

Liest du eigentlich auch richtig die Zeitung oder nur so Männermagazine?

(Stutzt, überlegt und sagt): Ja ich lese eigentlich hauptsächlich Golf Magazine.

Du warst ja auch mal Reporter und CEO eines Medienunternehmens: So von COO zu COO - wie gefällt dir eigentlich elleXX?

elleXX? Euer Konzept ist toll, ihr macht einen schwierigen Spagat zwischen Inhalt und Service. Es wird interessant sein zu sehen, wo die Reise hingeht, im Bereich Commerce sehe ich bei euch auch grosses Potenzial. Jedenfalls super, dass es euch gibt. Ihr habt sicher eine Marktlücke entdeckt, jetzt ist die Frage, ob ihr ans richtige Publikum kommt.

Danke! Männer sind jedenfalls bei elleXX auch willkommen.