Im Februar 2023 war es so weit: Der Ständerat stimmte zu, die Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel zu senken und somit die «Tamponsteuer» abzuschaffen. Damit ist eine der ersten politischen Vorlagen, die aus einer Forderung des nationalen Frauenstreiks 2019 entstanden ist, nach jahrelangem Campaigning von Aktivist:innen und Politiker:innen durchgekommen. Wurden bislang Tampons und Binden mit 7.7 Prozent besteuert, gilt neu der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 2.5 Prozent. Damit reihen sich diese Hygieneartikel nun bei den Produkten des täglichen Gebrauchs wie Lebensmitteln oder Medikamenten ein. Viagra wird beispielsweise schon lange mit dem niedrigeren Mehrwertsteuersatz besteuert. Vor dem Entscheid des Ständerats galt für Damenhygieneartikel derselbe Mehrwertsteuersatz wie für Luxusartikel wie beispielsweise Uhren, Schmuck oder Zigaretten.

Virginia Köpfli
In der Lebensrealität von Menschen mit Menstruation ist der Kauf von Tampons und Binden ein Muss und keine Entscheidungsfrage.

Und das, obwohl die Hälfte der Bevölkerung zwischen Teenager- und Wechseljahren in der Schweiz monatlich auf Tampons und Binden angewiesen ist: «Dieses Beispiel ist ein klarer Fall von Geschlechterdiskriminierung. Es braucht endlich eine Entstigmatisierung der Monatshygiene», sagt Virginia Köpfli. Sie ist Campaignerin bei Campax, der grössten Schweizer Bürger:innenbewegung, die selbst Kampagnen durchführt und andere Organisationen dabei unterstützt. Campax hatte sich massgeblich für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Damenhygieneprodukten eingesetzt. Köpfli betont: «In der Lebensrealität von Menschen mit Menstruation ist der Kauf von Tampons und Binden ein Muss und keine Entscheidungsfrage.»

Die Schweiz hinkt hinterher

In der Schweiz dauert, wie so oft, alles noch ein bisschen länger als anderswo. Das Thema Mehrwertsteuersenkung für Damenhygieneartikel kam hierzulande zwar eigentlich bereits 2017 auf, da damals in verschiedenen Ländern die Steuer schon gesenkt wurde respektive Hygieneprodukte teilweise sogar kostenlos zugänglich gemacht wurden: Kanada schaffte die «Tamponsteuer» 2015 ab. Mauritius folgte 2017, ein Jahr später war es in Australien so weit. Deutschland hat die Mehrwertsteuer 2020 gesenkt. Schottland und Neuseeland bieten seit 2020 respektive 2021 sogar kostenlose Menstruationsprodukte in allen öffentlichen Einrichtungen an.

Die Mehrwertsteuersenkung in Zahlen

Doch was bedeutet die Senkung der Mehrwertsteuer für die Konsument:innen? Eine Person mit Uterus menstruiert in ihrem Leben im Durchschnitt 450 mal. Laut Schätzungen kostet die Menstruation über ein ganzes Leben gerechnet in der Schweiz bisher insgesamt rund 2200 Franken. Zählt man alle mit dem Menstruationszyklus verbundenen Kosten dazu, wie zum Beispiel Schmerzmittel, erhöht sich dieser Betrag sogar auf 4500 Franken. Eine Packung mit 32 Tampons kostete bis anhin 4.95 Franken. Mit dem tieferen Mehrwertsteuersatz spart man 25 Rappen und bezahlt pro Packung noch rund 4.70 Franken. «Hochgerechnet macht das durchaus einen Unterschied. Menschen, die menstruieren, müssen sich solche Produkte kaufen und andere nicht. 25 Rappen Preisunterschied auf ein Päckchen ist für manche relativ viel Geld», betont Köpfli.

Die rosa Steuer

Nicht nur für die von ihnen benötigten Hygieneprodukte bezahlen Frauen mehr, auch in anderen Bereichen werden sie stärker zur Kasse gebeten als Männer. Frauen zahlen für diverse Produkte oder Dienstleistungen mehr, beispielsweise bei Beautyprodukten oder Coiffeur-Besuchen. Dieses Phänomen hat sogar einen eigenen Namen: Pink Tax, also die «rosa Steuer». Der Name leitet sich davon ab, dass ein Produkt in Rosa oft mehr kostet als das genau gleiche Produkt in einer anderen Farbe – also der «normalen» Ausführung. Beim Besuch in einer Drogerieabteilung begegnet einem die Pink Tax überall: Für Duschgel, Rasierer und Deo zahlen Frauen laut einer deutschen Studie rund 20 bis 40 Prozent mehr, bei Parfums beträgt der Preisaufschlag bis zu 80 Prozent, Rasierzubehör für Frauen kostet teilweise doppelt so viel wie jenes für Männer. In der Schweiz sind die Preisunterschiede zwar geringer, aber auch umso schwieriger festzustellen. Auch sind Produkte für Frauen und Männer oft örtlich getrennt und nur in einer anderen Ausführung, also zum Beispiel einer unterschiedlichen Grösse, verfügbar, was den direkten Vergleich schwieriger gestaltet.

Johanna Gollnhofer
Wenn ich geschlechtsspezifische Sachen nicht mehr verschenke, trage ich dazu bei, wie sich die Rolle in der Gesellschaft verändern wird.

Die mit Abstand grösste Preislücke klafft aber bei Dienstleistungen. Ein bekanntes Beispiel ist die Textilreinigung: Hier kostet der Service an einer Frauenbluse oftmals mehr als die Reinigung eines Männerhemdes. Die Reinigung eines Herrenhemdes kostet beispielsweise 4.30 Franken, für eine Bluse werden 6.30 Franken fällig. Das sind knapp 47 Prozent mehr. Begründet wird der Preisaufschlag mit dem zusätzlichen Aufwand für die Reinigung einer Damenbluse: Durch den geraden Schnitt passt das Männerhemd, im Gegensatz zu einer raffinierter geschnittenen Bluse, auf eine automatische Bügelmaschine. Ein weiteres Beispiel ist der Besuch beim Coiffeur: Frauen bezahlen bei einem Besuch oft 40 bis 60 Prozent mehr. Zum Beispiel müssen Frauen für Waschen/Schneiden/Brushing bei der Coiffeurkette Gidor mindestens 66.50 Franken hinblättern, während Männer hier nur 43.50 Franken zahlen. Wäre es nicht mal eine erfrischende Idee, die Preise nach Haarlänge anstatt nach Geschlecht festzulegen?

Die Pink Tax als Marketingstrategie

Aber wie ist die Pink Tax eigentlich entstanden? Hier hilft ein Blick in die Marketingstrategie: «Im Marketing geht man davon aus, dass unterschiedliche Bedürfnisse bei unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen vorhanden sind. Als Unternehmen muss man für unterschiedliche Bedürfnisse unterschiedliche Produkte liefern. Zusätzlich will man natürlich die höchste Zahlungsbereitschaft abgreifen», erklärt Johanna Gollnhofer, Direktorin des Instituts Marketing und Customer Insight an der Universität St. Gallen. Über Jahre hinweg habe man die Annahme getroffen, dass insbesondere Frauen für Produkte, die auf Aussehen oder Ästhetik abzielen, bereit sind, mehr zu zahlen als Männer. Der Grund für die Pink Tax ist also simpel: Es existiert ein Markt dafür. «Die Produkte würden sich nicht im Sortiment halten, wenn es keine Abnehmer:innen gäbe», sagt Gollnhofer.

Das eigene Verhalten reflektieren

Um die Pink Tax zu umgehen, fängt man laut Gollnhofer am besten bei sich selbst und dem eigenen Kaufverhalten an: «Man sollte sich beim nächsten Einkauf fragen: ‹Brauche ich wirklich die pinke Variante? Oder reicht vielleicht auch ein neutrales Produkt?›». Anstatt den rosa Damenrasierer kann man sich auch einen Rasierer aus der Herrenabteilung kaufen.

Zudem sollte man sich bewusst überlegen, was man Kindern schenkt, rät Gollnhofer. Denn das Verständnis, dass rosa Produkte für Frauen sind, wird Kindern schon früh mitgegeben. Spielzeuge für Mädchen und Jungen unterscheiden sich häufig im Design. Es gibt zum Beispiel nicht nur neutrale Überraschungs-Eier, sondern auch eine Variante für Mädchen – natürlich in Rosa. Gollnhofer sagt dazu: «Wenn ich diese geschlechtsspezifischen Sachen nicht mehr verschenke, trage ich dazu bei, wie sich die Rolle in der Gesellschaft verändern wird.»

Auch für das Coiffeurproblem gibt es eine Lösung: Den Salon wechseln. Es gibt inzwischen Anbieter:innen, die den grundsätzlichen Unterschied zwischen Damen- und Herrenschnitt abgeschafft haben. Bei Produkten, bei denen man eine Entscheidungsfreiheit hat, kann man also selbst zu Veränderungen beitragen. Dies ist jedoch bei Damenhygieneartikeln nicht der Fall. Hier kann man sich als menstruierende Person nicht aussuchen, ob man das Produkt kauft oder nicht.

Virginia Köpfli
Die «Tamponsteuer» ist nicht der grösste Einschnitt für Frauen in ihrem Leben, aber sie bewegt sich in einem Spannungsfeld von ganz verschiedenen Problemthemen, die sie exemplarisch aufzeigt.

Senkung der Mehrwertsteuer ist wichtig für die Enttabuisierung der Menstruation

Die Mehrwertsteuer stellt laut Köpfli eine «Pink Tax in extremster Form» dar. Sie führt weiter aus: «Die Tamponsteuer ist nicht der grösste Einschnitt für Frauen in ihrem Leben, aber sie bewegt sich in einem Spannungsfeld von ganz verschiedenen Problemthemen, die sie exemplarisch aufzeigt.» Laut Köpfli sind diese Problemthemen zum einen die Tabuisierung der Monatshygiene, der Fakt, dass Frauen politisch noch immer zu wenig mitbestimmen, aber auch die finanzielle Diskriminierung, die Frauen sowieso schon in ihrem Alltag begegnet. Etwa durch Lohndiskriminierung oder die unterschiedlichen Geschlechterverhältnisse beim Vermögen.

Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel ist also nicht nur ein wichtiger Schritt in Richtung finanzielle Gleichberechtigung, sondern auch ein Anstoss für die Enttabuisierung der Menstruation: Seit der Senkung gibt es zahlreiche Pilotprojekte an öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten und Schulen, bei denen kostenlose Menstruationsprodukte zur Verfügung gestellt werden. Die ETH bietet an bestimmten Standorten schon seit 2021 kostenlos Tampons und Binden an, an Luzerner Schulen werden diese Artikel seit 2022 gratis abgegeben, nun haben dieses Jahr auch die Schulen in Basel und in Zürich dieses Angebot eingeführt. Wenn es nach Köpfli geht, sollten kostenlose Damenhygieneartikel aber zur Ausstattung jedes WCs gehören, nicht nur in öffentlichen, sondern auch in privaten Einrichtungen. Bis dies der Fall ist, wird noch viel weiteres andauerndes Campaigning nötig sein. Doch die gesetzliche Senkung der Mehrwertsteuer hat gezeigt: Es zahlt sich aus.

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