Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Damit wollen wir  einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.

Ständerat Daniel Jositsch fühlt sich als Mann diskriminiert und wünscht sich, er wäre eine Frau. Dann hätte er Chancen gehabt, Bundesrätin zu werden. Wie er mit dem Entscheid der SP-Fraktion umgeht und wie gut Väter mit kleinen Kindern als Bundesrat geeignet sind, liest du in den Männerfragen.

Warum fühlen sich Männer immer als Opfer?

Einerseits macht man uns heute Männern heute zum Vorwurf, was in den letzten 2000 Jahren passiert ist – aber weil wir nicht dabei waren, nervt diese Sippenhaft. Andererseits ist der Ausdruck «alter weisser Mann» fast eine rassistische Beleidigung, die aber gesellschaftsfähig ist: Man darf diese Gattung Mensch diskriminieren, ohne dass das eine Folge hätte.

Fühlst du dich als alter weisser Mann denn diskriminiert?

Ja, phasenweise schon. Bis vor Kurzem war das anders, aber mittlerweile hat es ein Ausmass angenommen, wo mir dieses Bashing auch auf die Nerven geht. Ich kann ja nichts dafür, was in den letzten 2000 Jahren passiert ist.

Aber in den letzten 50 Jahren hast du auch von einem männerfreundlichen System profitiert: höhere Löhne, bessere Berufschancen, Stimm- und Wahlrecht, die Macht über die Frau unter dem alten Eherecht, zum Beispiel konnte ein Mann einer Frau das Recht verwehren, ein eigenes Bankkonto zu eröffnen … Das alles ist für die Frauen in deinem Alter nie selbstverständlich gewesen und ist es heute teilweise immer noch nicht.

Ja, das stimmt. Ich bin ja auch dafür, dass man Frauen nun fördert, ich bin auch für Gleichberechtigung.

Warum möchtest du dann Bundesrätin werden, Daniel Jositsch?

(Lacht laut.) Ich finde es eine spannende Herausforderung, weil man wirklich massgeblich für eine Zeit das Schicksal der Schweiz mitbestimmen kann, und es gibt ein paar Sachen, die ich gerne gestalten würde.

Was denn?

Alles, was den Klimawandel betrifft, die Ökologie. Das wird eine grosse Umstellung, wir werden in ein neues Zeitalter kommen. Dazu kommt der ganze internationale Aspekt, die ganze Welt hat mittlerweile Probleme, die wir gemeinsam lösen müssen. Mich beschäftigen auch die Migrationsfrage sowie die Kriminalitätsbekämpfung auch auf internationaler Ebene. Das Leben als Bundesrat ist auch sehr mühsam: Man will es werden, aber man hat auch ein bisschen Angst davor. Als nun klar wurde, dass ich es nicht werde, war ich sehr entspannt.

Meinst du, du wirst nie mehr Bundesrätin, der Zug ist abgefahren?

Ja! Wenn, wird als nächstes ein Westschweizer Bundesrat – ich bin jetzt 57 – bis die Deutschschweiz wieder dran ist, ist das Zeitfenster zu.

Sind Männer überhaupt als Bundesrat geeignet?

Ich glaube, das hat weniger mit dem Geschlecht zu tun und mehr mit den individuellen Fähigkeiten. Am wichtigsten ist die Führungsfähigkeit.

Daniel Jositsch
Das Leben als Bundesrat ist auch sehr mühsam: Man will es werden, aber man hat auch ein bisschen Angst davor. Als nun klar wurde, dass ich es nicht werde, war ich sehr entspannt.

Wärst du lieber eine Frau?

Ja, aktuell wäre ich lieber eine Frau. (Lacht herzlich.)

Hast du eigentlich Jura studiert, weil du nicht gut rechnen kannst?

Das Studium habe ich gewählt, weil ich mich für Recht und Gerechtigkeit einsetzen wollte. Volkswirtschaft hat mich im Grundstudium auch interessiert, aber da ich mathematisch nicht so talentiert war, stimmt das wohl.

Du bist Ständerat und Professor ​​für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Uni Zürich. Respektieren dich die Studierenden so als Mann?

Ich glaube schon.

Woran merkst du das?

Gute Frage, vielleicht respektieren sie mich auch nicht, aber ich fühle mich jedenfalls respektiert. Ich habe leider kein sehr intensives Verhältnis zu den Studierenden. Zu meinen Vorlesungen kommen etwa 200 Studierende, das ist eine sehr frontale Sache, und es findet wenig Austausch statt.

Wie ist es, als einziger Mann im Hörsaal zu sein?

Ich bin nicht der einzige, aber was interessant ist: Als ich damals studierte, war der Anteil der Frauen bei zehn Prozent. Heute haben wir eine Mehrheit von Frauen im Vorlesungssaal, das hat sich stark geändert. Mittlerweile gibt es auch sehr viele Assistentinnen. Bei mir ist nur ein Mann angestellt, der Rest sind Frauen. Im Fach Strafrecht sind wir heute bei 50/50. Jus wird zu einem Frauenfach.

Sinken jetzt dadurch die Löhne?

Nein, im Gegenteil: Die Löhne der Frauen steigen an.

Was zeichnet eigentlich einen guten Juristen, eine gute Juristin aus?

Es braucht zweierlei: Juristinnen und Juristen müssen zum einen Wühlmäuse sein, man muss in die Tiefe gehen und die Grundlagen aufarbeiten, das ist wie das Fundament. Zum anderen braucht es Kreativität, weil Jus ja eben keine Mathematik ist. Da, wo die Mathematik aufhört, fängt das Kreative im juristischen Bereich an. Man muss deshalb sowohl korrekt und fleissig sein als auch kreativ und phantasievoll. Zudem braucht es eine solide sprachliche Kenntnis, weil Jus halt über die Sprache geht und da wirklich Exaktheit verlangt wird.

Bist du manchmal zu emotional?

(Verzieht die Mundwinkel nach unten.) Nein, ich bin gerne emotional! Ja gut, es gibt sicher manchmal Situationen, da war ich zu emotional, aber da kann man sich nachher immer noch entschuldigen. Aber: Ich finde, Emotionen sind etwas Gutes, die sollte man nicht unterdrücken.

Was kannst du besonders gut?

Ja, das frage ich mich häufig. (Sinniert lange vor sich hin. Wiederholt murmelnd die Frage.) Was kann ich besonders gut? Vielleicht nichts besonders gut, aber ich habe ein paar nützliche Eigenschaften: Ich bin sehr selbstdiszipliniert, fleissig, effizient und gut organisiert. Chli langwilig.

Daniel Jositsch
Der Ausdruck «alter weisser Mann» ist fast eine rassistische Beleidigung, die aber gesellschaftsfähig ist: Man darf diese Gattung Mensch diskriminieren, ohne dass das eine Folge hätte.

Was kannst du gar nicht?

Das gibt es wirklich viel. Alles andere! (Lacht laut.) Ich habe einen sehr schlechten Orientierungssinn, ich bin visuell unbegabt: Du könntest hier das halbe Büro umstellen, und ich würde es nicht merken. Ich bin ausserdem ungeduldig und nicht so einfühlsam.

Warum bist du Professor geworden und nicht Hausmann?

Bei der Geburt meines Sohnes haben meine damalige Frau und ich besprochen, welches Modell zu uns passt. Ich hatte damals überlegt, als Hausmann 50 Prozent zu Hause zu bleiben. Meine Frau war damals Lehrerin, ich war bereits Professor an der Universität Zürich, und ich hatte ihr den Vorschlag gemacht, dass wir uns 50/50 aufteilen. Doch dann haben wir herausgefunden, dass ich mit 50 Prozent so viel verdiene wie sie mit 100 Prozent, und dann war sie es, die vorschlug, zu Hause zu bleiben.

Kannst du gut kochen?

Nicht gut, aber ich mache es gern.

Was ist dein Signature Dish, den du besonders gut kochst?

Dann würde ich mein legendäres Zürigeschnetzeltes mit Tofu machen.

Was war die grösste Ungerechtigkeit, die du jemals im Leben erfahren hast?

Als ich in Südamerika gelebt habe, sah ich, dass es für Kinder keinen Weg aus dem Elend gibt, wenn sie am falschen Ort zur Welt kommen. Ausser sie werden kriminell oder Fussballer.

Kann ein Vater mit kleinen Kindern ein guter Bundesrat sein?

Ja.

Ein guter Vater?

Das glaube ich hingegen nicht. Ein Bundesrat kommt oft spät nach Hause, wenn die Kinder bereits im Bett sein müssen. Es ist aber nicht nur die Zeit, die fehlt, sondern man muss einigermassen spontan reagieren können. Ich hatte auch definitiv zu wenig Zeit für meinen Sohn, als er klein war, aber ich konnte spontan reagieren, wenn er mich brauchte. Ich konnte mit ihm etwa auf eine Prüfung lernen, oder ich konnte mir einen kurzfristig anberaumten Elternabend einrichten. Frei über seine Zeit verfügen kann man als Bundesrat sicher nicht. Allenfalls ist es möglich, sich besser zu organisieren, wenn man in Bern Bundesrat ist und in Bern wohnt. Das bedingt aber, dass die ganze Familie auch dort wohnt.

Was macht einen guten Vater aus?

Ein guter Vater ist ein Vorbild. Dafür muss man einerseits da sein, und andererseits muss man die Werte vorleben können, die man weitergeben will. Es braucht also Präsenz, um ein guter Vater sein zu können.

Daniel Jositsch
Kann ein Vater mit kleinen Kindern ein guter Bundesrat sein? Ja. Ein guter Vater? Das glaube ich hingegen nicht.

Wie hältst du deine Figur?

Ich mache jeden Tag 90 Minuten Sport und schaue, wie viel ich esse.

Hast du ein spezielles Fitness-Programm?

Ich trainiere täglich auf dem Crosstrainer! Und dabei schaue ich Fernsehen, meistens abends.

Was ist dein bester Haarpflege-Tipp?

(Kriegt sich vor Lachen kaum noch ein.) Haha, da kann ich wirklich nur lachen. Was soll ich dir jetzt da für Haarpflege-Tipps geben? Ich fahre mit dem Rasierapparat einmal pro Woche über den Kopf.

Was ist dein Signature Outfit?

Anzug mit Gilet. Das hat damit zu tun, dass ich immer friere. Ich habe ja in Rekordzeit abgenommen, und seither ist mir immer kalt.

Lieblingsfarbe?

Schwarz!

Warum?

Ich mags gerne dunkel, ich lebe auch in dunklen Räumen. Mein Lieblingsmaler ist Caravaggio. Ich habe auch ein Porträt von mir malen lassen, extra mit dunklem Hintergrund! (Streckt der Journalistin das Foto hin. Er sitzt magistral auf einem Stuhl. Man könnte sagen: fast bundesrätlich!)

Ich musste mich nur eine Viertelstunde hinsetzen für die Malerei. Aber dafür wollte er zweimal eine Stunde abends mit mir Whisky trinken und mit mir reden. So hat er mich kennengelernt. Ich finde, er hat mich gut gemalt, nicht? (Journalistin nickt anerkennend.)

Von Juristin zu Jurist: Wie findest du eigentlich elleXX?

Ich finde, ihr habt ein gutes, neues Konzept. Ich kannte elleXX vor unserem Gespräch nicht – aber das hat damit zu tun, dass ich keine Medien konsumiere. Ich gehe davon aus, dass die Medienberichterstattung generell so ist wie über mich – und dann ist sie ja nicht falsch, aber eben auch nicht ganz richtig.

Wir sind ja nicht nur eine Medienplattform, sondern auch eine Finanzplattform.

Wirklich?!

Willst du mal einen Monat als Member ausprobieren?

Ja, das mache ich.