Der Schauspieler Reto Stalder wurde durch die Rolle des Fabio Testi im «Bestatter» bekannt. Starallüren hat er keine, die Leute erkennen ihn trotzdem heute noch auf der Strasse. Groupies sind kein Thema, Geschenke von Fans gibts dennoch: Buchstabensuppe und Totenköpfe.

In den Männerfragen erzählt Stalder von einem seltsamen Erlebnis in der Sauna (mit Mike Müller in der Nebenrolle), von seinen Anfängen im Aktienmarkt – und er verrät, wie er sich am liebsten begraben lassen will.

Du wurdest durch den «Bestatter» bekannt. Wie gehst du mit deinem Ruhm um?

Der hat sich schon ziemlich auf die Zeit während der Ausstrahlung konzentriert. Und jetzt ist es auch schon ein Weilchen her, die letzte Folge lief ja bereits 2019.

Hat deine Bekanntheit seither abgenommen?

Ja, das ist mir schon aufgefallen. Allerdings, ein bisschen etwas ist hängen geblieben: Momentan spiele ich eine Theaterrolle, für die ich mich schminken muss. Und wenn ich mich dann nicht gründlich genug abschminke, merke ich schon, dass die Leute mich noch erkennen.

Du spielst auf Fabio Testi an. In deiner Rolle im «Bestatter» warst du stark geschminkt. Hast du Tipps für den perfekten Lidstrich?

(Lacht laut.) Ich kann das ja selber auch nicht so gut. Damals wurde ich professionell geschminkt. Ich sass da jeweils fast 40 Minuten in der Maske. Jetzt im Theater schaffe ich es gerade noch, mich selbst zu schminken. Auf der Bühne gibt es eine gewisse Distanz zum Publikum und keine Kamera, die dir quasi im Gesicht klebt. Das Make-up beschränkt sich aufs Abdecken, ein bisschen Rouge und diese Striche um die Augen.

Beeinflusste Fabio deinen privaten Modegeschmack?

Ich war vorher schon eher der Typ für Jeans und T-Shirt, und das hat sich nicht verändert. Obwohl die Kostümbildnerin damals fand, dass mir die Outfits so gut stehen, dass ich sie auch privat tragen sollte. Aber ich bin froh, wenn ich mir nicht allzu grosse Gedanken über meine Garderobe machen muss.

Fabio ist sehr empathisch und kümmert sich um die Hinterbliebenen. Sind das typisch männliche Eigenschaften, oder musstest du dich da erst einfinden?

Die Rolle passte schon gut zu mir: Ich kann gut zuhören, man vertraut mir schnell etwas an. Das war also nicht etwas, das ich spielen musste. Ob das typisch männlich ist, wüsste ich jetzt nicht. Als ich zum ersten Mal den Rollenbeschrieb bekam, dachte ich, das hat überhaupt nichts mit mir zu tun: Fabio kommt aus der Goth-Szene, bewegt sich im Kreis der Berner Reitschule, und da fragte ich mich: «Wie kommen die jetzt auf mich?» Aber als ich die Rolle genauer gelesen habe, fand ich dann schon, dass sie zu mir passt.

Du hast vor ein paar Jahren wegen einer Theaterrolle angefangen, Aktien zu kaufen. Als Mann hattest du natürlich vorher keine Ahnung von der Finanzwelt. Wie hast du dich informiert?

Als ich anfing, war das Thema noch nicht so verbreitet wie heute. Jetzt ist ja alles günstiger, zugänglicher und einfacher. Ich habe mich hauptsächlich mit Büchern und über das Internet, Blogs, Youtube und so weiter informiert. Ich ging also nicht den klassischen Weg über eine Beratung bei meiner Hausbank – zum Glück.

Warum zum Glück?

(Lacht.) Ich sags mal so: Wenn ich zu einem VW-Händler gehe, ist die Chance gross, dass ich einen VW kaufe, obwohl ein anderes Auto vielleicht besser wäre für mich.

Reto Stalder
Ich bin froh, wenn ich mir nicht allzu grosse Gedanken über meine Garderobe machen muss.

Du hast eine Lehre als Konstrukteur gemacht. Warum bist du nicht in einem Beruf mit sicherer Aussicht geblieben, sondern Schauspieler geworden? Du solltest ja schliesslich irgendwann eine Familie ernähren können.

Dass ich diese Lehre gemacht habe, war eigentlich Zufall. Ich wusste nicht, was ich werden will, und ging zum Berufsberater. Der war früher Ausbildner für Konstrukteure und hat mir den Beruf wohl deswegen empfohlen. Dann habe ich eine Schnupperlehre gemacht und dachte: «So schlimm ist das nicht.» Zufällig war in meinem Dorf noch eine Lehrstelle frei.  Das Ganze war dann ein bisschen holprig, der Lehrmeister ging während meiner Ausbildung, und es gab niemanden mehr, der mich betreuen konnte. Ich musste also im vierten Lehrjahr einen neuen Betrieb suchen.

Jetzt hast du meine Frage zur Familienplanung elegant umschifft: Willst du mal Kinder? Es wird langsam Zeit.

Ja, ich weiss, eigentlich müsste man sich in meinem Alter darum kümmern. Kürzlich war ich beim Arzt wegen meinem Knie, und der sagte mir auch, dass ich halt nicht mehr Zwanzig bin. Aber im Moment ist die Kinderfrage für mich einfach nicht aktuell.

Zurück zur Schauspielerei: Wie wichtig ist dir dein Aussehen?

Privat bin ich wie gesagt ganz froh, wenn ich am Morgen einfach irgend etwas anziehen kann und nicht noch grosse meine Haare machen muss, sondern einfach so (wuschelt in seinen Haaren). In meinem Beruf ist das Aussehen natürlich schon wichtig, aber da habe ich den Vorteil, dass sich professionelle Leute darum kümmern. Beim «Bestatter» habe ich es übrigens sehr genossen, so lange in der Maske zu sitzen. Du kannst schon langsam im Tag ankommen, vielleicht noch den letzten Dreh besprechen. Dafür musste ich aber auch immer als Erster aufstehen.

Reto Stalder
In meinem Beruf ist das Aussehen natürlich schon wichtig, aber da habe ich den Vorteil, dass sich professionelle Leute darum kümmern.

Hast du Groupies?

Hmm, ich weiss nicht, ob man das so nennen kann. Aber es gab schon ein paar Erlebnisse, die in die Richtung gehen. Ich spiele im Moment eine Theaterrolle, die keine Konsonanten sagen kann. Ich spreche also nur in Vokalen. Einmal hat mir nach der Vorstellung ein Paar ein Päckchen Buchstabensuppe geschenkt, damit ich meine Konsonanten wieder finde.

Das ist aber eigentlich sehr härzig.

Ja, fand ich auch. Ich habe die Suppe dann auch zubereitet, ein Foto davon gemacht und das Bild den beiden als Dankeskarte geschickt. Ich finde es immer schön, wenn sich die Leute so Mühe geben, das ist dann weniger einseitig, als wenn ich auf der Bühne oder vor der Kamera stehe und das Publikum einfach nur zuschaut.

Welche Geschenke hast du sonst noch bekommen?

Einmal hat mir jemand aus Gips gegossene Totenköpfe geschickt.

Wie bitte?

Haha, ja, aber das war noch zur «Bestatter»-Zeit, da hat das natürlich gepasst. Und als die Serie eine Zeit lang in Japan ausgestrahlt wurde, hat mir eine Frau mehrere Jahre lang Weihnachtskarten geschickt und einmal sogar ein Notizbuch.

Was stand in diesen Karten?

Einfach, dass sie mir frohe Weihnachten wünscht und hofft, dass meine Karriere gut läuft.

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Ist das nicht irgendwie creepy, von Fremden solche Sachen geschickt zu bekommen?

Bisher waren das ja liebevolle und originelle Geschenke, und wie gesagt, ich finde das eine schöne Geste. Und ich kann ja immer noch selber entscheiden, ob ich solche Fanpost öffne oder nicht. In der Öffentlichkeit ist das anders, da gab es einmal eine eher seltsame Situation.

Erzähl.

Einmal war ich im Westside Waterpark in Bern in der Sauna. Als ich reinkam, sagte einer: «Ha, jetzt fehlt nur noch der Mike!» In der Sauna. Das war schon ein wenig schräg.

(Journalistin ist sehr amüsiert.) Aber im Ernst, du musstest noch nie ein Groupie abweisen? Mit deinem hübschen Gesicht?

(Kichert.) Es gibt schon immer wieder Anfragen auf Instagram, ob ich nach der Show noch etwas trinken gehen möchte. Aber mir ist das dann einfach zu viel. Vor allem komme solche Anfragen dann von irgendwelchen Profilen mit einem blauen Himmel als Anzeigebild oder so. Manche Leute projizieren viel auf einen, sie meinen vielleicht, ich bin genau so wie meine Rolle. Wie Fabio aus dem «Bestatter». Aber der hat halt im echten Leben gar nicht so viel mit Reto zu tun.

Im «Bestatter» verlieben sich Fabio Testi und Lilly Berghoff, gespielt von Tabea Buser, ineinander. Hats zwischen euch auch abseits des Filmsets geknistert?

Wir sind natürlich beide Profis.

Das sagen alle!

(Grinst.) Nein, natürlich ist es hilfreich, wenn man sich gut versteht und nicht jeden Morgen denkt: «Ui nein, jetzt muss ich wieder mit der spielen.» Aber gerade an einem Filmset hat man ja so viele Leute um sich herum, das ist nicht wahnsinnig romantisch.

Reto Stalder
Manche Leute projizieren viel auf einen, sie meinen vielleicht, ich bin genau so wie meine Rolle.

Hast du eigentlich Angst vor dem Älterwerden? Als Mann darf man ja nicht altern.

Mir halt mal eine Maskenbildnerin gesagt, dass meine ersten grauen Haare zwar gut zu mir passen, aber halt nicht zu Fabio. Aber das stresst mich eigentlich nicht wirklich. Klar, ich spüre heute mehr als früher, wenn ich am Abend vorher Alkohol getrunken habe, und ich brauche ein wenig länger, um mich von einem Drehtag zu erholen. Aber Älterwerden eröffnet ja auch neue Möglichkeiten für andere Rollen.

Speaking of Altern: Hat die Arbeit für den «Bestatter» dein Verhältnis zum Tod verändert?

Ja, schon. Ich hatte vorher nie wirklich Kontakt mit dem Thema Tod. Als mein Grossvater starb, wollten meine Eltern nicht, dass wir ihn aufgebahrt anschauen. Ich sollte ihn so in Erinnerung behalten, wie er war. Und er ist in einem Urnengrab begraben. Während den «Bestatter»-Dreharbeiten haben wir häufig an Originalschauplätzen gedreht; auf Friedhöfen, in Krematorien und Spitälern. Und ich habe ich mir Gedanken gemacht, die ich vorher nie hatte.

Welche?

Etwa, dass ich für mich auch gerne ein Urnengrab haben möchte. Ich finde die Vorstellung seltsam, als Ganzes in einem Sarg unter der Erde zu liegen und angeknabbert zu werden. Das Ganze hatte irgendwann auch einen lustigen, vielleicht bizarren Touch: Wir haben uns in den Drehpausen Kataloge angeschaut und besprochen, welche Urne wir am schönsten finden und in welcher wir uns am ehesten sehen, solche Sachen.

Du arbeitest im Film und Theater vor allem mit Männern zusammen. Traust du dich nicht, mit Frauen zu arbeiten?

Meistens kann ich leider nicht entscheiden, wer die Regie meiner Projekte macht. Ich werde ja angefragt, und es ist schon so, dass es da noch sehr viele Regisseure und weniger Regisseurinnen gibt. Bei der dritten Staffel vom «Bestatter» wurde das Thema Diversität in der Regie und auch im Autor:innenteam immer aktueller. Allgemein wird das Bewusstsein für diese Themen in der Film- und Theaterszene immer stärker. Bei den Dreharbeiten zum «Bestatter» wurden Diskussionen diesbezüglich auch aktiv geführt.

Inwiefern?

Wir haben uns zum Beispiel oft darüber unterhalten, ob die Frauenrollen so in Ordnung sind oder ob sie ein antiquiertes Bild transportieren. Oder ob es ein Problem ist, dass sie von einem Mann geschrieben wurden, ob diese Rolle jetzt den männlichen Blick auf eine Frau wiedergibt oder ob sie wirklich authentisch ist. Und auch beim SRF wird viel mehr darauf geachtet, das sieht man jetzt schön am Tatort-Team, das praktisch nur aus Frauen besteht. Dass sich die Schauspielerinnen selber so einbringen und das diskutieren können, ist neu. Früher hast du als Darsteller:in die Rolle einfach angenommen und versucht, so wenig aufmüpfig wie möglich zu sein. Diesbezüglich ist auf jeden Fall ein Wandel im Gange.