«Ich habe mir immerhin mit über fünfzig Fachpublikationen einen Namen gemacht. Wenn ich ihn jetzt ablege, ordnet mir die niemand mehr zu.»

«Deine Publikationen kann dir doch keiner nehmen, es wird nur eine Weile dauern, bis sich die Leute an deinen neuen Namen gewöhnt haben. Ausserdem ist der viel seltener als dein Mädchenname, der ohnehin nicht besonders unterscheidungskräftig war.»

«War? Jetzt sprichst du bereits in der Vergangenheitsform? Ich heisse immer noch Frey.»

«Natürlich, Schatz, das war nicht so gemeint. Ich weiss, dass du dich noch nicht entschieden hast. Aber überleg doch mal, wie umständlich es wäre, wenn unsere Kinder nicht denselben Namen wie wir beide hätten.»

«Das hat etwas für sich, aber wir könnten ja auch meinen Namen als Familiennamen wählen. Er ist schön kurz.»

«Ach komm schon, das kannst du nicht von mir verlangen. Nur Weicheier nehmen den Mädchennamen ihrer Frau an.»

«Was soll das denn wieder heissen? Ich finde das eher selbstbewusst und modern, wenn ein Mann über solchen antiquierten Vorurteilen steht.»

«Ich könnte da vielleicht noch knapp drüber stehen, aber hast du eine Vorstellung, was meine Eltern sagen würden, wenn ich unseren altehrwürdigen Familiennamen ablegen würde? Die würden mich glatt enterben, wenn der künftige Stammhalter anders hiesse als sie! Das kann doch nicht in deinem Interesse sein.»

«Genauso wenig wie es in deinem Interesse sein kann, dass ich mein wissenschaftliches Standing verliere.»

«Wenn du erst mit mir verheiratet bist, musst du dich nicht mehr um deine wissenschaftliche Karriere kümmern, dann hast du ausgesorgt.»

«Das möchte ich aber, Herrgott nochmal! Ich schmeisse doch nicht alles hin, was ich mir die letzten Jahre aufgebaut habe, nur weil ich bald einen Ring am Finger trage.»

«Wenn du möchtest, dass sich gar nichts ändert, sollten wir es mit dem Heiraten vielleicht besser bleiben lassen. Es ist doch nur ein Name. Was soll auf einmal dieses pseudoemanzipierte Getue?»

«Pseudoemanzipiert nennst du das, nur weil ich nicht mir nichts dir nichts meinen Mädchennamen aufgebe, während dasselbe bei dir überhaupt nicht in die Tüte kommt?»

«Es ist hierzulande nun mal üblich, dass die Frauen den Namen der Männer annehmen und nicht umgekehrt.»

«Deswegen ist es noch lange nicht richtig.»

«Wenn du deinen Namen unbedingt behalten willst, kannst du ihn ja mit Bindestrich hinten an meinen anhängen.»

«Einen Allianznamen, der noch nicht einmal ins Zivilstandsregister eingetragen wird, brauche ich nun wirklich nicht.»

«Dann lass es eben bleiben. Doppelnamen ohne Bindestrich sind nun einmal nicht mehr zulässig.»

Schmollend geht das Paar auseinander. Dieses Mal und noch verschiedene weitere Male, in denen diese Diskussion in ähnlicher Form geführt wird. Nachdem ihr Zukünftiger auch noch seine Mutter mobilisiert, um sie zu bearbeiten, beschliesst Sibylle Frey schweren Herzens, dass sie künftig Sibylle Königsberger heissen wird – dem Frieden zuliebe.

Und auch weil sie für diese Gespräche keine Zeit mehr hat, schliesslich gilt es, die Hochzeit zu organisieren. Diese findet mit allem Drum und Dran im Mai statt.

Wie befürchtet, bekommt Sibylle nach der Heirat kaum noch Anfragen, wissenschaftliche Publikationen zu veröffentlichen oder als Rednerin aufzutreten.

Als sie nach Monaten endlich wieder einmal kontaktiert wird, ist sie umso erfreuter. Vielleicht behält ihr Mann ja trotzdem Recht und es ist nur eine Frage der Zeit, bis man sie auch unter ihrem neuen Namen wiederfindet.

Die Kontaktnahme stellt sich allerdings als Verwechslung heraus. Der Herausgeber, der Sibylle anruft, will eigentlich Sibyl Königsberger kontaktieren. Eine ebenfalls renommierte Autorin auf dem Gebiet der Humangenetik, wie sich herausstellt.

Nach der Aufklärung des Missverständnisses verläuft die Unterhaltung derart angeregt, dass man sich zum Kaffee verabredet. Schliesslich ist man in derselben Stadt auf demselben Gebiet tätig und wer weiss, vielleicht ergibt sich ja doch noch mal die Gelegenheit zur Zusammenarbeit.

Der Herausgeber ist äusserst charmant und nach ihrer beruflichen Flaute kann Sybille etwas Aufmunterung gebrauchen. Auf zwei weitere Kaffees folgt ein Nachtessen, auf zwei weitere Nachtessen eine Nacht.

Dass der kleine Königsberger, der im folgenden Sommer geboren wird, eigentlich keiner ist, bleibt Sibylles gut gehütetes Geheimnis.