Warum braucht es ellexx?

Patrizia: Raten Sie mal, wie viele Frauen in der Schweiz finanziell nicht selbst für sich sorgen können? 56 Prozent! 56 Prozent der Frauen können sich also nicht selbst ernähren. Das ist eine enorme wirtschaftliche Abhängigkeit. Und genau diese hält die Frauen klein und vor allem auf. ellexx will dies ändern. Geld ist die letzte Frontlinie der Gleichstellung.

Nadine: Geld regiert die Welt und die Frauen regieren noch nicht mit. Die Finanzströme sind einer der wichtigsten Hebel, um die Welt zu verändern. Letztlich ändert sich erst etwas, wenn die grossen Geldflüsse auch in die richtige Richtung fliessen. Erst dann werden wir die Welt nachhaltiger und frauenfreundlicher zu gestalten.

Simone: Wir möchten die Frauen auch ein Stück aufrütteln und sie animieren, diese Lücken zu schliessen. Deswegen haben wir uns entschlossen, etwas aktiv zu unternehmen und nicht länger nur darüber zu reden. Wir wollen Schritt für Schritt Lösungen anbieten für jede Frau, für eine gerechtere Zukunft.

Warum habt Ihr ellexx gegründet?

Patrizia: Als langjährige Wirtschafts- und Börsenjournalistin hat es mich beelendet, dass die Anlagen der Männer über all die Jahre florierten, und die Frauen gar nie richtig dabei waren. Frauen investieren kaum. In den letzten Jahren hat dies die Vermögens-Lücke zwischen den Geschlechtern, den Gender Wealth Gap, nochmals vergrössert. Denken Sie an die Pandemie: viele Männer sind an der Börse noch reicher geworden, viele Frauen haben ihren Job verloren. Das muss sich ändern. Für mich ist ellexx eine Lebensaufgabe. Ich habe bereits 2017 den ersten Business Plan für ellexx geschrieben. Als dann Nadine Jürgensen und Simone Züger mit an Bord kamen, nahm die Idee richtig Fahrt auf.

Was war denn Ihre persönliche Motivation, ellexx mitzugründen?

Nadine: Seit Jahren schreibe ich zum Thema Gleichstellung und den Gender Gaps. Viele Frauen haben mich über die Jahre aufgrund meiner Texte immer wieder um Rat gefragt. Als ich 2019 den ersten Plan von ellexx sah, war mir klar, dass ein grosses Bedürfnis der Frauen da ist. Leider ist es so: Frauen haben grosse Lücken in ihrem privaten Finanzleben: Sie leben länger, verdienen weniger, leisten die meiste unbezahlte Arbeit für die Familie und sind meist nur Teilzeit erwerbstätig. Der Gender Overall Earnings Gap in der Schweiz beträgt für das Jahr 2018 gut 43 Prozent, das sind rund 100 Milliarden Franken weniger Einkommen pro Jahr für die Frauen. Wir möchten Frauen ermutigen, ihre finanzielle Situation zu überprüfen. Altersarmut ist weiblich. Close the Gaps! heisst deshalb unser Wahlspruch.

Simone: Ich sah sofort das grosse Potential und fühlte mich auch gleich angesprochen. Als Unternehmerin war ich direkt damit konfrontiert, die passende Vorsorgelösung zu finden. Ein frauenfreundliches, soziales und nachhaltiges Angebot habe ich bis jetzt noch nicht gefunden.  Zudem fühlte ich mich bisher von der Tonalität der Finanzwelt nie wirklich adressiert. Ich möchte nun helfen, insbesondere diejenigen anzusprechen, denen es ähnlich ergeht und Finanzthemen zugänglicher machen. Ich bin überzeugt, dass so lange die Geldwelt männlich dominiert ist, Gleichstellung schwierig zu erreichen ist.

Simone Züger
Ich fühlte mich von der Tonalität der Finanzwelt nie wirklich adressiert.

Moment mal, ihr seid seit 2019 dran, warum habt ihr erst 2021 gestartet?

Patrizia: Nur gerade 2 Prozent des weltweiten Risikokapitals fliesst in Frauen und ihre Ideen. Das haben auch wir gespürt und mussten genau so um Funding kämpfen. Wir wollten zudem zwingend Investorinnen an Bord, aber es gibt praktisch keine weiblichen Risikokapitalgeberinnen. Die meisten wohlhabenden Frauen investieren vor allem philantropisch. Den Traum von einer Bank von Frauen für Frauen mussten wir schnell begraben und kreativer werden.

Nadine: Genau darum mussten wir auch immer wieder den Business Plan schärfen. Wir haben in den vergangenen Monaten mit unglaublich wenig Ressourcen viel geleistet. Als eines der ersten hat das Digitalunternehmen Liip an uns geglaubt. Ohne sie wäre diese anspruchsvolle Plattformentwicklung von ellexx nicht möglich gewesen.

Was wollt ihr mit ellexx erreichen?

Patrizia: Wir wollen aufrütteln, berühren und ermutigen. Wenn wir das Tabu «Geld» aufbrechen und einen neuen, ehrlichen Dialog über Geld in der Schweiz lostreten könnten, wären wir schon überglücklich. Wir müssen auch wegkommen von diesem negativen Geld-Begriff. Beim Thema Geld geht es doch nicht nur um blinden Konsum und um sich selbst. Geld kann vor allem viel für andere und die Umwelt tun. Deswegen ist es so wichtig, dass Frauen auch investieren. Vor allem weil sie tendenziell auch nachhaltiger und sinngetriebener anlegen.

Nadine: Viele Frauen haben regelrecht Angst vor den vielen Begriffen rund ums Investieren und Vorsorgen und meinen, das sei nichts für sie. Dabei stimmt das überhaupt nicht! Wir sind überzeugt, dass sich Frauen beim Thema Finanzen eine andere Ansprache wünschen. Wir versuchen, die hoch regulierte Finanzwelt verständlich zu machen und wollen für die verschiedenen finanziellen Lebenssituationen der Frauen Lösungen anbieten. Bisher haben Männer Produkte für Männer designt und die Bedürfnisse der Frauen vernachlässigt.

Simone: Wir haben Kooperationspartnerinnen gefunden, die an uns und unsere Idee glauben und die unsere Vision unterstützen. Es  ist es unser Ziel, eine gleichberechtigte Gesellschaft zu erreichen oder zumindest ein weiteres Stück auf dem Weg dahin zu ebnen. Die Teilhabe und Zugang der Frauen zu ihren Finanzen und Ressourcen sind dabei ein wichtiger Markstein.

Patrizia Laeri
Wir wollen das Tabuthema "Geld" aufbrechen und darüber einen Dialog führen.

Aber es gibt doch bereits genug Finanzprodukte und -Blogs?

Patrizia: Gemäss Black Rock Investor Pulse Studie fühlen sich 85% der Frauen von Inhalten der Finanzindustrie überhaupt nicht angesprochen. Oft ist der Finanz-Jargon unnötig und abschreckend. Investieren ist gar nicht so komplex.

Simone: Viele Bank- und Versicherungsseiten sind zudem trocken  gestaltet – übrigens auch Medienseiten. Wir wollen Frauen und dem Thema aber gerecht werden. Frauen haben einen hohen Anspruch ans Design. Mir ist es ausserdem ein grosses Anliegen, Emotionen auch in die digitale Welt zu überführen und Finanzthemen so zugänglicher zu machen. Mit überraschenden und künstlerisch inszenierten Aktionen möchten wir auf diese Gaps in der Gesellschaft aufmerksam machen. Als Künstlerin will ich auch eine transformatorische Qualität in das Thema bringen, weg von einem Tabu zu einer nahbaren, ja spielerischen Herangehensweise.

Patrizia: Viele Menschen unterschätzen leider Design. Auch wenn uns Steve Jobs schon vor Jahren eines Besseren belehrt hat. Die Leser:innen sollen sich bei uns wohlfühlen. Design ist ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung gegenüber den Userinnen.

Es gibt doch schon nachhaltige und frauenfreundliche Anlageprodukte?

Patrizia: Schauen Sie sich doch diese Produkte mal genauer an. Die Top 20 ESG-Fonds, also nachhaltigen Fonds, wimmeln beispielsweise nur so von Erdölfirmen. Auch Daten des Economist zeigen, dass grüne Anlagen voller dreckiger Investments sind. Zum Teil enthalten sie gar Aktien von Rüstungskonzernen. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes schlicht entrüstend! Die Nachhaltigkeitskriterien in der Finanzindustrie sind nicht reguliert und verbindlich. Vergleichbarkeit und Transparenz gleich Fehlanzeige. Deswegen mussten wir beim ellexx Aktienprodukt bei jedem Titel selbst genau hinschauen.

Simone: Oftmals kann man als durchschnittliche Konsumentin nicht einmal alle Titel ansehen, sondern nur die obersten fünf. Wir wollen Transparenz und legen jedes einzelne Unternehmen offen.

Nadine: Es ist ein Dschungel da draussen - Gebühren, Performance, ESG-Ratings - wir haben uns da quasi durchgekämpft und eine Lösung gefunden, hinter der wir als Gründerinnen stehen können und auch selber auch darin investieren. "ellexx approved", sozusagen. Damit wollen wir vielen Frauen den Einstieg in eine Anlage vereinfachen.

Wie haben Sie die Titel ausgewählt?

Patrizia: Wir haben einen Big Data Ansatz gewählt: neben den klassischen Investment-Analysen, haben wir Forschungsstudien, Rankings, Medienberichte, Social Media Screenings, aber auch Bewertungen von Mitarbeiterinnen einfliessen lassen. Am Schluss haben wir jede Firma nochmals einzeln recherchiert. Bei uns fliegt eine Firma sofort raus, wenn sie gegen unsere Investment-Philosophie verstösst. Das muss Folgen haben. Wir wollen Sanktionen ergreifen. Sonst hat das keinen Impact. Und das kann nur ein aktiv gemanagtes Produkt.

Was ist denn die Investment Philosophie?

Patrizia: Wir investieren nachhaltig und frauenfreundlich. Wir wollen jene Unternehmen unterstützen, welche die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Arbeitswelt beseitigen. Wir investieren in Firmen, deren Produkte Frauen helfen und ihr Wohlergehen und Leben verbessern.

Simone: Es ist für uns zudem zwingend und selbstverständlich, dass wir unser eigenes Geld auch in die ellexx-Produkte anlegen.

Nadine Jürgensen
Die Finanzströme sind einer der wichtigsten Hebel, um die Welt zu verändern.

3. Säule-Produkte sind aber viel komplexer?

Patrizia: In der Tat. Die 3. Säule ist umfassend reguliert unter BVV 3 und schliesst viele Aktien und Fonds aus. Unsere Nachhaltigkeits-Strategie konnten wir umsetzen, aber wir hatten viel mehr Einschränkungen und die frauenfreundlichen Fonds waren zum Teil zu klein, um sie zu integrieren. So traurig es ist: bei den frauenfreundlichen Produkten, die auch unter Equality oder Gender Lens Investing laufen, stehen wir erst ganz am Anfang. Weltweit liegt nur eine geringe absolute Summe in diesen Produkten. Aber Initiativen wie ellexx werden dies ändern.

Nadine: Wir sind dankbar, dass wir eine Kooperationspartnerin gefunden haben, die mit uns diese Pionierleistung nun auch in der stark regulierten dritten Säule in Angriff nimmt. Wir sind überzeugt, dass wir mit der Zeit so viele Menschen für diese Lösung gewinnen können, und dass es immer mehr Fonds gibt, die auch für die gebundene Vorsorge funktionieren.

Sie bieten auch eine Rechtschutzversicherung an, weshalb?

Nadine: Eine Rechtsanwältin kostet mehrere Hundert Franken pro Stunde - die Hürde, sich gegen eine Ungerechtigkeit zu wehren, ist da sehr gross. Uns war es sehr wichtig, dass in zwei Bereichen der Schutz für die Frauen ausgebaut wird: Der erste Bereich sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz. Diese waren für Frauen bisher oft aussichtslos, da sie nicht die finanziellen Mittel und Untestützung hatten, selbst wenn sie tatsächlich aufgrund ihres Geschlechts oder einer Schwangerschaft diskriminiert wurden. Kündigung wegen Mutterschaft, ungleicher Lohn - viele Frauen haben das erfahren und nichts dagegen unternommen. Diesen Schritt wollen wir ihnen nun erleichtern. Inspiriert hat mich hier auch die Geschichte von Natalie Urwyler, die ohne Rechtsschutz ihr Recht eingeklagt hat und so ein grosses Vorbild ist für viele Frauen. Im Money Talk, den ich mit ihr für ellexx geührt habe, hat sie gesagt: "Ich würde direkt mit dem Einstieg ins Berufsleben eine Rechtsschutzversicherung abschliessen."

Nadine Jürgensen
Kündigung wegen Mutterschaft, ungleicher Lohn - viele Frauen haben das erfahren und nichts dagegen unternommen. Diesen Schritt wollen wir ihnen nun erleichtern.


Sie sprachen von zwei Bereichen: Schützt die Rechtschutzversicherung auch bei einer Scheidung?

Nadine: Der zweite Bereich ist die Deckung in familienrechtlichen Belangen, sogar, wenn sie streitig sind vor Gericht. Meines Wissens bietet das keine andere Rechtsschutz: Bis 15000 Franken (unter Berücksichtigung der Karenz) kann sich eine Versicherte im Ehe- und Scheidungsrecht beraten lassen, z.B. bei einer Mediation oder bei der Aufsetzung einer Trennungs- Scheidungs oder Auflösungskonvention. Selbst wenn es vor Gericht geht, sind die Kosten in diesem Rahmen gedeckt. Das haben wir zusammen mit unserer Versicherungspartnerin so ausgehandelt. Ich habe als Gerichtsschreiberin so viele Scheidungsverfahren gesehen, ich wusste, die Kosten sind eine Sorge, die wir mit einem solchen Rechtsschutz zumindest teilweise lindern können, es tut ja auch sonst schon genug weh. Wichtig ist aber zu wissen, dass diese beiden Bereiche der ellexx Justis Rechtsschutz zusätzliche Leistungen sind, wie wir anbieten - ansonsten deckt die Versicherung auch alle anderen Belange ab, die eine Rechtsschutz auch sonst bietet, also bei Verträgen, Verkehr, verpatzen Ferien usw. Mehr dazu kann man hier erfahren.

Was sind Ihre Erfahrungen als Gründerinnen?

Simone: Nach dem Studium und Erfahrungen in Agenturen, fiel mir auf dass ich mich immer an Desginstudios und Agenturen orientierte, die von Männern geführt wurden – es fehlten mir weibliche Vorbilder in meiner Branche. Deshalb habe ich eine Initiative lanciert um Frauen in der Kreativwirtschaft besser zu vernetzen und auszutauschen, da ging es oft um Versicherungsthemen, Vorsorgelösungen und allgemeine Finanzprodukte. So habe ich hautnah miterlebt wie es um die persönliche Vorsorge in meinem Umfeld steht. Aber ein zufriedenstellendes Angebot gab es nicht. Als Designerin und Künstlerin bin ich ständig damit konfrontiert Neues auszuprobieren und unbekannte Wege zu gehen. Genau dies tun wir auch mit ellexx. Es erfordert immer wieder eine Portion Mut Vertrautes zu verlassen und ins Unbekannte einzutauchen.

Nadine: Als Einzelfirma bin ich schon seit längerem unterwegs, aber die Gründung der eigenen Aktiengesellschaft, der Aufbau der ellexx-Plattform, die langjährigen Verhandlungen mit Kooperationpartnern und der Abschluss zahlreicher Verträge vor dem Launch waren aufregend und gleichzeitig sehr zeitintensiv. Wir hatten viele und lange Verhandlungsnächte. Und wir hatten einige Tiefpunkte, während der wir fürchteten, dass die Deals platzen und monatelange Arbeit hinfällig würde. Da es in der Schweiz nicht so viele rein weibliche Startups gibt, möchten wir in Zukunft auch gerne unser Wissen an andere Frauen weitergeben. Rechtlich gab es jedenfalls eine Unmenge an Arbeit, da kam meine ursprüngliche Ausbildung als Rechtsanwältin gut gelegen.

Patrizia: Ich habe seit Jahren meine eigene GmbH und da beispielsweise die trinationale Wirtschaftssendung DACHelles selber produziert. Dadurch habe ich unternehmerische Erfahrung gesammelt. Aber ellexx sprengte alles. Ehrlich gesagt fühlte ich mich zeitweise wie eine Maschine. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet und oft konnte ich nicht schlafen, weil mir so viel gleichzeitig durch den Kopf wirbelte. Das wichtigste am Unternehmertum ist letztlich ein starkes, verständnisvolles Umfeld, das dies trägt und unterstützt. Danke an meinen Mann, Familie und meine Mutter.

Nadine: Da kann ich mich nur anschliessen - mein Mann hat mich in den letzten Monaten unglaublich unterstützt und wir haben ein völlig anderes Familienmodell als früher zusammen gelebt. Für diese neue Partnerschaft bin ich sehr dankbar. Wir sind auch stolz, wie selbständig unsere beiden Kinder geworden sind.

Simone: Wenn wir schon in der Dankesrunde sind - auch mein Umfeld hat mich natürlich stark gestützt. Unsere Tochter ist erst kürzlich ein Jahr jung geworden, ich hätte mich nie so stark für ellexx einsetzen können, ohne die wertvolle Unterstützung durch meine Eltern und meine Schwiegermutter. Und mein Partner hat nicht nur mich unterstützt, sondern hat als Finanzmarktrechtspezialist uns unzählige Stunden beraten. Merci!

Was ganz anderes: Dürfen eigentlich auch Männer bei euch investieren?

Nadine: Selbstverständlich! Alle sind eingeladen. Es gibt ja auch ziemlich viele Männer, die fühlen sich vom üblichen Finanzjargon nicht angesprochen und hätten auch lieber eine gleichberechtigtere und nachhaltigere Welt. Gleichstellung funktioniert ja sowieso nur gemeinsam. Je mehr wir sind, die für die gleichen Werte einstehen, desto schneller wird sich etwas bewegen. Ich finde, echte Kerle sind auch die, die auch zu ihrer weiblichen Seite stehen, und andern Menschen, nicht nur Männern - auf Augenhöhe begegnen. Real men support ellexx.