Mädchen werden technisch weniger gefördert als Jungen und haben darum grössere Berührungsängste mit Knöpfen und Kabeln – notabene einem elementaren Bestandteil der elektronischen Musik. Die Clubszene in der Schweiz und anderswo ist immer noch ein Boys Club. Weibliche DJs und Produzentinnen sind schlechter vernetzt und profitieren weniger von Allianzen. Und: Wir sehen uns immer wieder mit den gleichen Stereotypen konfrontiert, vor denen Männer meist verschont bleiben.

Im Folgenden lest ihr die ​​tragisch-komischsten und absurd-sexistischsten Sprüche, die ich mir in meiner DJ Karriere bis Anhin anhören musste. Seid ihr bereit? Here we go!

ros«Frauen und Technik» ist ein Kommentar, den jede DJ bisweilen hört. Besonders absurd ist dies, wenn er – so wie bei mir vor einigen Jahren – von einem männlichen Gast im Publikum in dem Moment geäussert wird, als ein Stromausfall auch den Lichtern im Club den Garaus machte. Ein Mann, der glaubt, dass ich als DJ über einen General-Knopf verfüge, mit dem ich nebst der Musik auch das Licht kontrolliere und den ich dann vor lauter Oberweite versehentlich mit den Brüsten drücke, weil ich eine Frau bin, hat wirklich keine Ahnung von Technik!

Dein Feminismus passt nicht zum Clubkonzept.

«Du hast mega gut ausgesehen beim Auflegen!» höre ich ebenfalls regelmässig –  seltsamerweise hauptsächlich von Frauen, die ernsthaft glauben, mir damit ein grosses Kompliment zu machen. Ich informiere sie dann jeweils freundlich darüber, dass sie falsch liegen. Natürlich freue ich mich (wie jeder halbwegs normale Mensch) über Nettigkeiten, die mein Aussehen betreffen, allerdings nicht in diesem Zusammenhang. Beim Auflegen steht nämlich – man höre und staune! – nicht das Optische im Zentrum, sondern das Auditive. Oder anders: Es ist scheissegal, wie es aussah, Hauptsache, es klang gut!

«Wessen Freundin bist du?» ist eine Frage, die mir vor allem in meinen Anfängen als DJ oft gestellt wurde. Wenn eine junge Frau Zugang zum Backstage eines Clubs hat, scheint es vielen Menschen offenbar naheliegender, dass sie mit einem DJ oder Veranstalter schläft, als dass sie selber DJ oder Veranstalterin ist.

«Du, DJ? Glaub ich nicht!» habe ich ebenfalls oft gehört, vor allem von Security-Mitarbeitern. Weil er dachte, ich sei bloss ein Groupie, sprang mir vor Jahren sogar ein Türsteher in den Weg, als ich kurz vor meinem Auftritt die DJ Booth betreten wollte. Ich wurde aufgrund meines Geschlechts also aktiv an der Ausübung meines Jobs gehindert.

«Dein Feminismus passt nicht zum Clubkonzept» ist in einigen Zürcher Tanzlokalen tatsächlich die Begründung dafür, dass ich nicht gebucht werde.

«Wir brauchen noch eine Frau auf dem Lineup, hast du Zeit?» ist ein Evergreen, den ich ständig höre und der gemischte Gefühle in mir auslöst. Einerseits finde ich es natürlich löblich, dass ein rein männliches Lineup heutzutage an vielen Orten endlich ein No-Go darstellt. Andererseits wird niemand gern ausschliesslich aufgrund seines oder ihres Geschlechts engagiert. Wenn ich also schon die Quoten-Bitch für euch machen muss, liebe Partyveranstalter, dann behaltet dies wenigstens für euch. Oder noch besser: Holt eine zweite Frau dazu. Es gibt mittlerweile nämlich genug weibliche DJs, und wir fänden es alle schön, nicht immer die Ausnahme zu sein, sondern endlich mal die Regel. Danke.

Man errichtet mit der Bezeichnung «Ladies Night» eine symbolische pinke Mauer um uns herum und zementiert damit unsere Sonderrolle.

Während ich die Quoten-Bitch (widerwillig) also noch mache – ansonsten legt ja vielleicht gar keine Frau auf! – spiele ich prinzipiell nicht an sogenannten «Ladies Nights». Dies mag zunächst nach einem Widerspruch klingen, ist meiner Meinung nach aber konsequent. Ich empfinde Anlässe mit diesem Label nämlich als eine Art Ghettoisierung von Frauen in der elektronischen Musikszene: Man pfercht uns damit alle in einen einzigen Abend, errichtet mit der Bezeichnung «Ladies Night» eine symbolische pinke Mauer um uns herum und zementiert damit unsere Sonderrolle in der elektronischen Musik. Frei nach dem Motto: «Ui, speziell, schau mal, Frauen an den Decks!» Danach kann man(n) sich dann getrost zurücklehnen, sich in seiner eigenen vermeintlichen Weltoffenheit suhlen und sich in den nächsten Monaten keinen einzigen Gedanken über ein diverses Lineup mehr machen. Dabei wäre es so einfach, uns ganz selbstverständlich in alle Veranstaltungen, alle Lineups und alle Abende zu integrieren. Aber auch in der elektronischen Musikszene stellt der Mann – wie an so vielen Orten – halt die Regel dar, den “normalen” Menschen, während Frauen zur Ausnahme, zum Sonderfall, zur Abweichung von der Norm erklärt werden. Wer dies nicht glaubt, der stelle sich bitte schnell eine Welt vor, in der jede Party mit einem rein männlichen Programm als «Boys Night» bezeichnet werden würde! Eben.

Last but not Least möchte ich mich an dieser Stelle dem Begriff «DJane» widmen. Vielleicht habt ihr bemerkt, dass ich diesen hier konsequent vermieden habe. Ich benutze ihn auch sonst nie - aus gutem Grund! Wie die «Ladies Night» betont er meiner Meinung nach erstens nämlich  die Sonderrolle von Frauen in der elektronischen Musik, indem er ein «Achtung, weiblich!» vor die Funktion setzt. Dies mag anno Schlagmichtot, als Frauen an den Turntables WIRKLICH noch sehr selten waren, aus Gründen der Sichtbarkeit zwar durchaus einen gewissen Sinn ergeben haben. Heute erlebe ich es jedoch häufig, dass der männliche Kollege als «Schorsch Gaggo» (oder wie auch immer) im Programm steht, während ich als «DJane Rosanna» tituliert werde. Was zum Geier hätte wohl sonst auf einem Lineup (und hinter den Decks) zu tun, wenn nicht meinen Job als DJ? Einen Zwätschgechueche backen? Tampons kaufen? Über den Sinn des Lebens nachdenken? Wohl kaum.

Selbst wenn die Deutsche Sprache – wie so oft! – auf das Gendern nicht verzichten kann, ist die logische weibliche Form von DJ «DJin», und nicht «DJane». Männliche DJs bezeichnen wir schliesslich auch nicht als DTarzan.

Zweitens macht «Djane» rein linguistisch schlicht keinen Sinn. Das Wort «DJ» kommt vom englischen «Discjockey» - eine Berufsbezeichnung für Menschen, die Platten auflegen. Englische Berufsbezeichnungen wiederum sind genderneutral: Die Begriffe Doctor, Nurse oder Lawyer bezeichnen Ärzt:innen, Pfleger:innen und Anwält:innen beiden Geschlechts. Selbiges muss daher auch für DJs gelten. Und selbst wenn die Deutsche Sprache – wie so oft! – auf das Gendern nicht verzichten kann oder will, ist die logische weibliche Form von DJ «DJin», und nicht «DJane». Männliche DJs bezeichnen wir schliesslich auch nicht als DTarzan. Oder?
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