Hoi zäme

Ich bin neu hier in der Kolumnen-Abteilung. Mein Name ist Julia, und ich habe kürzlich als strategische Beraterin bei elleXX angefangen. Dass ich eine Kolumne schreibe, war nicht geplant.

Dass ich es jetzt doch tue, haben wir einem LinkedIn-Post zu verdanken, den ich vor etwa einem Monat abgesetzt habe und der unerwartet hohe Wellen schlug. Erst gab ich bekannt, dass ich nach einer einjährigen Auszeit nun bei elleXX angefangen habe. Dann erzählte ich, wie ich das Jahr zuvor genutzt hatte. Nämlich mit der härtesten Weiterbildung meines Lebens: der Heilung meines Burnouts.

Julia Panknin
Auch wenn ich heute das Gefühl habe, dass mein Burnout mich wachgeküsst hat, war es ein brutales Erwachen, das ich niemandem wünsche.

Es war für mich ganz selbstverständlich, transparent damit umzugehen, dass ich an der Nicht-Vereinbarkeit von Kind und Karriere «gescheitert» bin. Kaum war der Post abgesetzt, wurde mir jedoch klar, dass der offene Umgang mit diesem Thema wohl doch nicht ganz so selbstverständlich ist. Der Beitrag verbreitete sich in Windeseile und hat bis heute knapp 90’000 Impressions, über 800 Likes und mehr als 80 Kommentare generiert. Es folgte ein Artikel im «Tages Anzeiger». Darin machte die Autorin anhand meiner Geschichte auf die strukturellen Probleme aufmerksam, die eine gesunde Vereinbarkeit in der Schweiz schier unmöglich machen. Auch dieser Artikel wurde circa 150 Mal kommentiert.

Weil die Resonanz so gross war, habe ich beschlossen, weiterhin auf LinkedIn offen über mein Burnout und das Thema Vereinbarkeit zu schreiben. Seitdem quillt meine Inbox förmlich über. Dutzende Frauen haben ihre Leidensgeschichten mit mir geteilt und mir gesagt, wie froh sie seien, dass endlich jemand offen über das Thema spreche. Es waren so viele, dass ich mit dem Antworten nicht mehr hinterherkam und die LinkedIn-Gruppe «Working Moms» eröffnete. So können sich die Frauen in einem geschützten Rahmen untereinander austauschen. Es sind inzwischen über 100.

Dadurch habe ich begriffen, dass es da draussen ganz viele Frauen gibt, die  Ähnliches erlebt haben wie ich oder noch mittendrin stecken. Die täglich struggeln und das Gefühl haben, sie seien allein damit, weil kaum jemand offen zugibt, dass die Anforderungen an Working Moms schlicht zu hoch sind. Dass wir alle kämpfen, auch wenn wir es nach aussen leicht aussehen lassen.

Deshalb schreibe ich jetzt diese Kolumne für elleXX. Ich möchte hier offen über meinen Weg und meine Erkenntnisse aus einem Jahr Krise und intensiver Therapie sprechen. Weil ich mich nicht (mehr) schäme, in einem kranken System krank geworden zu sein. Und mir wünsche, dass sich auch sonst niemand mehr schämen muss.

Es gibt für mich keinen besseren Ort als die elleXX-Community dafür, in der sich bereits so viele ambitionierte und interessierte Frauen austauschen und vernetzen. Vielleicht sind ja auch einige von euch betroffen, und meine Geschichte hilft euch, noch vor dem Totalausfall aufzuwachen und aus dem Hamsterrad zu steigen (oder wenigstens etwas langsamer zu rennen). Denn auch wenn ich heute das Gefühl habe, dass mein Burnout mich wachgeküsst hat, war es ein brutales Erwachen, das ich niemandem wünsche.

Ich freue mich, wenn ihr in den nächsten Wochen wieder reinlest und vielleicht sogar eure eigenen Erfahrungen in den Kommentaren auf unseren Social-Media-Kanälen teilt.

Herzlichst, Julia

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