Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden, und wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.

Thomas Meyer schrieb den Bestseller «Trennt euch!» und berät heute Frauen und Männer, die ihre Beziehung beenden wollen. Er selbst hat sich von der Mutter seines Sohnes getrennt und ist heute traurig darüber, dass er wohl nie mehr einen Liebeskummer durchleben darf. Weshalb der nämlich eine grosse Chance ist und was er Männern mit gebrochenen Herzen rät, verrät er in unseren Männerfragen.

Viele Männer sind ja finanziell von ihren Frauen abhängig. Fällt es ihnen deshalb schwerer, sich zu trennen?

(Grinst.) Männer sind durchaus von ihren Frauen abhängig, aber nicht unbedingt finanziell. Sondern, wie ich es meinen Beratungsgesprächen entnehme, häufig emotional. Viele sind angewiesen auf die Umsorgung ihrer Partnerin.

Was meinst du damit?

Wenn eine Frau ihrem Partner sozusagen ein Abo für Kochen und Sex gewährt und vielleicht noch fürs Hemdenbügeln, ist das für viele Männer ausreichend. Der Rest ist dann nicht mehr wichtig.

Das klingt jetzt aber ein bisschen vereinfacht, nicht?

Das ist keine allgemeingültige Aussage, lediglich eine Beobachtung aus den Coachings: Ich stelle fest, dass Männer eine Tendenz haben, in Beziehungen zu bleiben, die sie mit Annehmlichkeiten versorgen: Solange man den Haushalt für sie macht, die Kinder betreut, für sie kocht und mit ihnen Sex hat, ist das für viele Männer offenbar ausreichend, um sich nicht zu trennen. Auch dann, wenn sie es eigentlich möchten. Oder wenn sie sogar schon längst eine zweite Beziehung haben.

Aber Männer haben doch eigentlich total überhöhte Ansprüche an Beziehungen. Darum sind sie nie zufrieden.

Der Beziehungsanspruch zwischen Männern und Frauen ist in meinen Augen häufig unterschiedlich. Viele Männer geben sich zufrieden, wenn ihr Leben angenehm ist. Aber eben: Nicht alle sind so, wie ich es eben beschrieben habe.

#NotAllMen?

Haha, ja, einfach umgekehrt: Frauen haben oft einen höheren Anspruch, vor allem, was Kommunikation anbelangt. Aber auch sie neigen dazu, sich mit wenig zufriedenzugeben, um die Trennung zu vermeiden.

Welche anderen Probleme haben Frauen in Beziehungen?

Wenn sie zu mir in die Beratung kommen, höre ich oft, dass der Mann das Geld heimbringt und sie finanziell von ihm abhängig ist. Sie erledigt aber die ganze Care-Arbeit und die Kindererziehung, was bis heute nicht entlöhnt wird. Auch für diese Arbeit sollte es BVG-Beiträge geben. Und wenn Frauen ihre Bedürfnisse anmelden, ist der Mann oft genervt. Das übersteigt seine Idee einer idealen Beziehung – eben, dass alles glatt läuft und die Frau nicht schwierig tut.

Haben denn alle Männer Mutterkomplexe?

Ein solches Beziehungsverhalten hat sicherlich mit einer seltsamen Vorstellung von Beziehung und Intimität zu tun. Und das wiederum hat damit zu tun, wie man aufwächst und sozialisiert wird.

Thomas Meyer
Ich denke, ich werde nie mehr einen Liebeskummer durchleben können – leider.

Männer ohne Frauen an ihrer Seite sind ja eigentlich nur eine halbe Person und nicht glücklich. Bleiben sie deshalb in Beziehungen, die sie nicht wollen?

Frauen, die single sind, werden gewiss schlechtere Eigenschaften zugesprochen als alleinstehenden Männern, im Sinne von: «Keiner will die haben.» Beim Mann heisst es eher: «Er hat halt gerade keine gefunden, die ihm passt.» Er ist der einsame Wolf oder vielleicht frisch verwitwet, jedenfalls liegt es nie an ihm, dass er alleine ist. Aber sie ist die Bemitleidenswerte.

Wie stehts denn um dein Beziehungsleben?

Ich habe einen Sohn, von dessen Mutter ich schon lange getrennt lebe, mit der ich aber ein gutes Verhältnis habe. Seit einigen Jahren bin ich in einer Beziehung, in der ich sehr glücklich bin. Ich denke, ich werde nie mehr einen Liebeskummer durchleben können – leider.

«Können» statt «müssen»? Und «leider»?

Ja, durch Liebeskummer kann man enorm viel über sich lernen. Es ist schmerzhaft, aber hinterher ist man ganz woanders; zu vergleichen mit einer Häutung.

Wie war das denn bei deinem ersten Liebeskummer? Wie oft hast du «Bridget Jones's Diary» angeschaut?

Die erste Trennung, die nicht von mir aus kam, war eine Katastrophe für mich. Und zwar, weil ich mich mit einem alten Schmerz noch überhaupt nicht auseinandergesetzt hatte  – weil ich nicht wusste, dass er noch so stark in mir drin ist. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich festgestellt habe, dass dieser Trennungsschmerz nichts mit der Frau zu tun hatte.

Thomas Meyer
In unserer Gesellschaft gilt es als verwerflich und anmassend, über sich selbst liebe und gute Dinge zu sagen. Dabei ist das der Schlüssel.

Sondern?

Ich musste mich damals wirklich damit auseinandersetzen, was genau wehtut. Und weshalb. Es brauchte sogar noch eine weitere sehr schmerzhafte Trennung dafür. Ich sass auf dem Sofa und spürte extrem stark, dass ich gerade zwei unterschiedliche Arten von Schmerz spüre: Einerseits, weil diese Frau mich verlässt und mich nicht mehr will. Und andererseits die Erkenntnis, dass ich jetzt nur noch mich habe. Und dass sich das offenbar nicht so gut anfühlt. Das war eine unglaublich hässliche Erkenntnis – aber eine sehr wichtige.

Hast du dich dann, typisch Mann, tagelang im Selbstmitleid gewälzt?

(Grinst.) Klar, ich hätte einfach sofort Tinder herunterladen und mich in das nächste Abenteuer stürzen können. Aber ich habe mich bewusst damit auseinandergesetzt, dass ich mich anscheinend selber gar nicht so gut finde. Und dadurch kann man erst an sich arbeiten und heilen.

Wie macht man das?

In unserer Gesellschaft gilt es als verwerflich und anmassend, über sich selbst liebe und gute Dinge zu sagen. Dabei ist das der Schlüssel: wie man mit sich selbst spricht. Dass man auf sich stolz sein darf. Dass man zu sich sagen darf: Das habe ich gut gemacht, oder: Diese Eigenschaften an mir sind liebenswert und attraktiv. Üben, sich selbst anzuerkennen, das war die Aufgabe. Am Anfang war das sehr schwierig, weil ich es mir einfach nicht geglaubt habe. Aber das kann man trainieren.

Thomas Meyer
Viele hüpfen deshalb von einer Beziehung in die nächste, ohne genau hinzuschauen, was eigentlich los ist. Und das ist vor allem ein Frauending, muss ich ganz ehrlich sagen.

Haben Männer eigentlich mehr und stärker Liebeskummer, weil sie so emotional sind?

Sie leiden genau gleich wie Frauen, ganz ehrlich. Natürlich tut es verdammt weh, wenn man verlassen wird. Es ist ein Abschied, den man oft selber nicht wollte. Das macht hilflos. Und es kann einen Verlassenheitsschmerz reaktivieren, den man schon kennt: Entweder den einer früheren Beziehung, den man noch nicht verarbeitet hat, oder einen aus der Kindheit. Viele hüpfen deshalb von einer Beziehung in die nächste, ohne genau hinzuschauen, was eigentlich los ist. Und das ist vor allem ein Frauending, muss ich ganz ehrlich sagen.

Also in meinem Umfeld ist das komplette Gegenteil der Fall.

Solche Fälle kenne ich auch. Aber mein Eindruck, und der ist natürlich subjektiv, ist, dass Frauen diese Tendenz stärker haben, dafür zu sorgen, nie single zu sein.

Was rätst du denn denjenigen Männern, die so richtig leiden?

Das grösste Problem am Liebeskummer ist ja, dass man nicht akzeptieren will, dass man verlassen wurde. Dagegen und gegen die damit verbundenen Gefühle sträubt man sich lange. Aber eigentlich spürt man sich, wie gesagt, nie so direkt und unverfälscht wie in dieser Phase: Es ist extrem intensiv und ehrlich. Daraus sollte man das Beste machen. Darum: Sei lieb mit dir selber. Wenn du an deine:n Expartner:in denkst und überlegst, was du alles mit dieser Person unternehmen möchtest, was du ihr alles erzählen willst: Tu das mit dir selbst! Geh mit dir ins Kino, gönn dir ein Wochenende in einem schönen Hotel, verbringe den Abend allein auf dem Sofa. Es ist nicht wirklich schlechter, nur weil man allein ist.

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