Investierst du bereits? Ja? Dann bist auch du ein:e Gender-Lens-Investor:in. Noch nie davon gehört? Dann ist es höchste Zeit, denn das Konzept gibt es schon seit den 1970er-Jahren. Allerdings hatten wir noch nie so viele Daten zur Wirksamkeit dieser Anlagestrategie wie heute.

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Was ist Gender Lens Investing (GLI)? GLI bedeutet, zu hinterfragen, wie die eigenen Investitionen Frauen und ihr Leben betreffen, Vielfalt und Inklusion verbessern oder verschlechtern. Gender-Lens-Investor:innen nehmen Firmen genau unter die Lupe, beispielsweise prüfen sie, ob diese Standards, Vergütungen, Produkte, Regeln und Initiativen für mehr Chancengerechtigkeit leben. Daten liefern eine ganze Reihe spezialisierter Anbieter wie Equileap. GLI kann über verschiedene finanzielle Vehikel ausgeübt werden: über Fonds, ETF, Einzelaktien, strukturierte Produkte, Bonds, Impact-Fonds, Mikrofinanzierungen, Private Equity, Start-up-Finanzierungen etc.

Aber der Reihe nach: Geld hat immer eine Wirkung. Investieren hat immer Folgen. Und wir alle investieren bereits mit einer Geschlechterperspektive. Ob wir es wollen oder nicht. Und wahrscheinlich war uns bisher gar nicht bewusst, dass wir so einseitig in nur ein Geschlecht investieren und nicht in die ganze Vielfalt der Menschen.

Dein Geld, deine Stimme

Unser Anlagegeld fliesst in Löhne, Boni von Topmanagern, in Produkte, Arbeitsbedingungen, in Firmenkulturen. Und die meisten Anleger:innen investieren primär zum Vorteil eines Geschlechts: des männlichen. So führen Frauen nur gerade 6.2 Prozent der Firmen im amerikanischen Börsenindex S&P500. In der Schweiz stehen null Prozent Frauen einer Firma im Leitindex SMI vor. Wer also einfach nur in Börsenindizes investiert, finanziert vor allem männlich geführte, wenig vielfältige Unternehmen. Das ist ein grosses Risiko. Und birgt vor allem auch die Gefahr, Chancen zu verpassen.

Patrizia Laeri
Wahrscheinlich war uns bisher gar nicht bewusst, dass wir so einseitig in nur ein Geschlecht investieren und nicht in die ganze Vielfalt der Menschen.

Bitte beantworte mir deshalb eine Frage. Würdest du als Investor:in verzichten wollen auf:

  • den grössten Wachstumsmarkt der Welt,
  • eine 39 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit auf eine Rendite,
  • bessere Produkte und Innovation,
  • besseres Risiko-Management,
  • auf 100 Prozent mehr Rendite bei Start-ups?

Nein? Vermutlich nie im Leben – das wäre irrational. Tust du aber, wenn du nicht in Frauen und frauenfreundliche Firmen investierst.

Nochmals für faktenliebende Leser:innen zusammengefasst: Frauen sind global gesehen der grösste Wachstumsmarkt. Und Langzeitstudien zeigen: Gemischte Teams bringen vielfältigeres Wissen und Erfahrungen mit. Das macht sie innovativer. In vielen Branchen wurden Produkte und Design lange nicht an Frauen getestet, weil Frauen auch nicht mitentschieden. Für Männer designt und für Frauen unpraktisch – und gar gefährlich: Über die fatalen Folgen des Gender Design Gap oder Gender Health Gap haben wir bei ellexx xx-fach berichtet. Es sei mir deshalb verziehen, an dieser Stelle nochmals eine skandalöse Zahl zu zitieren: Nur gerade vier Prozent des weltweiten Fundings – und das sind Multimilliarden – für Gesundheitsprodukte und -dienstleistungen fliesst in Frauengesundheit.

Patrizia Laeri
Das, was wir zurzeit in der Welt des Anlegens erleben, hat nichts mit Rationalität zu tun. Es zahlt sich nachweislich wirtschaftlich aus, in Frauen zu investieren.

Es lässt sich einfach nicht faktisch zerreden: Wenn Frauen mit im (Führungs-) Team sind, entstehen nachweislich bessere Produkte, aber eben auch mehr Profite. McKinsey hat aktuell errechnet, dass vielfältige Teams 39 Prozent wahrscheinlicher finanziell erfolgreich sind als eine Runde Gleichgeschlechtlicher. Firmen mit mehr Führungsfrauen haben zudem Risiken besser im Griff und eine treuere Belegschaft. Im Universum der Start-ups ist die Beweislast gar noch erdrückender. Wenn Frauen gründen, erwirtschaften sie 100 Prozent mehr Ertrag auf jeden investierten Dollar als die männliche Konkurrenz. Und trotzdem fliessen 98 Prozent der Wagniskapitalgeldes in Gründer.

Renditechance Gender Lens Investing

Wie bitte? Danke, dass der oder die geneigte Leser:in spätestens jetzt stutzig geworden ist. Das, was wir zurzeit in der Welt des Anlegens erleben, hat nichts mit Rationalität zu tun. Es zahlt sich nachweislich wirtschaftlich aus, in Frauen zu investieren. Es ist geradezu ein Warnzeichen für Anleger:innen, wenn Firmen geschlechtsspezifische Themen und Standards missachten. Es ist ein untrügliches Zeichen für fehlende Wirtschaftsethik und Nachhaltigkeit, aber auch für fehlende ökonomische Weitsicht.

Es geht bei GLI notabene nicht darum, nur noch in Frauen zu investieren, sondern sich der Risiken der enormen Geschlechterungleichheiten, Machtgefälle und ihrer geschäftsschädigenden Auswirkungen in Unternehmen bewusst zu sein und diese zu vermeiden. Und dies kommt uns allen zugute, fördert die Wirtschaft und den Wohlstand für alle.

Patrizia Laeri
Ich habe erst dank GLI so richtig zum Investieren gefunden. Ohne Sinn und Ziel investieren, ist für mich wertlos. Geld macht für mich erst Sinn, wenn es auch für andere Gutes bewirkt.

Überzeugt? Ich auch. Mich als zahlengeleiteten Menschen holen die mittlerweile global angehäuften Daten ab, und ich habe erst dank GLI so richtig zum Investieren gefunden. Ohne Sinn und Ziel investieren, ist für mich wertlos. Geld macht für mich erst Sinn, wenn es auch für andere Gutes bewirkt. Das Leben von Frauen verbessern und gleichzeitig Geld verdienen? Das schien mir lange zu gut, um wahr zu sein. Nicht mehr. Nun würde man meinen, dass GLI boomt und du den Zug leider schon fast verpasst hast. Weit gefehlt. Wir stehen mit GLI etwa da, wo wir vor 25 Jahren mit nachhaltigen Investitionen waren: nämlich nirgends. Die Pioniere des ökologischen Anlegens wurden damals belächelt, doch heute lächeln sie. Nachhaltiges Investieren, das E von ESG, ist Standard geworden.

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Gender Lens Investing: Wer hat’s erfunden? Die Idee ist eigentlich bereits ein halbes Jahrhundert alt. Sie entstand in den 70er-Jahren. Damals hat die Women’s World Banking bereits Frauen des globalen Südens finanziell gestärkt. Aber auch die Grameen Bank des Wirtschaftsnobelpreisträgers Muhammad Yunus verlieh und verleiht Mikrokredite vor allem an Frauen. Einer der ersten bekannten Fonds, der 2005 die Idee in die Mainstream-Finanzwelt trug, war ein französischer Fonds der Firma Conseil Plus Gestion, der in weiblich geführte und gegründete europäische Firmen investierte. Viele weitere folgten, auch ETFs wie der amerikanische SHE, einer der grössten und ältesten frauenfreundlichen Indexfonds. 2009 wurde der Begriff offizialisiert und seither sind zahlreiche globale GLI-Initiativen und Institutionen entstanden. Auch die Schweiz hat in Genf eine eigene GLI-Initiative, die regelmässig lesenswerte Fakten und Reports publiziert.

Die in Impact-Fonds investierten weltweiten Gelder umfassen gesamthaft 1.164 Billionen Dollar. Doch nur gerade 56 Milliarden Dollar sind in Fonds investiert, die das Nachhaltigkeitsziel «Fünf» der Vereinten Nationen, das SDG 5, verfolgen. Dieses steht für Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. SDG-5-Impact-Fonds enthalten beispielsweise Mikrofinanzierungen für Gründerinnen bis hin zu Investitionen in Wagniskapitalfirmen, die sich auf frauendominierte Geschäftsbereiche wie den Care-Sektor spezialisieren. Also nicht mal fünf Prozent der Impact-Strategien unterstützen gezielt Frauen. Gemessen am gesamten Anlagemarkt ist die Zahl verschwindend klein.

Bei so vielen forschungsbasierten Fakten fragt sich natürlich, warum GLI nur einen Bruchteil des Anlageuniversums ausmacht. Die Antwort ist einfach. Die Entscheidungsträger in der Welt des Anlegens sind nicht Frauen. Fast 99 Prozent der Vermögen weltweit gehören weissen Männern oder werden von ihnen verwaltet.

Zeit für eine grosse Protestbewegung am Finanzmarkt!

Wie also können wir die Investment-Welt verändern? Allein in der Schweiz liegen 300 Milliarden Franken nicht investierte Gelder von Frauen auf Sparkonten. Was für eine internationale Wirkung hin zu einer enkelfähigen Wirtschaft könnten wir gemeinsam erzielen, würden wir dieses Geld anlegen! Indem wir die grossen Geldströme in Firmen leiten, die Gleichstellung und Fairness leben und damit die Gesellschaft positiv verändern. Und du kannst das ganz unterschiedlich anpacken: Du kannst mit günstigen Equality-ETFs beginnen, du unterstützt Gründerinnen via Crowdinvesting oder wirst gar selbst zur Angel-Investorin, die gezielt weibliche Start-ups finanziert.

Patrizia Laeri
Allein in der Schweiz liegen 300 Milliarden Franken nicht investierte Gelder von Frauen auf Sparkonten. Was für eine internationale Wirkung hin zu einer enkelfähigen Wirtschaft könnten wir gemeinsam erzielen, würden wir dieses Geld anlegen!

Mögen die Lücken zwischen den Geschlechtern auch unüberwindbar scheinen, denk immer dran: Jeder Gap stellt auch eine Gelegenheit dar, genial zu investieren. Auch Geld ist eine Form des Protests. Und zwar die stärkste. Geld kann sozialen Wandel bringen. Wer Chancengerechtigkeit will, erreicht diese am schnellsten mit Geld. Let’s protest with our money!

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Gender Lens Investing by ellexx: Deshalb haben wir bei ellexx 2021 das einzige Aktienprodukt mit Fokus auf Equality lanciert, um unser Geld zu bündeln und ein Zeichen zu setzen, dass wir in vielfältige und frauenfreundliche Firmen und Produkte investieren wollen. An der Schweizer Börse sind notabene weit über 40'000 strukturierte Produkte zugelassen, für jedes noch so winzige Nischenthema steht ein Produkt bereit. Aber für Chancengerechtigkeit damals nicht. Mittlerweile wurden wir gleich zweifach kopiert. Auch Swissquote und Radicant widmen dem Thema eine Investitionslösung. Und das ist gut so. Je mehr Anleger:innen genauer hinsehen, wem und was für Produkten ihr Geld eigentlich genau zugute kommt, desto besser.
Die XX-Wirtschaft – noch immer zu wenig beachtet!
Sie wäre riesig, stark und grösser als die Volkswirtschaften Chinas und Indiens zusammen: die XX-Wirtschaft oder She-Economy. Dies bezeichnet die weltweite weibliche (Schatten-)wirtschaft, die systematisch kleingehalten wird und grösstenteils unbeachtet bleibt.
Warum wir alle in Gründerinnen investieren sollten
Frauen erhalten zwar viel weniger Funding, haben aber häufig nachhaltige und wirtschaftlich erfolgreiche Geschäftsideen. Das muss sich ändern. Die Verantwortung, dass Talent und Innovation in der Start-up-Welt gefördert werden und nicht primär das Geschlecht, liegt hier bei uns allen.
Das unscheinbare S in den ESG-Prinzipien – ein Schlüssel für nachhaltigen Erfolg
Das S – für Soziales – steht häufig im Schatten seiner Geschwister E und G. Doch das S ist nicht nur genauso wichtig wie die anderen beiden, es ist in einigen Fällen sogar bedeutsamer für den nachhaltigen Erfolg von Unternehmen. Warum, erfährst du in diesem Artikel.