Bei dir müssen wir heute grad mit der Frisur anfangen. Das bist du dir ja schon gewöhnt. Also: Wie kringeln sich deine Locken so flott?

Das ist Natur pur.

Machst du wirklich nichts mit deinen Haaren?

(Blickt zur Decke und überlegt lange.) Doch, ich habe so eine Lockencreme. Das Problem bei Locken ist ja vor allem, dass sie austrocknen, da muss man einschreiten.

Ein weiteres Detail deines öffentlichen äusseren Erscheinungsbilds ist die Fliege. Warum?

Ich war sehr jung, als wir den Think Tank foraus gegründet haben. Wir waren als Jungspunde in einem Umfeld mit lauter 60-jährigen Diplomaten tätig. Da war es wichtig, elegant auszusehen, aber dennoch etwas anders als alle Krawattenträger. Seither ist die Fliege mein Markenzeichen.

Was symbolisiert die Fliege für dich?

Für mich markiert die Fliege den Moment des Auftritts und ist eine Art Rüstung. Sobald ich sie anziehe, bin ich bereit. Dann bin ich nicht mehr nur ich selbst, sondern ich repräsentiere eine Institution. Ich gehe auch gerne neue Fliegen einkaufen und gehe in Berlin immer in den gleichen Laden.

Wie viele hast du denn?

Ungefähr zwanzig. Alle zum Selberbinden.

Du bist aber schon etwas eitel, oder?

Es hält sich noch einigermassen in Grenzen. Aber ja, ein gepflegtes Aussehen ist mir schon wichtig. Ich habe ja auch ein paar guilty pleasures.

Yes. Erzähle mir alles! («Gut, jetzt geht es los», denkt die Journalistin.)

(Grinst.) Schöne Schuhe zum Beispiel.

(Leicht enttäuscht.) Was sind denn schöne Schuhe?

Mein Problem ist, dass ich Schuhgrösse 47 habe. Damit es einigermassen elegant aussieht, müssen es wirklich gut geschnittene Schuhe sein, sonst sind es einfach riesige Latschen.

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Sexismus, Mobbing, Lohnungleichheit am Arbeitsplatz? Absolute No-Gos, dennoch nehmen es viele Frauen hin. Das darf nicht sein. Deshalb ist es höchste Zeit für eine Rechtsschutzversicherung von Frauen für Frauen. Wehr dich.

Lebst du auch finanziell auf grossem Fuss?

Definitiv nicht …

Deine Finanzen entsprechen also Schuhgrösse … 25?

Ja, wahrscheinlich. Ich habe kürzlich gelesen, wenn man 1 Meter 91 gross ist, hat man das höchste Einkommen, aber ich bin da wohl trotz der optimalen Körpergrösse ein Outlier.

Dann müsste ich ja vor dem Bankrott stehen.

(Lacht laut.) Ich weiss nicht, ob das auch für Frauen gilt, diese Studie.

Wie wichtig ist dir Self-Promotion?

Nötig, aber… das klingt jetzt, als würde ich kokettieren, aber ich bin nicht sehr extrovertiert, auch wenn es so scheinen mag. Allerdings habe ich Freude bekommen am öffentlichen Auftritt. Wenn ich in dieser Rolle bin, dann kann ich es schon geniessen, aber es entspricht nicht unbedingt meinem Naturell. Ich war immer eher scheu, bevor ich Präsident von verschiedenen Sachen geworden bin.

Bist du dann nervös?

Es ist Übungssache, man merkt mit der Zeit, was funktioniert. Mir hat das Moderieren von Veranstaltungen sehr geholfen: Man ist auf der Bühne, aber nicht als Hauptperson. Man lernt, anderen eine Plattform zu bieten, ihnen den Ball zuzuspielen, schlagfertiger zu werden. Das hat mir erlaubt, in diese öffentliche Rolle reinzuwachsen.

Da wurdest kürzlich in der NZZ porträtiert. Es ging um diese jungen, hippen Leute und das mächtige Netzwerk der GLP. Da hattest du schon Freude, so prominent erwähnt zu werden?

Ja, natürlich. Aber ich fand es auch recht übertrieben, es hätten andere genauso gut an dieser Stelle erwähnt sein können.

Wer denn?

Tiana Angelina Moser oder Kathrin Bertschy von den Grünliberalen, oder Sanija Ameti, Flavia Kleiner und Laura Zimmermann von Operation Libero. Was aber schön war, ist die Anerkennung, dass wir über viele Jahre in unterschiedlichen Konstellationen neue Institutionen aufgebaut haben, die heute einen gesellschaftlich relevanten Beitrag leisten. Und dies ohne die klassischen Männer-Seilschaften aus Armee und Zunft. Nur etwas hat mich gestört, bei der englischen Übersetzung hat die NZZ mein «curly hair» in «crusty hair» übersetzt, da war ich schon in meiner Eitelkeit verletzt (lacht).

Hat es sich bis jetzt gelohnt, Polit-Influencer, Fast-Nationalrat und Co-Parteipräsident zu werden statt gut bezahlter Anwalt?

Ich weiss ja nicht, wie mein Leben geworden wäre, wäre ich Anwalt geworden. Wahrscheinlich recht anders. Wenn ich meine Freund:innen vom Studium sehe, die Anwält:innen geworden sind und jetzt doch wieder etwas anderes machen, bin ich froh, habe ich meinen Weg gewählt – auch wenn es sich finanziell bisher definitiv nicht gelohnt hat. Ich kann mich dafür jeden Tag für Projekte engagieren, die mir viel bedeuten. Und das ist ja schon der berufliche Jackpot.

Warum bist du nicht bei Jus geblieben?

Ich fand immer, es sei zu wenig kreativ. Später ist mir aber klar geworden, dass Recht aufgeschriebene Politik ist – und die Gestaltung der Regeln der Gesellschaft finde ich hochkreativ!

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Warum wurdest du politisch aktiv, eher untypisch als Mann?

Eigentlich entstand das aus der Jugendkampagne im Rahmen der Abstimmung zur Personenfreizügigkeit für Bulgarien und Rumänien im Jahr 2009 heraus. Ich war in der Co-Leitung der Kampagne. Damals waren sehr viele junge Menschen dabei, die vorher nicht politisch tätig waren. Das war die Basis für die Gründung unseres Mitmach-Think-Tanks foraus und ein paar Jahre später für die Operation Libero. Irgendwann wollte ich nicht mehr nur Ideen in die Politik einbringen, sondern selber Verantwortung übernehmen. So wurden Corina Gredig und ich Co-Präsident:innen der Grünliberalen im Kanton Zürich.

Wie ist das so, als Co-Parteipräsident?

Ich komme ich viel im Kanton herum, besuche die Gemeinden, diskutiere mit den Menschen vor Ort. Ich erfahre, was ihre Herausforderungen sind. Das sind einfach ganz andere Fragen, mit denen ich da konfrontiert werde. Für mich ist das eine spannende Ausdehnung: von Europa, in die Welt und dann wieder viel lokaler, näher zu den Problemen des Alltags. Was mich an den Grünliberalen gereizt hat, ist, dass es nicht so eine gefestigte Partei ist. Es heisst nie: «Das haben wir schon immer so gemacht.» Es gibt noch viel Gestaltungsraum.

Du bist auch Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft. Was macht ihr eigentlich, ausser das Frauenrütli zu verwalten?

Unser Hauptthema ist der Zusammenhalt der Schweiz. Wir haben mit der SGG kürzlich Pro Futuris gegründet, einen Think-and-Do-Tank für die demokratische Kultur.

Und was ist mit dem Rütli?

Das Rütli ist ein besonderer Ort mit einer enormen Symbolik. Letztes Jahr haben wir am 1. August das Frauenrütli organisiert, um 50 Jahre Frauenstimmrecht zu zelebrieren. Es war für mich ein prägender Moment, als eine alte Frau auf mich zukam und mir sagte: «Jetzt erobern wir Frauen endlich auch das Rütli.» Da merkte ich, wow, das war ein grosser Schritt für viele Frauen, endlich haben sie es auch in der konservativen Schweiz geschafft.

Was denn geschafft? Es gibt doch noch so viel zu tun.

Das stimmt schon. Ich habe mich auch gefragt, soll man 50 Jahre Frauenstimmrecht feiern oder eher eine Gedenkminute abhalten, weil die Schweiz so unsäglich spät dran war?

Ich habe nicht gefeiert, aber habe mich bedankt bei allen Pionierinnen.

Ja, das haben wir auch auf dem Rütli gemacht, uns bedankt bei den Pionierinnen, die wir geehrt haben. Meine Mutter war auch da, sie war immer sehr engagiert ihr Leben lang. Ich habe schon gemerkt, dass man sich in unserer Generation des wichtigen Kampfes dieser Pionierinnen weniger bewusst ist.

Wie ist das als Mann unter lauter Frauen?

Am Frauenrütli waren wir eine Gruppe, die alles organisiert hatte, viele Verbände und darunter alles so gestandene, beeindruckende Menschen, alles Frauen, und … ich. Da meinte die Alliance-F-Geschäftsführerin Sophie Achermann zur Runde: «Wir müssen jetzt den Elefant im Raum ansprechen, den einzigen hier anwesenden Mann. Das ist Nicola von der Rütli-Gastgeberin SGG, deshalb ist er hier.» Das war schon speziell, ich, der Elefant.

Nicola Foster
Ich habe mich auch gefragt, soll man 50 Jahre Frauenstimmrecht feiern oder eher eine Gedenkminute abhalten, weil die Schweiz so unsäglich spät dran war?

Hast du neben all deinen Ämtern eigentlich noch Zeit für Privates?

Ich versuchs, aber ehrlich gesagt, bin ich nicht immer gleich erfolgreich. Ich lebe schon länger in einer Fernbeziehung mit meiner Partnerin. Entsprechend bin ich an den Abenden meistens verfügbar, wenn ich in der Schweiz bin. Sie arbeitet in der Entwicklungszusammenarbeit und ist momentan in der Elfenbeinküste tätig. Früher war sie bei der UNO. Insgesamt leben wir von neun Jahren Beziehung bereits fünf Jahre nicht am gleichen Ort. Gemeinsam mit ihr oder auch alleine habe ich schon in Abidjan, Addis Abeba, Berlin, Brüssel, Montpellier, New York oder Sankt Petersburg gelebt. Auch dank ihr erhalte ich Einblick in spannende andere Welten.

Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein starker Mann, gell.

Ihre Karriere ist ziemlich sicher besser als meine, sie verdient auch einiges mehr. Wir waren damals in New York bei ihren Arbeitskollegen zum Essen eingeladen, und als ich angesprochen wurde, hiess es: «So you must be Laura’s partner!» – und dann interessierte sich den Rest des Abends niemand mehr für mich. Es war gut, mal zu spüren, wie es ist, als blosses Anhängsel wahrgenommen zu werden.

Kind oder Hund für die Zukunft?

Ich bin ein ziemlicher Fan von kleinen Säuli.

Hängebauchschweine?

Nein so haarige Minisäuli, die kann man stubenrein machen. George Clooney hat eines, es heisst Max.

Wie würde denn dein Mini-Säuli heissen?

Christoph.

Und deine Tochter, wie würde sie heissen?

Die Frage nach Kindern ist mir zu persönlich. Als Frau dürfte ich dieser Frage jetzt nicht ausweichen, oder ist das ok?

Voll ok, ich bin schon verwundert, dass du alle Fragen hast durchgehen lassen. Eine letzte habe ich aber noch. Wie findest du eigentlich elleXX?

Ich finde elleXX super. Als ihr gestartet seid, habe ich mir sogar überlegt, Mitglied zu werden, aber dann habe ich gelesen: «Lerne andere mutige Frauen kennen und lass dich von ihren Ideen inspirieren.» Und da habe ich mich gefragt, ob ich da als Mann auch mitgemeint bin?

Ja total, du bist da einfach mitgemeint.

Gut, dann werde ich gerne Mitglied. Ich glaube, ich kann noch viel lernen über meine Finanzen.

Yay, da freuen wir uns! Vielen Dank für das Gespräch.