Du bist alleinerziehender Vater und hast trotzdem Karriere als härtester Politjournalist der Schweiz gemacht. Wie geht das?

Naja, meine Ex-Frau und ich teilen uns zwar das Sorgerecht für unseren Sohn, aber sie hat bestimmt mehr zur Erziehung beigetragen als ich. Zudem habe ich gar nie eine grosse Karriere angestrebt. Ich bin einfach gerne Journalist und mit jedem neuen Aufgabengebiet hat sich wieder eine neue berufliche Türe geöffnet.

Hast du immer Vollzeit gearbeitet trotz Kind?

Nein, ich habe tatsächlich mal zwei Jahre lang nur 80 Prozent gearbeitet und dies sogar in einer Führungsfunktion bei Ringier. Das war dieser eine berüchtigte Papa-Tag, den Männer gerne vorweisen. Im Sinne von “Schaut mal alle her: ich mache etwas!”. In meinen Augen sprechen Männer gerne von Teilzeit. Sie machen es dann trotzdem nicht. So wie ich. Ich arbeite längst auch wieder 100 Prozent.

Du bist also ein Rabenvater?

Nein. Wenn es für meinen Sohn nicht gestimmt hätte, dann hätte er mir das gesagt. Es war bei uns  - auch in der getrennten Familie - immer wichtig, offen zu kommunizieren. Was passt, was nicht? Wir haben regelmässig einen Familientisch einberufen und darüber gesprochen, was uns beschäftigt.

Redest du dir das nicht schön?

Okay, ja, ich stand auch schon am Freitag mal im Studio und bedauerte, dass ich wieder eines seiner Konzerte verpasst hatte. Er ist sehr musisch. Jeder Vater, der behauptet, er habe nie ein schlechtes Gewissen, sagt nicht die Wahrheit.

Ich wünsche mir nichts sehnlicher als das Ende dieser Rubrik.

Wer ist eingesprungen, wenn der Sohn krank war?

Mehrheitlich meine Ex-Frau, da sie Teilzeit gearbeitet hat. Ja und ohne unser wertvolles Netz an Nachbarn, Grosseltern und Freunden hätten wir es nicht geschafft. Wir sind sehr privilegiert, dass wir ein solches Netz hatten. Die Mehrheit hat das nicht.

Wie organisierst du Kindergeburtstage? Hast du Kuchen gebacken, Goodie Bags gefüllt?

(lacht...) Also ich bin ein eher lausiger Koch und Bäcker, wenn du das meinst. Aber ich habe halbwegs ein Talent für lustige Spiele. Es gab Mini-Postenläufe und spielerische Wissensfragen. Das habe ich mir nie nehmen lassen. Für mich ist es ein absolutes No-Go, bei einem Kindergeburtstag geschäftliche Termine vorzuschieben.

Für mich ist es ein absolutes No-Go, bei einem Kindergeburtstag geschäftliche Termine vorzuschieben.

Wie hast du die Kinderkleidchen deines Sohnes ausgesucht?

Äh ja, um die Kleinkindersachen habe ich mich jetzt nicht so gekümmert. Ich fand es aber gut, dass er früh seinen eigenen Geschmack, ja regelrecht einen Dickkopf entwickelt hat in punkto Kleidern. Mittlerweile berät er mich.

Wie? Trägst Du neuerdings Hoodies?

Privat ab und zu. Aber nicht im professionellen Umfeld. Er empfiehlt mir aber Casual Looks.

Wie gehst Du eigentlich mit den Wechseljahren um?

(seufzt...) Jetzt kommt der Moment, wo du in Klammern schreibst “langes Schweigen”. Fragt das ernsthaft wer?

Es gibt nichts, was es nicht gibt in der Kategorie “dumme Sprüche und Kommentare”.

Also Hitzewallungen habe ich bisher bei mir nicht festgestellt. Aber das Älterwerden ist schon ein Thema. Man kann nicht mehr so über die Stränge hauen wie früher, nicht mehr immer 150 Prozent geben, auch mal nur 130 im Job. Die Work Life Balance ist mir wichtiger geworden.

Bist du manchmal hysterisch?

(lacht..) Ich sage dem nicht hysterisch, sondern “eine kurze Zündschnur haben”. Wenn es mich verjagt, dann verjagt es mich. Ich habe sehr selten und nur kurze Wutanfälle, danach ist aber auch schnell wieder alles gut.

Du arbeitest sehr lange abends. Hast du auf dem Heimweg Angst?

Nein, ich habe keine Angst. Trotzdem ist mein Heimweg eigentlich unzumutbar. Da gibt es Wegstücke, die sind wirklich stockdunkel. Ich frage mich jedes Mal, wie sich dort eine Frau fühlen mag. Ich habe sogar der SBB geschrieben und die Situation geschildert. Da werde ich nochmals nachhaken.

Freunde von mir sagen oft: “Du Frauenversteher.”

Du engagierst dich auffällig oft für Frauenanliegen, bist du ein Softie?

Freunde von mir sagen oft: “Du Frauenversteher.” Ich weiss nicht, ob ich Frauen wirklich verstehe. Ich habe schlicht einen Gerechtigkeits-Fimmel. Ich sehe Diskriminierung und Sexismus. Und deswegen möchte ich mich für Gleichstellung einsetzen. So hart ich als Journalist wirke, so soft bin ich zwischendurch. Ich habe kein Problem damit.

Hat Dir das Mannsein bei Interviews Vorteile verschafft?

Das kann ich schlecht beurteilen Ich war ja nie in einer anderen Rolle. Beharrlichkeit, Ausdauer und Konsequenz haben nichts mit dem Geschlecht zu tun. Allerdings habe ich wohl in muslimischen Ländern als Mann Vorteile gehabt. Ich erinnere mich an Reportagen in Syrien, der Türkei oder im Kosovo. Meine weiblichen Kolleginnen wurden oft ignoriert. Ich habe dann so lange weggeschaut bis die Gesprächspartner gezwungen waren, die Frauen anzuschauen. Man schiebt es auf die Tradition des Landes. Man nimmt dies immer wieder hin, auch auf höchster Ebene. Der türkische Präsident Recep Erdogan hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht mal einen Stuhl angeboten hat und sie auf eine Couch verbannt. Und die hochrangigen Begleiter aus der EU haben darauf nicht einmal reagiert. Das kann und darf einfach nicht sein.

Warum interviewst du öfters Männer?

Ich interviewe nicht bewusst öfters Männer, aber in der Politik und in Führungspositionen sind nun mal mehr Männer. Im Ständerat sind es 74 Prozent. Aber der Anteil der Frauen in der Arena ist mittlerweile bei 42 Prozent. Wir haben hier eine Entwicklung durchgemacht, die Sichtbarkeit von Frauen ist uns wichtig.

Kennst du Lohnungleichheit?

Nein, aber ich bin grundsätzlich kein besonders guter Lohnverhandler.

Wie gehst du mit deinen Groupies um?

Ach… Wie definierst du denn Groupies? Die, welche dir ab und zu eine Bündner Nusstorte schicken, dich zum Kaffee oder Prosecco einladen? Diesen Personen trete ich mit einem Lächeln entgegen. Das schmeichelt mir.

Irritieren dich anzügliche Bemerkungen?

Das irritiert mich. Ich erhalte auch Bilder in anzüglichen Posen. Auch ich habe das erlebt, allerdings bei weitem nicht in dem Ausmass, dem Frauen diesen Übergriffen ausgesetzt sind. Ich denke da auch an meine weiblichen Arena-Gäste. Diese erhalten nach Auftritten oft haufenweise anzügliche Post. Frauen sind viel exponierter.

Und wie reagierst du auf Pussy Pics?

(schluckt leer...) Also so etwas habe ich glücklicherweise nie erhalten. Freizügige Fotos schon. Diese belasten mich nicht, ich lösche sie dann.

Mich will man vermöbeln, die Fresse einschlagen, abpassen, aber von Angriffen auf die sexuelle Integrität bin ich bisher verschont geblieben.

Du bist viel mit Hass im Netz konfrontiert: Wie gehst du mit Vergewaltigungsdrohungen um?

Mich will man vermöbeln, die Fresse einschlagen, abpassen, aber von Angriffen auf die sexuelle Integrität bin ich bisher verschont geblieben. Aber Hass im Netz hat während der Pandemie eine Dimension angenommen, die  ich in der Schweiz nie für möglich gehalten hätte. Es hat sich jetzt ein wenig beruhigt, aber bereits steht die nächste Covid-Abstimmungs-Arena an und die Zuschriften nehmen schon jetzt wieder zu.

Fragst du dich manchmal, ob du das alles schaffst?

Es gab in den letzten zwei Jahren schon Momente, in denen ich mir diese Frage stellte. Man kommt ins Grübeln. Ist es das wert? Kann und will ich das? Brauche ich das alles? Letztlich lande ich immer wieder beim Gleichen, beim Sinn der Meinungsbildung. Und glücklicherweise besteht ein grosser Teil aus Team-Arbeit. Das erfüllt mich.

Wie gehst du mit deinen schönen blauen Augen um?

Die sind mir gegeben worden. Die sehe ich im Übrigen nur, wenn ich in den Spiegel schaue, also nicht sehr oft.

You’re fishing for compliments… Dein gutes Aussehen hat doch deine Karriere vor der Kamera beeinflusst?

Kann ich mir nicht vorstellen.

Sagst du eigentlich bei gewissen Fragen auch mal Stopp? Das ist alles sehr persönlich.

Du hast enorm abgenommen. Kaum hattest du weniger Gewicht, warst du vor der Kamera.

Ja, ich habe zehn Jahre lang exzessiv Sport getrieben. Ich habe 30 Kilo abgenommen, aber nicht um besser auszusehen, sondern um mich wohler und gesunder zu fühlen. Ob ich den Job mit mehr Kilos auch bekommen hätte? Da müsste man die Chef:innen fragen. Das Gewicht war ganz sicher nicht wichtig. Sagst du eigentlich bei gewissen Fragen auch mal Stopp? Das ist alles sehr persönlich.

Ich hätte schon längst Stopp gesagt. Also noch was Harmloses zum Schluss: Wie wählst du deine Krawattenfarben aus?

Ich bin der erste Arena-Moderator, der die Krawatte verbannt und weisse Sneakers eingeführt hat. Also im Gegensatz zu Herrn Noser trage ich gerne Anzüge und habe auch einige dunkelblaue Anzüge und weisse Hemden im Schrank.

Aha, du liest also unsere Rubrik?

Daran kommt man(n) ja nicht mehr vorbei Ich wünsche mir allerdings nichts sehnlicher als das Ende dieser Rubrik. Es wäre einfach schön, wenn sie nicht mehr nötig wäre. Aber bis zur Gleichstellung ist es wohl noch ein längerer Weg.

Das denken wir auch. Danke für das Gespräch!