Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven. Wir wollen auch Männer auf der Plattform ansprechen und zu unseren Botschaftern machen.

Rudi Bindella ist Gastronom und Unternehmer. In den Männerfragen spricht er mit uns über das Lieblingsessen seiner Kinder, Vereinbarkeit und Männer in der Gastronomie.

Du arbeitest ziemlich viel und bist immer unterwegs, hast du kein schlechtes Gewissen deinen Kindern und deiner Frau gegenüber?

Ich war nicht immer so viel weg und in der heutigen Führungsposition. Ich habe ganz unten angefangen bei der Spaghetti Factory damals: zuerst in der Küche, dann als Geschäftsführer eines Lokals. Nach einem Jahr habe ich die Führung dieser Gruppe übernommen und erst nach vielen weiteren Jahren habe ich 2018 die heutige Position erlangt.

Die wäre?

Ich bin verantwortlich für die Bereiche Gastronomie, Personalwesens und Marketing. Dieser Wechsel war happig, die Verantwortung viel grösser. Deshalb schneide ich mir da auch bewusst Zeit raus, zwei Abende bin ich fix zu Hause bei der Familie. Dazu kommt, dass ich viel Ferien mache. Eigentlich verbringe ich die ganzen Schulferienwochen mit der Familie, abgesehen von ein paar Wochen Sommerferien.

Im Sommer seid ihr immer auf eurem Familienweingut Vallocaia?

Ja grösstenteils, wir erkunden auch die Gegend: Forte dei Marmi, die Amalfi Küste, Capri, Napoli, Rom, - wir machen immer ein wenig Giro d’Italia, ich liebe die Regione da unten. Aber natürlich verbringen wir viel Zeit auf dem Weingut, mindestens zehn Tage.

Was hast du deinen Kindern heute Morgen ins Znüni-Böxli gepackt?

(Lacht… atmet durch.) Gute Frage, leider nichts. Das übernimmt meine Frau, ich verbringe den Morgen nicht mit den Kindern. Das vermisse ich auch, ich sehe sie nicht, wenn sie aufstehen. Wir essen abends zusammen und dann geniesse ich auch die Zeit mit ihnen, ich höre dann zu wie sie Geige und Klavier spielen. Aber ja, das mit dem Znüni-Böxli wäre etwas aufwändig, ich stehe ja um 5 Uhr auf und gehe ins Geschäft.

Du könntest es ja am Abend vorbereiten?

Jaaa… das stimmt, (nickt nachdenklich, dann grinst er) ich als Gastronom wäre schon prädestiniert, das Znüniböxli vorzubereiten. Ehrlich gesagt, ich weiss nicht einmal, ob meine ältere Tochter noch eines hat. Das ist, wie du merkst, an mir vorbeigegangen.

Rudi Bindella jr.
Ich als Gastronom wäre schon prädestiniert, das Znüniböxli vorzubereiten. Ehrlich gesagt, ich weiss nicht einmal, ob meine ältere Tochter noch eines hat. Das ist an mir vorbeigegangen.

Was ist das Lieblingsessen deine Kinder?

Allegra mag am liebsten Pizza mit Trüffel – die hat sie in Italien gegessen. Es war ihre Idee, diese im Più anzubieten und deshalb machen wir das. Darauf ist sie zu recht stolz. Und Emilia mag gerne Pizza Margherita.

Was wünschen sich deine Töchter zum Geburtstag?

Puh…

Weisst du, wann sie Geburtstag haben?

Ja! (Er strahlt und antwortet wie aus der Pistole geschossen): Am 13. Juni und 21. August – also ich glaube, meine Grosse wünscht sich sicher einen Kopfhörer, so Gadgets, da ist immer so ein Anhängsel dabei. Die Kleine mag gerne Plüschtierli und so Sachen, aber es ist ja noch etwas früh für die Wunschliste.

Organisierst du die Party?

Ja, das gibt wirklich viel zu tun! Wir waren das letzte Mal auf dem Bauernhof mit Emilia. Da war natürlich der Bauer, aber alles Drumherum musste ja auch erledigt werden. Ich mache alle Geburtstage von den Kindern mit, das ist mir heilig. Mein Vater war hingegen praktisch nie an meinem Geburtstag dabei – das war aber auch eine andere Zeit. Er hat mit eigenen Kräften das Geschäft aus dem Boden gestampft, damit war er beschäftigt.

Rudi Bindella jr.
Ich mache alle Geburtstage von den Kindern mit, das ist mir heilig. Mein Vater war hingegen praktisch nie an meinem Geburtstag dabei – das war aber auch eine andere Zeit.

Backst du auch den Kuchen?

Nein, mache ich nicht. Ich koche zwar sehr gerne, aber den Ofen brauche ich wirklich nur für einen Gratin oder um die Teller zu wärmen. Süsswaren sind nicht mein Ding.

Welche Schuhgrösse haben deine Kinder momentan?

39 und 35!

Wow, jetzt muss das nur noch stimmen. (Journalistin schaut kritisch, er grinst.)

Du kannst ja meine Frau fragen. Aber ich bin fast sicher.

(Anmerkung der Redaktion: er lag «fast» richtig.)

Wir bringst du das denn alles unter einen Hut, die Gastronomie, Familie, Kindergeburtstag und die Mental Load?

Um halb Fünf klingelt mein Wecker, von zu Hause aus bin ich rasch im Geschäft, 30 Minuten später sitze ich im Büro, das ist ein grosses Privileg. Ich kann mir zudem meine Zeit frei einteilen und ich habe viele gute Mitarbeiter, alleine schafft man es nicht. Und Melli, meine Frau, ist natürlich auch an meiner Seite, sie macht das grossartig zu Hause. Sie ist eine Powerfrau, es kommt so Vieles zusammen auch zu Hause, was man gar nicht sieht. So mache ich das: mit allen zusammen.

Würdest du sagen, dass du ein guter Vater bist?

Ja, aber da müsstest du natürlich nun die Kinder fragen. Ich denke momentan gibt es «Daumen hoch», vielleicht ist es dann etwas anders in der Pubertät. Ich bin vielleicht etwas zu lieb und zu nachlässig, da muss Melanie manchmal kompensieren. Ich weiss, ich müsste manchmal mehr Grenzen aufzeigen, aber ich will dann auch nicht immer den Bösen spielen, wenn ich sie so selten sehe. Aber in den Ferien, wenn wir mehr Zeit zusammen verbringen, ändern sich diese Muster auch.

Was ärgert dich am meisten an der fehlenden Vereinbarkeit in der Schweiz?

(Überlegt ziemlich lange, klopft danach auf den Tisch.) Mit Vereinbarkeit meinst du Beruf und Familie, nehme ich an?

Ja genau.

Ich finde, dass wir in der Schweiz schon ziemlich weit sind, als Mann kann man für die Familie da sein, als Frau sicher auch. Wenn beide erwerbstätig sind und auch für die Kinder sorgen wollen, dann ist man ein bisschen Eltern und nur bis zu einem gewissen Grad berufstätig. Ich bin da etwas konservativ: Wenn man eine Führungsposition innehat und beispielsweise Mitglied bei uns in der Geschäftsleitung ist, dann ist es nicht möglich nur 60 bis 80 Prozent zu arbeiten, nur schon wegen der Arbeitszeiten auch am Wochenende.

Ist Vereinbarkeit in der Gastronomie also gar nicht möglich?

Es ist wirklich extrem schwierig. Wir haben aktuell ein Pilotprojekt für eine Vier-Tage-Woche am Laufen, aber die Mitarbeiter wollen lieber 5 Tage arbeiten, auch wegen des Trinkgelds. Wir haben in der Gastronomie auch einfach tote Zeiten, morgens oder nach dem Mittag. Das bedingt andere Arbeitszeiten. Unsere Branche steht vor riesigen Herausforderungen. Ich weiss ja, dass der Trend in eine andere Richtung geht, aber mir ist nicht klar, wie wir das lösen wollen. Die DNA der Gastronomie ist seit Hunderten von Jahren auf die Bedürfnisse der Gäste ausgerichtet und nicht auf die Mitarbeiter…

Rudi Bindella jr.
Unsere Branche steht vor riesigen Herausforderungen. Ich weiss ja, dass der Trend in eine andere Richtung geht, aber mir ist nicht klar, wie wir das lösen wollen. Die DNA der Gastronomie ist seit Hunderten von Jahren auf die Bedürfnisse der Gäste ausgerichtet und nicht auf die Mitarbeiter…

Wie hoch ist denn der Anteil der Frauen bzw. Männer bei Bindella?

Wir haben 1200 Mitarbeiter, ein Drittel der Mitarbeiter sind Frauen.

Mitarbeiterinnen, Rudi. Du sagt immer Mitarbeiter. Du hast doch auch Frauen im Betrieb.

Ach so, ja stimmt.

Wie oft in der Woche trainierst du für den Erhalt deines Astral-Körpers?

Astral-Körper, sagt man das so? (Ist sichtlich erheitert.) Das sage ich das nächste Mal meiner Frau, dass sie so einen hat. Sie findet ja immer, ich sollte ein bisschen besser auf mich schauen. Immerhin: Ich gehe einmal in die Woche ins Bionic-Training  - das ist extrem effizient, ich brauche nur 20 Minuten, habe aber die Intensität von einem Training von einer Stunde. So spare ich Zeit!

Isst und trinkst du viel?

Ja viel, ich mache aber immer wieder Pause, von Sonntag bis Mittwoch trinke ich keinen Alkohol, aber natürlich gibt es mal Ausnahmen. Man muss sich Regeln setzen, die Versuchungen sind sonst zu gross… Aber tschäderabängg, das mache ich eben nicht, und unter der Woche zu Hause trinke ich auch keinen Alkohol. Man muss der Leber schon Sorge tragen.

Was machst du bei PMS-Symptomen?

PMS-Symptome??? (Er schaut die Journalistin wie ein einziges Fragezeichen an und ist ziemlich verunsichert.)

Pre-Menstrual Syndrome, sagt dir das was?

Gibt es das bei Männern? (Er ist sichtlich überfordert mit der Frage.)

Sag du es mir?

Ich muss ehrlich sagen, ich bin ziemlich…, also erstaunlich konstant unterwegs.

Oder interpretiere ich das falsch, da ist eher etwas, das die Frauen haben? Hm. Also gut, dass du das ansprichst, in Zukunft kann ich meine Stimmungsschwankungen darauf schieben. Hat man das denn bereits mit 40?

Eigentlich, solange du dich fortpflanzen kannst… Bist du denn schon eher in den Wechseljahren?

Nein, wirklich nicht… da ist noch alles intakt, körperlich alles tiptop. Psychisch, also ich meine so zwischenmenschlich, gibt es natürlich immer Diskussionen, das gehört zu einer Beziehung. Aber ich würde es nicht unter PMS zusammenfassen. (Grinst. Und atmet deutlich erleichtert auf, als er merkt, dass das nächste Thema kommt.)

Würdest du sagen, dir ist karrieremässig alles einfach in den Schoss gefallen?

Nein, gar nicht.

Was waren deine grössten Herausforderungen?

Ich hatte eine Phase, in der ich nicht wusste, was ich wollte. Das war so zwischen 25 und 30 Jahren. Mir war zwar schon damals klar, dass ich die Chance packen wollte, um ins Familienunternehmen einzusteigen. Aber ich hatte mich zu Beginn eher für das Weingeschäft interessiert, aber das war eher nicht mein Supertalent: Man muss akribisch sein und Excel-Tabellen ausfüllen und das habe ich falsch eingeschätzt. Erst als ich dann wirklich in Gastronomie Fuss gefasst hatte, da gab es für mich den Kickstart.

Die einen heiraten eine reiche Frau, die anderen haben den reichen Papa. Trifft eines von beiden auf dich zu?

Ja natürlich, ich habe einen reichen Papa, das alleine reicht aber nicht. Schliesslich kann man nur seinen Weg gut machen und Erfolg haben, wenn die Leistung und der Einsatz stimmen, von nichts kommt nichts.

Rudi Bindella jr.
Ja natürlich, ich habe einen reichen Papa, das alleine reicht aber nicht. Schliesslich kann man nur seinen Weg gut machen und Erfolg haben, wenn die Leistung und der Einsatz stimmen, von nichts kommt nichts.

Du hast noch Geschwister, 3 Brüder und eine Halbschwester. Warum konntest ausgerechnet du die Nachfolge antreten?

Das hat viel mit Leidenschaft zu tun.  Ich habe Jahr für Jahr täglich gezeigt, dass es mir ernst ist und dass ich nicht nur «fils à papa» war, deshalb war es irgendwann egal, ob man mich mag oder nicht, sondern ich war konstant immer dran und habe einfach mitgearbeitet ohne hohe Ansprüche zu stellen. Ich hatte mir das fest vorgenommen, dass ich zuerst etwas leisten und nicht zu viele Forderungen stellen wollte. Mein Vater hat das gemerkt und letztlich muss er ja wissen, wem er sein Lebenswerk übergeben will. Er hätte natürlich gerne alle in den Betrieb integriert, aber warum er mich ausgewählt hat, das musst du ihn fragen. Wir haben auf jeden Fall eine sehr konstruktive Zusammenarbeit.

Bist du ein intuitiver Chef?

Ja sehr. Aber ich musste natürlich lernen, mich zu strukturieren, man kann die Mitarbeiter nicht führen mit Hü und Hott, aber ich schaue sehr stark, dass ich demokratisch führe, dass ich die Meinungen und Ideen von allen einbeziehe und dann braucht es manchmal eine Durchsage.

Wirst du respektiert oder geliebt als Chef?

Ich glaube beides. Wenn sie dich nicht respektieren, tanzen sie dir auf der Nase rum, das gibt es bei mir nicht. Geliebt ist vielleicht das falsche Wort aber ich spüre, dass die Mitarbeiter mich mögen. Aber frag doch gleich Nino, er ist einer meiner engsten Mitarbeiter.

(Nino schlendert an unserem Tisch vorbei und setzt sich in den hinteren Teil des Restaurants. Journalistin ruft ihm die Frage zu. Nino ruft zurück: beides! Rudi schaut mich zufrieden an): Siehst du, als hätten wir uns abgesprochen, aber es ist wirklich so.

Ihr seid sehr kinderfreundlich?

Ja, das hat mein Vater eingeführt, dass alle Kinder zu einem vergünstigten Preis auf der Karte essen.

Ist dein Blond echt?

Ja. Ist es noch blond?

Es hat vielleicht ein bizzli Silberfäden drin, aber die sieht man kaum.

(Wir begutachten gegenseitig die «blonden» Haaransätze.)

Was ist denn dein ultimativer Beautytipp?

Ein Tipp habe ich: sich mit jungen Leuten umgeben. Das ist mein grosses Glück. Die Leute bleiben jung und ich werde älter, da muss man immer auf Zack sein.

Wenn du nur noch ein Outfit für den Rest deines Lebens anziehen dürftest, was wäre das?

Schwarze Jeans, Jogging Schuhe, schwarzes T-Shirt und ein schwarzer Pulli. Ich trage wirklich am liebsten T-Shirt und Pulli. Früher lief ich noch im Anzug rum – aber das ist vorbei, obwohl unser Chef von der Gastronomie das schade findet.

Ist das vorbei, das mit den Anzügen?

Ich finde es schon schön, wenn es noch Gelegenheiten gibt, sich heraus zu putzen.

Wann setzt du deinen Charme bewusst ein?

Wenn es mir darum geht, neue Mitarbeiter einzustellen, die ich unbedingt dabei haben möchte

Mitarbeiter:innen, Rudi. Oder Mitarbeitende.

Was habe ich gesagt? Schon wieder Mitarbeiter?

Ja. Wir üben das noch!

Von Blondie zu Blondie: Wie findest du eigentlich elleXX?

Ich finde elleXX cool und extrem stark, dass ihr als Frauen den Mut habt, sowas auf die Beine zu stellen. Kleiner Tipp, der eine oder andere Mann würde euch aber schon guttun!

Danke! Es bewerben sich einfach nur Frauen, wir würden gerne auch einen Mann (oder mehrere anstellen). Aber dafür führen wir ja Interviews mit aufgeschlossenen Männern wie dir. Danke für das Gespräch!