Wir wollen, dass Politik weiblicher wird. Darum stellen wir hier in den nächsten Wochen in Kooperation mit «Helvetia ruft!» Kandidatinnen aus unterschiedlichen Kantonen und Parteien vor. Wir machen damit keine Wahlempfehlung. Wir wollen zeigen, dass es in allen Parteien und Kantonen Kandidatinnen gibt, die man wählen kann. Heute stellen wir dir Manuela Weichelt, Claudia Frischknecht und Sabine Steinmann vor.

Manuela Weichelt (56), Grüne-Kandidatin, Stadt Zug, Zug

Welches Anliegen treibt dich in den Nationalrat?

Gerne setze ich mich für Gleichstellung, Klima, Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Transparenz, Palliative Care, zahlbaren Wohnraum, schnellere Umsetzung der Pflegeinitiative und die Umverteilung der eingesetzten Steuergelder ein.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie steht es in der Schweiz um die Gleichstellung?

7. Die Schweiz hat acht Plätze eingebüsst und ist aus den Top 20 gefallen. Nicaragua, Namibia, Litauen, Albanien sind vor uns, um nur einige Länder zu nennen.

Welches Thema wird dein Dossier?

Ich will Gleichstellung in allen Politikbereichen vorantreiben. Sei dies im Bereich der Statistik, im Arbeitsmarkt, in der Gesundheit, in den Sozialversicherungen, im Steuerrecht, in der Umwelt usw. Da ich in der Sozial- und Gesundheitspolitischen Kommission und in der Aufsicht über die Gerichte und die Bundesanwaltschaft bin, kann ich mich in diesen Bereichen stärker einbringen, um Chancengleichheit zu erreichen.

Manuela Weichelt, Grüne-Kandidatin
Schon als junge Frau wurde mir bewusst, dass mit dem Schweizer Steuerrecht traditionelle Familienpolitik gemacht wird. Frauen dürfen nicht mit Steuerpolitik vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden.

Wann wirst du als Politikerin unbequem?

Wenn ich angelogen werde und es nicht vorwärts geht.

Was sagst du zu folgenden Stichworten

Individualbesteuerung: Die Individualbesteuerung fordere ich seit 30 Jahren, damals war ich Mitte 20! Schon als junge Frau wurde mir bewusst, dass mit dem Schweizer Steuerrecht traditionelle Familienpolitik gemacht wird. Das heutige Steuersystem bevorteilt Ehen finanziell, in denen nur der eine Ehegatte seinem Beruf nachgeht und damit alleine für das Haushaltseinkommen sorgt. Frauen dürfen nicht mit Steuerpolitik vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden. Dies ist kontraproduktiv für den Fachkräftemangel und vor allem Gift für die Gleichstellung.

Klimakrise: Wir haben nur einen Planeten Erde, und es ist gemäss allen Fachleuten bereits fünf nach zwölf! Der menschengemachte Klimawandel ist eine der grössten Herausforderungen. Die Auswirkungen sind für Mensch, Tier, Pflanzen und Ozeane spürbar. Die Schweiz und viele Länder im Norden gehören zu den Hauptverursacherinnen der globalen Erwärmung. Wir haben eine besondere Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt. Frauen sind unter den Armen überrepräsentiert, oft besonders abhängig von natürlichen Ressourcen und sehr oft von den politischen und umweltpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen. Frauen leiden unter der Klimakrise besonders. Vor allem ältere Frauen sind betroffen.

Altersarmut: Frauen erhalten mindestens einen Drittel weniger Rente als Männer. Dieser grosse Gender Pension Gap ist eine direkte Antwort auf die ungleiche Verteilung der Erwerbschancen von gestern und teilweise noch von heute. Bis in die 1970er-Jahre durften die Männer ihren Ehefrauen eine Erwerbstätigkeit verbieten. Frauen unterbrachen und unterbrechen häufiger ihre Erwerbstätigkeit und arbeiten mehr Teilzeit. Dies hat noch heute etwas mit fehlenden oder unbezahlbaren Kinderkrippenplätzen, Ferienbetreuungen und Tagesschulen zu tun. Aber Frauen übernehmen auch viel mehr Betreuung ihrer alten Eltern, und dies unbezahlt. Zudem ist der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern auch dem Geschlecht zuzurechnen. Frauen in der Pflege beispielsweise lässt man zwar nicht mehr für Gotteslohn arbeiten, aber immer noch mit viel zu tiefen Löhnen. All dies hat direkte Folgen auf die Rentenleistungen im Alter.

Wie sieht deine Schweiz 2050 aus?

Die Schweiz ist fossilfrei und klimaneutral. Wir verursachen unter dem Strich keine Treibhausgase mehr – «netto null» haben wir erreicht. Die Schweiz ist wirklich solidarisch im Inland und Ausland: Alle Menschen werden als eigenständige Wesen angeschaut und haben rechtlich und im Alltag die gleichen Rechte wie ihre Mitmenschen.

Claudia Frischknecht (42), Mitte-Kandidatin, Herisau, Appenzell Ausserrhoden


Welches Anliegen treibt dich in den Nationalrat?

Meine Themenschwerpunkte liegen vor allem in der sozialen Sicherheit, insbesondere Sozialversicherungen und Gesundheit.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie steht es in der Schweiz um die Gleichstellung?

7. Es gibt nach wie vor viel zu tun im Bereich Lohngleichheit sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Welches Thema wird dein Dossier?

Sozialversicherungen.

Wann wirst du als Politikerin unbequem?

Dazu braucht es sehr viel, denn ich betreibe eine sachliche und lösungsorientierte Politik.

Was sagst du zu folgenden Stichworten

Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Um allen Lebensformen gerecht werden zu können, sind flexible Arbeitsmodelle in allen Bereichen zu fördern. Insbesondere soll eine Teilerwerbstätigkeit der Männer durch deren Arbeitgeber verstärkt unterstützt und ermöglicht werden. Die Angebote der Kinderbetreuung sind nicht immer in genügender Anzahl vorhanden oder an die Arbeitszeiten angepasst. Zudem werden sie von Eltern aus finanziellen Gründen nicht oder nur beschränkt genutzt, denn nach Alter und Anzahl der Kinder kann der Zweitverdienst durch die Mehrausgaben wieder aufgebraucht werden.

Claudia Frischknecht, Mitte-Kandidatin
Die schnelle, umfassende und wirksame Umsetzung der Istanbul-Kovention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist unabdingbar.

Gender Pension Gap: Mit der Verbesserung und Optimierung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bin ich überzeugt, dass die aktuell noch vorhandenen Unterschiede zwischen Frauen und Männern kleiner werden können. Nach wie vor unterbrechen vorwiegend Frauen ihre Erwerbstätigkeit und arbeiten häufiger in Teilzeit zugunsten der Familie.

Schutz gegen Gewalt an Frauen (Istanbul-Konvention): Die schnelle, umfassende und wirksame Umsetzung der Istanbul-Kovention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist unabdingbar. Denn die Gleichberechtigung muss zur Selbstverständlichkeit innerhalb der Gesellschaft werden. Diskriminierung jeglicher Art gilt es zu verhindern.

Wie sieht deine Schweiz 2050 aus?

Wir haben mit einer sozialverträglichen, wirtschaftlich tragbaren und technisch machbaren Umsetzung der Energiestrategie 2050 das Ziel von netto null Treibhausgasemissionen erreicht.

Sabine Steinmann (51), SP-Kandidatin, Oberurnen, Glarus


Welches Anliegen treibt dich in den Nationalrat?

Eine gute und bezahlbare Gesundheitsversorgung, Bewahrung der Ernährungssicherheit und Energieversorgung durch Klimaschutz, Stärkung der Berufsbildung, finanzielle Sicherheit für Normalverdienende und Teilzeitangestellte.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie steht es in der Schweiz um die Gleichstellung?

6. Vor allem Frauen sind noch immer betroffen von sexualisierter und häuslicher Gewalt, leisten unbezahlte Care-Arbeit, haben eine schlechte Vorsorge bei Teilzeitarbeit, spüren Lohnungleichheit und leiden unter Stereotypen, die in der Gesellschaft noch sehr verankert sind.

Sabine Steinmann, SP-Kandidatin
Es ist wichtig, dass wir gegen die Ursachen des Gender Pension Gap und des Gender Pay Gap vorgehen.

Welches Thema wird dein Dossier?

Die Gesundheitspolitik. Mir geht es um: Förderung der Health Literacy, also der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, Patientenrechte, Unterstützung der betreuenden Angehörigen, bezahlbare Prämien, Sicherstellung einer weiterhin qualitativ guten Versorgung, Stärkung der Hausarztmedizin, angemessene Medikamentenpreise, Kostendämpfung, Koordination.

Die Förderung der Gleichberechtigung (dazu gehören für mich explizit beide Geschlechter) ist für mich ganz klar ein Querschnittsthema über all meine Schwerpunkte.

Wann wirst du als Politikerin unbequem?

Wenn es um Ungleichbehandlung geht, wenn gut situierte und gut gebildete «Glückskinder» von Eigenverantwortung im Sinne von «jeder ist seines Glückes Schmied» sprechen, wenn Menschlichkeit als Schwäche belächelt wird.

Was sagst du zu folgenden Stichworten

Fachkräftemangel: Dieser ist anzugehen mit der Individualbesteuerung, einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und einer Berufsbildung, die Nachholbildung, Integration und Wiedereinstiege fördert.

Klimakrise: Dieses Problem muss jetzt und entschlossen angepackt werden – jede weitere Verzögerung gefährdet unsere Sicherheit und Gesundheit und sorgt dafür, dass die Kosten dafür ins Unermessliche steigen. Die Versorgungssicherheit in der Energie und Ernährung müssen zuoberst auf der Agenda stehen.

Altersarmut: Da diese vor allem die Frauen betrifft, ist gegen die Ursachen des Gender Pension Gap und Gender Pay Gap vorzugehen; die Finanzkompetenz der Frauen muss gefördert, Care-Arbeit anerkannt und die AHV gestärkt werden.

Wie sieht deine Schweiz 2050 aus?

Sie hat die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens erreicht. Das Artensterben konnte gestoppt werden – auch dank der Landwirtschaft. Die Wirtschaft hat die Emissionen minimiert – sodass wir alle davon profitieren. Das Zusammenspiel Arbeitgeber:in/Arbeitnehmer:in ist in einer guten Balance; die Berufsbildung hat die benötigten (neuen) Berufe hervorgebracht. Das Bewusstsein für die gesellschaftlich wertvolle Care Arbeit hat die Lebensläufe, die Rollen freier gemacht. Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern ist Vergangenheit, die Altersarmut hat abgenommen. In der Gesundheitspolitik setzt man die Patienten:innen in den Mittelpunkt. Die politischen Fronten haben sich nicht verstärkt. Die Schweiz hat einen Weg gefunden, wie sie mit KI und den Sozialen Medien das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und Institutionen bewahren kann. Das wäre wunderbar: Keine Frau muss sich mehr auf dem Nachhauseweg/zu Hause vor Gewalt fürchten. Wir haben erkannt, dass wir Menschen keine Maschinen sind, die immer schneller funktionieren müssen, dass wir mit der Natur verbunden sind, dass wir soziale Wesen sind, die einander brauchen. Mit diesem Wissen gestalten wir unsere Gesellschaft.


Helvetia ruft! motiviert Frauen zur Kandidatur, unterstützt Kandidatinnen mit Mentorings und regt die Parteien dazu an, Frauenkandidaturen zu fördern. Helvetia ruft! veröffentlicht im September ein finales Rating sämtlicher Wahllisten für die nationalen Wahlen am 22.Oktober 2023. Darin errechnet Helvetia ruft!, welche Wahlchancen die Kandidatinnen in den verschiedenen Kantonalsektionen aller Parteien haben. Bereits am 1. Juni hat Helvetia ruft! anhand der zu dem Zeitpunkt bekannten Listen ein Zwischenrating veröffentlicht. Aus diesen Listen hat Helvetia ruft! ellexx die Namen der bestplatzierten Kandidatinnen genannt. Die Auswahl, wen ellexx in dieser Reihe porträtiert, hat ellexx selbst vorgenommen.

Wahlen 2023: Frauen für Helvetia
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