Lina Gafner ist Co-Direktorin des Gosteli-Archivs. Hier werden Nachlässe aus der Schweizer Frauenbewegung verwaltet. Im Money Talk spricht sie darüber, welche politischen Meilensteine der Feminismus in der Schweiz erreicht hat – und wo es dringend noch Arbeit braucht.

Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:40
Ort:Bern
Beruf:Historikerin und Co-Direktorin Gosteli-Archiv
Einkommen:7500.- bei einem 80-Prozent-Pensum (inklusive anderer Anstellungen ausserhalb des Gosteli-Archivs)
Schulden:Hypothek
Grösster Ausgabeposten:Essen
Vermögen:Haus, das aber zu einem grossen Teil der Bank gehört

Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?

Geld ist einerseits etwas sehr Schillerndes. Es löst bei mir aber auch ein kritisches Stirnrunzeln aus.

Warum?

Beim Thema Geld denke ich sehr schnell an die Verteilung. Woher kommt es? Wohin geht es? Ist es gerecht verteilt oder nicht? Das sind Fragen, die bei mir auftauchen, wenn es ums Thema Geld geht.

Fällt es dir leicht, über Geld zu reden?

Ja, eigentlich schon. Ich habe auch keine Hemmungen, über mein Einkommen oder über mein Vermögen zu reden. Ich merke allerdings auch, dass der gesellschaftliche Diskurs beim Thema Geld nicht ganz einfach ist. Aber ich finde es wichtig, offen damit umzugehen.

Woher kommt das, dass es dir so leicht fällt, über Geld und dein Einkommen zu sprechen?

Das hat verschiedene Gründe. Beim Lohn ist es so, dass ich finde, ich verdiene nicht unanständig viel. Gleichzeitig ist mein Lohn auch nicht so klein, dass es mir unangenehm sein müsste, darüber zu reden. Ich fühle mich mit meinem Einkommen sehr wohl – auch im Verhältnis dazu, wie lange meine Ausbildung gedauert hat und wie viel ich darin investiert habe. Und ich habe von meiner Sozialisierung her einen sehr unmittelbaren Bezug zum Thema Geld.

Lina Gafner
Arbeit war für mich immer eine Art Liebesdienst, da ich innerhalb der Familie gearbeitet habe. Ich wusste: Wenn ich mehr rumrenne, dann muss dafür meine Mutter oder mein Vater weniger rumhetzen.

Kannst du das etwas genauer erklären?

Ich bin in einem Wirtshaus aufgewachsen. Abends öffnete man das Portemonnaie, leerte es aus und zählte das Geld. Das schaffte einen unmittelbaren Bezug dazu, wie viel man den ganzen Tag herumgerannt war, wie müde man war und wie voll (oder leer) auf der anderen Seite das Portemonnaie dafür war. Gleichzeitig war diese Unmittelbarkeit auch emotional aufgeladen: Viel einzunehmen bedeutete immer, wahnsinnig viel zu arbeiten. Es wurde sehr viel gearbeitet für das Familieneinkommen.

Was haben dir deine Eltern über Geld beigebracht?

Dass man mit der eigenen Arbeit auch jemandem etwas abnimmt. Arbeit war für mich immer eine Art Liebesdienst, da ich innerhalb der Familie gearbeitet habe. Ich wusste: Wenn ich mehr rumrenne, dann müssen dafür meine Mutter oder mein Vater weniger rumhetzen. Diese Haltung musste ich später in der Arbeitswelt ablegen.

Inwiefern?

Ich machte mir klar, dass ich angestellt bin und Rechte habe. Das ist etwas anderes, als im Familienbetrieb tätig zu sein. Was ich auch mitgenommen habe, ist, dass Geld nicht im Vordergrund steht bei der Arbeit. Meine Eltern haben ihren Betrieb idealistisch und nach klaren Grundsätzen geführt. Das Soziale, das Erlebnis und die Kultur waren wichtig. Und es war immer wichtiger, seinen Prinzipien treu zu bleiben, als schnelles Geld zu verdienen. Dieser Grundsatz ist bis heute tief verankert bei mir.

Mit wem sprichst du über Geld?

Natürlich mit meinem Partner und meiner Arbeitskollegin – also meiner Co-Direktorin im Gosteli-Archiv. Mit Freundinnen diskutiere ich über Geld im politischen Kontext, wir sprechen über unbezahlte oder schlecht bezahlte Sorgearbeit, Lohngaps oder Altersarmut von Frauen. Zudem rede ich mit meinen Eltern über Geld. Sie übernehmen einen Teil der Kinderbetreuung bei uns, und ich bin der Meinung, dass sie das nicht gratis tun sollen. Auch wenn es ein eher symbolischer Betrag ist, den wir ihnen bezahlen. Und dann spreche ich mit meiner Tochter über Geld.

Was bringst du ihr über Geld bei?

Meine Tochter ist sieben Jahre alt. Aktuell geht es vor allem darum, ihr zu erklären, dass wir nicht einfach jedes Stofftier kaufen können und dass man nicht alles einfach so bekommt. Sie soll lernen, dass man fürs Geld arbeiten muss. Ich wollte ihr auch erklären, dass sie zu Hause mithelfen muss, wenn sie Sackgeld haben möchte. Aber sie will gar keins, weil ihre Freund:innen das auch nicht haben. Mein Plan hat also nicht funktioniert.

Du bist Co-Direktorin des Gosteli-Archivs. Für alle, die euch nicht kennen: Was bietet das Archiv?

Bei uns gibt es einerseits eine Bibliothek. Da findet man Fachliteratur zur Frauengeschichte, zum Feminismus und zur Frauenbewegung aus historischer Perspektive. Vor allem aber gibt es bei uns Unterlagen von zahlreichen Frauenorganisationen und private Nachlässe von Frauen.

Wie wichtig ist Geld in deinem beruflichen Alltag?

Ich bin in meiner Funktion für die Finanzen zuständig und habe somit eine grosse finanzielle Verantwortung. Geld ist also eigentlich eine meiner Hauptaufgaben.

Was sind aktuell die grössten Diskussionsfelder?

Derzeit diskutieren wir beispielsweise gerade darüber, wie wir unsere Abläufe in der Buchhaltung besser gestalten können, da unser Betrieb wächst und die aktuellen Strukturen nicht mehr passend sind. Ausserdem stellen wir Gesuche an unsere Geldgeber der öffentlichen Hand. Wir sind seit 2021 durch den Bund und den Kanton Bern subsidiär finanziert und bekommen regelmässig Mittel. Damit wir diese Mittel bekommen, müssen wir aufwendige Gesuche stellen und Reportings vorlegen. Aktuell bereiten wir die Gesuche für die Jahre 2025 bis 2028 vor.

Welche Rolle spielt Geld in der Geschichte der Frauenbewegung?

Geld hat immer eine sehr wichtige Rolle gespielt, das tut es auch heute noch. Aber Geld zu thematisieren war nie ganz einfach. Beispielsweise wenn es um Themen wie den Wert von Sorgearbeit oder den Wert von Hausarbeit geht: Diese Arbeiten wurden und werden noch immer stark mit Liebe assoziiert oder mit dem Dienst für eine Person oder für die Gesellschaft. Bei Sorge- oder Hausarbeit hat die Gesellschaft grosse Mühe, ihren Wert zu beziffern. Das hat historische Gründe. Gleichzeitig müssen wir uns diesem Thema stellen.

Lina Gafner
Die Forderungen nach mehr Lohn, besseren Bedingungen und mehr Anerkennung für diese Berufe stellt die Frauenbewegung schon sehr, sehr lange. Sie werden aber politisch nur wenig aufgegriffen.

Inwiefern?

Wir haben in verschiedenen Bereichen, in denen es um Sorgearbeit geht, heute grosse Probleme: Wir brauchen Pflegefachpersonen in den Spitälern und Heimen, wir brauchen Betreuungspersonen in den Kitas und Horten. Gleichzeitig wird den Frauen – die noch immer deutlich mehr in diesen Berufen vertreten sind – vermittelt: Investier deine Zeit und dein Können in etwas, das sich rentiert. Werde lieber Ingenieurin als Kinderbetreuerin! Ausserdem wird auch politisch kaum etwas dafür getan, dass die Sorgearbeit attraktiver wird. Dabei wäre das dringend nötig. Die Forderungen nach mehr Lohn, besseren Bedingungen und mehr Anerkennung für diese Berufe stellt die Frauenbewegung schon sehr, sehr lange. Sie werden aber politisch nur wenig aufgegriffen. Mütter werden dazu angehalten, stärker erwerbstätig zu sein – aber wie viel Arbeit zu Hause geleistet werden muss, wie viel Zeit das braucht, ist kein Thema. Wenn wir das aber ignorieren, politisieren wir an der Lebensrealität der Menschen und vor allem der Frauen vorbei.

Gibt es denn Dinge, die sich in der Schweiz klar verbessert haben für Frauen in der Schweiz in Bezug auf Geld und Finanzen?

Seit 1976 brauchen die Frauen in der Schweiz die Erlaubnis ihres Mannes nicht mehr, wenn sie erwerbstätig sein oder ein Konto eröffnen wollen. Das ist doch nicht schlecht. Seit 1996 hätten sie das Recht auf gleichen Lohn, dank dem Gleichstellungsgesetz. Ein ganz wichtiger Meilenstein war auch die zehnte AHV-Revision im Jahr 1997. Sie ermöglichte es, dass Frauen eine individuelle AHV-Rente bekommen, unabhängig von ihrem Partner. Gleichzeitig wurde in dieser Revision die unbezahlte Sorgearbeit aufgenommen in Form der Betreuungsgutscheine. Um Geld für ihre Arbeit und soziale Sicherheit bemühen sich seit Jahrzehnten im Speziellen die Bäuerinnen. Hier ist aber noch einiges im Argen.

Weshalb?

Oft sind sie sozial schlecht abgesichert, da sie in ihrem Betrieb nicht angestellt sind. Und dann gibt es noch die schwierigen Meilensteine.

Welche meinst du damit?

Ich denke da an das Bundesgerichtsurteil, das es bei Scheidungen erschwert, dass Hausarbeit anerkannt wird und das Frauen in die Berufstätigkeit zwingt. Dieses Urteil wird von Teilen der Frauenbewegung beklatscht. Es hat aber eine Kehrseite. Für viele Frauen ist diese Entwicklung nämlich äusserst schwierig. Die Bedingungen sind heute noch immer nicht ideal. Es ist noch immer eine Herausforderung, mit Kindern ein gleichberechtigtes Modell zu leben, sodass beide Partner:innen während der Ehe gleichermassen erwerbstätig sein können. Bei einer Scheidung stehen die Frauen nach der neuen Rechtsprechung dann finanziell als Verliererinnen da. So kommen sie schlechter weg als früher. Das kann es nicht sein.

Lina Gafner
Unser Ziel ist, sichtbar zu machen, dass Frauen immer dann am meisten erreicht haben, wenn sie zusammengearbeitet haben.

Ihr habt im Hinblick auf den 14. Juni das Projekt «Zusammenfrauen» lanciert. Worum geht es da?

Wir wollen zeigen, welche Erfolge sich die Frauenbewegung erkämpft hat. Unser Ziel ist, sichtbar zu machen, dass Frauen immer dann am meisten erreicht haben, wenn sie zusammengearbeitet haben. Es gibt ganz viele Differenzen zwischen Frauen. Die sind richtig und wichtig. Gleichzeitig gibt es eine lange Tradition der Solidarität unter Frauen. Das ist ein Erfolgsrezept der Frauenbewegung. Anhand von sieben Geschichten oder Themen zeigen wir dieses Prinzip, und man kann in diesen Geschichten schmökern. Dieses Projekt ist auch die Lancierung unseres Instagram-Kanals.

Wofür streikst du am 14. Juni?

Ich persönlich streike dafür, dass die Menschen – es sind vor allem Frauen –, die Sorgearbeit leisten, es nicht zu schlechten Bedingungen und zu schlechten Löhnen machen müssen.

Ist der Stempel «feministisch» immer zielführend?
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Was Kunst und Care-Arbeit gemeinsam haben
Werden Maschinen künftig alle Tätigkeiten übernehmen können? Nein, findet unsere elleXX-Kolumnistin und erklärt weshalb die menschliche Komponente gerade in der Kunst und bei Care-Arbeiten wichtig ist. Deshalb ruft sie dazu auf, aufmerksamer in diese Bereiche zu investieren.