Folgendes Szenario kommt sicherlich allen bekannt vor: Das Essen ist fertig zubereitet, duftet herrlich, und alle Familienmitglieder finden sich zum Essen am gemeinsamen Esstisch ein. Allen schmeckt es, und die Stimmung ist gut. Aber wie steht es mit der Unterhaltung? «Na Schatz, wie war dein Tag?» oder «Liebes, wie war es heute in der Schule?» sind vermutlich die Fragen, die wir alle schon gestellt haben.

«Mama, wie hat sich unser Portfolio heute entwickelt?», ist keine Frage, die wir von unseren Kindern am Esstisch erwarten würden. Schade eigentlich. Die finanzielle Bildung unserer Kinder würde sehr von solchen Gesprächen profitieren.

Gemäss Statistik drehen sich unsere «Ess»-Gespräche um Alltagsthemen wie Familie, Freund:innen, Schule und Beruf. Wenn Geldthemen überhaupt am Familientisch stattfinden, begrenzen sich diese meist auf die nächsten Reiseziele oder grössere Anschaffungen. Kurz gesagt: Wenn wir über Geld reden, dann nur über das Geldausgeben und nicht über das Vermehren von Geld.

Investieren ist keine Geheimwissenschaft, sondern eine Fähigkeit, die man bereits früh erlernen kann. Doch wie können wir solche Gespräche am Familientisch überhaupt starten? Und dazu so, dass unsere Kinder die Thematik verstehen?

«Mama, wie hat sich unser Portfolio heute entwickelt?» ist keine Frage, die wir von unseren Kindern am Esstisch erwarten würden. Schade eigentlich. Die finanzielle Bildung unserer Kinder würde sehr von solchen Gesprächen profitieren. Indem wir unseren Kindern die Grundlagen des Investierens beibringen, geben wir ihnen ein wertvolles Werkzeug an die Hand, mit dem sie ihre spätere finanzielle Zukunft aktiv gestalten können. Ich möchte an dieser Stelle nochmal hervorheben, dass Mädchen in ihrer finanziellen Bildung aufgrund des «Gender Financial Literacy Gap» eh schon benachteiligt sind. Eltern reden nämlich mit ihren Töchtern eher über Sparen und mit Jungs über Kredite und den Vermögensaufbau.

Mir ist bewusst, dass es gesellschaftlich noch gewisse Mythen übers Investieren gibt und es ein Tabu-Thema ist. Aber Investieren ist keine Geheimwissenschaft, sondern eine Fähigkeit, die man bereits früh erlernen kann. Doch wie können wir solche Gespräche am Familientisch überhaupt starten? Und dazu so, dass unsere Kinder die Thematik verstehen? Mir fällt dazu ein stark vereinfachtes Beispiel ein:

Während eines Abendessens fiel mein Blick auf eine Softgetränke-Flasche einer bekannten Marke, die auf unserem Tisch stand. Ich fragte meinen Sohn, ob er eigentlich weiss, dass diese Marke nicht nur ein Getränk, sondern eben auch eine Firma ist. So entstand ein Gespräch, was der Sinn und Zweck eines Unternehmens ist.

Von welcher Firma kommt der Burger, der Ketchup, der Senf? Wer liefert die Cornflakes und das Joghurt zum Frühstück? Und wie funktionieren diese Unternehmen – wie kann ich in sie investieren?

Wir haben überlegt, was und wen es eigentlich alles braucht, damit diese Flasche am Ende auf unserem Tisch stehen kann. Für den Sirup werden diverse Zutaten wie Zucker und Wasser benötigt. Dazu braucht es Maschinen, die das Softgetränk zusammenmischen und dann in Flaschen oder Dosen abfüllen. Weiterhin benötigt es diverse Transportmittel, die die fertigen Erzeugnisse an die Supermärkte ausliefern – wo wir sie dann kaufen können. Neben Maschinen und Rohstoffen braucht es selbstverständlich auch eine ganze Menge Mitarbeitende, die für ihre erbrachten Leistungen im Unternehmen bezahlt werden. Mein siebenjähriger Sohn hatte richtig Spass an diesem spielerischen Gedankenexperiment. Ich erklärte ihm, dass wir sogar nicht nur die Flasche, sondern auch kleine Teile der ganzen Firma kaufen können. Er schaute mich mit grossen Augen an und fragte, wie das möglich ist. Schon waren wir beim Thema Aktien. Nach dem Abendessen haben wir uns noch dem Aktienkurs des Softdrink-Unternehmens gewidmet, und ich habe ihm in meiner Finanzapp gezeigt, wie ich eine Aktie kaufen könnte. Zeitaufwand, alles in allem: etwa eine Viertelstunde für einen ersten kleinen Exkurs über Wirtschaftskreislauf und Börse, auf dem ich aufbauen kann.

Es geht nicht darum, stundenlange Finanzweisheiten in komplizierten Sätzen zu vermitteln, sondern die Themen kindgerecht am praktischen Beispiel zu erläutern. Dafür eignen sich bestens Beispiele, mit denen Kinder bereits vertraut sind

Genau das ist für mich finanzielle Bildung. Es geht nicht darum, stundenlange Finanzweisheiten in komplizierten Sätzen zu vermitteln, sondern die Themen kindgerecht am praktischen Beispiel zu erläutern. Dafür eignen sich bestens Beispiele, mit denen Kinder bereits vertraut sind. Das sind mehr Marken und Firmen, als wir denken. Oder wir lassen uns einfach am Familientisch inspirieren: Von welcher Firma kommt der Burger, der Ketchup, der Senf? Und wer liefert die Cornflakes und das Joghurt zum Frühstück, das Glacé zum Dessert?

Egal was heute auf unseren Tellern landet: Lasst uns die gängigen 0815-Themen am Esstisch eingrenzen und Platz schaffen für aufregende Diskussionen über Wirtschaftsgeschehen und Investitionsmöglichkeiten. Wer weiss, ob wir nicht gerade den Grundstein für die finanzielle Unabhängigkeit unserer Kinder legen, während wir einfach gemütlich zusammen das Essen geniessen. Eine köstliche Vorstellung, oder?

Finanzbildung
Was ist der Gender Financial Literacy Gap?
Taschengeld
Was ist der Gender Pocket Money Gap?