Auf deiner Webseite schreibst du vom «Purpose», den Nikin für dich bedeutet. Müssen Männer immer einen Sinn haben in ihrer Arbeit?

Gute Frage (überlegt). Ich glaube, es gibt viele Männer, die gar keinen Purpose im Leben haben. Aber was wir sicher alle gemeinsam haben: Wir suchen nach Glück und Zufriedenheit. Nicht nur die Männer, auch die Frauen.

Herzig. Und wie definierst du diese Zufriedenheit für dich?

Für mich bedeutet Zufriedenheit, den Sinn meiner Arbeit mit Leidenschaft verbinden zu können. In meinem Fall ist es, glaube ich, ziemlich klar: Der Sinn meiner Arbeit ist für mich Naturschutz, ich will der Natur auch etwas zurückgeben durch das, was ich tue. Und meine Leidenschaften sind Onlinemarketing, Social Media, Start-ups und so weiter. Und das alles vereinen zu können mit meiner Arbeit macht mich glücklich.

Woher sind denn die Kleider, die du heute trägst?

(Checkt das Etikett seines Pullovers.) Aus Portugal, Lettland … der Pulli ist von Everlane. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, sie produzieren in Asien. Aber mir gefällt die Marke sehr.

Nikin wurde innerhalb weniger Jahre sehr erfolgreich. Hat dich das eingeschüchtert?

Ein bisschen schon. Wir sind mit 60 Wintermützen und 5000 Franken Kapital gestartet, es ging eigentlich nicht darum, ein grosses Business aufzubauen. Und als wir zum ersten Mal 100’000 Franken auf dem Konto hatten oder Rechnungen im Zehntausender-Bereich bezahlt haben, musste ich schon kurz schlucken. Das war mehr Geld, als ich in meinem ganzen Leben je gesehen hatte. Auch die ersten Herausforderungen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern waren sicher nicht einfach für uns. Ja, das hat mich alles schon ein wenig eingeschüchtert.

Nicholas Hänny
Seit ich ein Kind bin, verbringe ich viel Zeit draussen, auch in den Bergen beim Snowboarden. Und es hat mich schon immer gestört, wenn man sich nicht um die Natur kümmert und zum Beispiel Abfall liegen lässt.

Wie bist du damit umgegangen?

Wichtig ist vor allem, dass ich gute Leute um mich herum habe, mit denen ich solche Dinge besprechen kann. Einerseits meine Frau, die auch bei Nikin arbeitet. Und andererseits meinen Geschäftspartner und Mitgründer Robin. Wir können uns sehr gut gegenseitig auffangen, wenn wir ein Down haben.

Ihr setzt mit eurer Marke voll auf Nachhaltigkeit. Woher kommt diese Besessenheit bei dir? Warum liebst du Bäume so sehr?

(Kichert.) Gute Frage. Ich glaube, es hat damit zu tun, dass ich lange in der Pfadi war. Seit ich ein Kind bin, verbringe ich viel Zeit draussen, auch in den Bergen beim Snowboarden. Und es hat mich schon immer gestört, wenn man sich nicht um die Natur kümmert und zum Beispiel Abfall liegen lässt.

Was ist denn dein Lieblingsbaum?

(Lächelt.) Eine Tanne natürlich!

Bist du als CEO einer Modefirma eigentlich ein Fashion Victim?

Haha, nein. Ich habe vielleicht so 20 Shirts, sieben Hosen und halt Socken und Unterwäsche. Ich weiss es gar nicht so genau. Alle drei Jahre miste ich auch meinen Kleiderschrank aus.

Nikin wurde mit mehreren Awards ausgezeichnet, du warst auf der Forbes 30-under 30-Liste – fragst du dich nie, ob du das alles wirklich kannst?

Hmm … (überlegt). Nein, ich glaube nicht. Aber das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich zum Beispiel auf Social Media sehr transparent kommuniziere, wenn es mit Nikin gut läuft – aber eben auch, wenn es nicht gut läuft. Ich glaube, wenn man das macht, bietet man viel weniger Angriffsfläche. Ehrlichkeit und Authentizität kommt meiner Meinung nach immer noch am besten rüber und sind am Ende auch das beste Marketing.

Nicholas Hänny
Wenn wir richtig krass hätten wachsen wollen, dann hätten wir den klassischen Weg gewählt, zum Beispiel über Business Angels. Ich glaube, das Crowdinvesting passt perfekt zu uns.

Ihr habt 2022 ein Crowdinvesting gestartet. Auf eurer Website schreibt ihr: «Wir mussten uns intern entscheiden: Entweder bleiben wir auf einer ähnlichen Grösse und fokussieren uns auf Profitabilität und die Schweiz. Oder wir brauchen mehr finanzielle Mittel, um weiter wachsen zu können und ganz Europa zu erreichen.» Sollten männliche Unternehmer nicht eher bescheiden bleiben?

Das ist eigentlich eine gute Frage. Aber ich glaube, das war eher eine Entscheidung gegen Grössenwahnsinn: Wenn wir richtig krass hätten wachsen wollen, dann hätten wir den klassischen Weg gewählt, zum Beispiel über Business Angels. Ich glaube, das Crowdinvesting passt perfekt zu uns. Wir wollen unsere Kund:innen näher an uns binden und mehr in die internen Prozesse involvieren. Und das können wir jetzt tun.

Welchen Vorteil haben eure Investor:innen denn? Gratis Fashion-Tipps von dir?

Haha, nein. Einerseits kann man bei gewissen Fragen mitentscheiden. Wir haben jetzt gerade das erste Quartals-Update mit einer Umfrage verschickt. Wir wollen von unseren Investor:innen zum Beispiel wissen, ob und in welche internationalen Marktplätze wir mit Nikin gehen sollen. Auch finanziell hat man einen Vorteil: Wenn wir Gewinn ausschütten, wird man daran beteiligt. Und wenn wir verkauft werden, bekommt man natürlich auch einen entsprechenden Return. Solche Pläne gibt es aktuell jedoch nicht. Geld zu vermehren ist aber nicht die grösste Motivation für uns oder unsere Investor:innen.

Sondern?

Sie unterstützen eine Firma und ein Projekt, das etwas Gutes vorantreiben will.

Nicholas Hänny
Mich nervt es, dass beim klassischen Investieren oft diejenigen das meiste Geld bekommen, die am lautesten schreien und sich am besten verkaufen. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie die besten Ideen haben.

Mit eurem Crowdinvesting habt ihr fünf Millionen Franken erreicht und seid 2000 Prozent finanziert. Hat dich das überrascht?

Ich war schon sehr baff, aber ich habe ehrlicherweise daran geglaubt, dass wir das schaffen – ansonsten hätten wir wohl kein Crowdinvesting gestartet. Und zwei Wochen nach dem Start war ich mir dann sehr sicher. Aber am Anfang war ich schon ziemlich nervös.

Habt ihr euch deshalb für ein Crowdinvesting entschieden, weil euch die Gründerinnen in der Start-up-Szene die ganzen Fördergelder wegschnappen?

(Lacht.) Naja, vielleicht haben wir eins gemacht, weil wir dachten, dass das einfacher ist. Nein, Spass: Mich nervt es, dass beim klassischen Investieren oft diejenigen das meiste Geld bekommen, die am lautesten schreien und sich am besten verkaufen. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie die besten Ideen haben. Das betrifft aber Frauen wie Männer.

Was sind deine Beauty-Tipps für stressige Zeiten?

(Überlegt) Um ganz ehrlich zu sein: Ich bin zwar CEO einer Kleidermarke, aber ich lege keinen grossen Wert auf mein Äusseres. Aber viel Schlaf ist sicher wichtig! Und wahrscheinlich würde es sich lohnen, jeden Tag Sonnencreme aufzutragen, damit man weniger Falten bekommt. Aber das mache ich nicht (lacht).

Du hast vorher bereits erwähnt, dass deine Frau auch bei Nikin arbeitet. Wie hältst du ihr den Rücken frei?

Diese Frage hat mir bisher noch niemand gestellt. Ich glaube, ich unterstütze sie sehr gut darin, dass sie sich in ihren stärksten Bereichen weiterentwickeln kann. Etwa im Bereich Finanzen – sie macht sie bei Nikin und bei uns daheim.

Aha? Also bestätigst du das Klischee, dass Männer keine Ahnung von Geld haben?

Naja, ich habe mich ehrlich gesagt tatsächlich nie gross für das Thema interessiert. Also gebe ich diese Aufgaben lieber an jemanden ab, der Lust darauf hat und sich damit auskennt.

Du als Boy Boss, hast du dich bewusst gegen Kinder entschieden?

(Grinst.) Das hat eher damit zu tun, dass ich bei der Gründung von Nikin noch sehr jung war. Aber Kinder waren schon immer ein Thema für mich, das ist auch immer noch so.

Als berufstätiger Mann? Und bist du nicht schon ein bisschen alt dafür?

Haha. Meine Frau und ich sind kürzlich in eine grössere Wohnung gezogen, es kann also gut sein, dass wir in den nächsten Jahren zu dritt sein werden. Und ich habe durch Gespräche mit anderen Eltern gelernt, dass es so etwas wie das perfekte Alter für Kinder sowieso nicht gibt.