Weizenprodukte, Pflanzenöl, Erdgas oder Batterien – in den letzten Monaten sind die Preise vieler Alltagsprodukte stark angestiegen. Diverse Länder melden in den vergangenen Monaten rekordhohe Inflationsraten. In den USA lag die Inflation im März bei 8.5 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit 1981. Für Konsument:innen bedeutet dies, dass sie sich mit demselben Einkommen weniger leisten können als früher.

Zwei Faktoren treiben Inflation

Isabel Martínez ist Ökonomin an der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH. Sie erkennt zwei Haupttreiber für die derzeitige Inflation: «Zum einen hat sich die Weltwirtschaft noch immer nicht von den pandemiebedingten Lieferengpässen erholt. Während Konsument:innen in der Coronapandemie mehr Geld für Güter anstelle von Dienstleistungen ausgegeben haben, gab es insbesondere in asiatischen Ländern längere Produktionsstopps. Dies hat bereits im vergangenen Jahr die Inflation in manchen Ländern in die Höhe getrieben.» Der globale Güterstrom funktioniert bis heute nicht reibungslos, dies zeigen die Rückstaus an Frachthäfen.

Der Krieg in der Ukraine sei der zweite Treiber für die Inflation, so Martínez. «Der Krieg in der Ukraine hat die Energiepreise, insbesondere die Erdgas- und Ölpreise, stark ansteigen lassen. Dies wiederum hat einen sekundären Effekt auf alle anderen Güter, deren Herstellungsprozesse und Transporte Energie benötigen.» Russland und die Ukraine sind nicht nur Energielieferanten, sondern auch wichtige Exporteure von Getreide, Pflanzenölen, Gerste und Mais. Wegen der erwarteten Ernteausfälle in der Ukraine sind deshalb auch diese Grundnahrungsmittel von der Teuerung betroffen.

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Betroffenheit hängt von individuellen Warenkörben ab

Die Teuerung wird anhand eines fiktiven Warenkorbs gemessen. Dazu werden diejenigen Güter und Dienstleistungen, die ein Durchschnittshaushalt monatlich konsumiert, in einen Warenkorb gelegt und mit Preisen versehen. Eine Inflationsrate von 2.5 Prozent bedeutet folglich, dass sich der Preis des gesamten Warenkorbs innerhalb eines Jahres um 2.5 Prozent verteuert hat.

Isabel Martínez
Fakt ist, dass ärmere Haushalte anteilsmässig viel mehr von ihrem Einkommen fürs Wohnen und für Lebensmittel ausgeben. Wenn also die Energie-, Miet- und Lebensmittelpreise ansteigen, sind ärmere Haushalte deutlich stärker betroffen von der Inflation.

Solche durchschnittlichen Angaben sind jedoch nicht immer aussagekräftig, erklärt Ökonomin Martínez: «Im Endeffekt bestimmen die individuellen Warenkörbe, wie Konsument:innen die Teuerung wahrnehmen. Fakt ist, dass ärmere Haushalte anteilsmässig viel mehr von ihrem Einkommen fürs Wohnen und für Lebensmittel ausgeben. Wenn also die Energie-, Miet- und Lebensmittelpreise ansteigen, sind ärmere Haushalte deutlich stärker betroffen von der Inflation.» Eine Studie aus Grossbritannien zeigt, dass die Inflationsrate für den ärmeren Teil der Bevölkerung doppelt so hoch ist wie für einkommensstarke Haushalte.

Inflation verstärkt aber nicht nur soziale Ungleichheiten innerhalb von Ländern, sondern auch auf globaler Ebene. So zeigen die Diskussionen am Weltwirtschaftsforum (WEF) vergangene Woche, dass vor allem Länder im globalen Süden besorgt auf die steigenden Inflationsraten blicken. Ihnen drohen unter Umständen Hungersnöte aufgrund der steigenden Nahrungsmittelpreise.

Vermögen kompensiert aktuelle Teuerung

Isabel Martínez sieht im Zusammenhang mit der Inflation noch einen anderen Faktor, der die soziale Ungleichheit potenziell erhöht. «Wir haben in den vergangenen Jahren noch eine andere Art von Inflation erlebt, nämlich eine sogenannte Vermögenspreisinflation. Das heisst, Vermögenswerte wie Immobilien und Wertpapiere haben sehr stark an Wert zugelegt, im Vergleich zu anderen Preisen und Löhnen.» Das heisst: Vermögende Menschen sind besser gegen die aktuelle Teuerung von Alltagsgütern geschützt als jene, die keine Wertanlagen besitzen.

Isabel Martínez
Wir haben in den vergangenen Jahren noch eine andere Art von Inflation erlebt, nämlich eine sogenannte Vermögenspreisinflation. Das heisst, Vermögenswerte wie Immobilien und Wertpapiere haben sehr stark an Wert zugelegt, im Vergleich zu anderen Preisen und Löhnen.

Viele Immobilienbesitzer profitieren von der steigenden Inflationsrate zusätzlich, weil auch die Schulden nominell an Wert verlieren. Die Ökonomin konkretisiert: «Da die meisten Käufer:innen von Immobilien Hypothekarschulden aufgenommen haben, hat die höhere Inflationsrate für sie momentan Vorteile. Sollte jedoch die Nationalbank die Zinsen künftig anheben, würden auch die Hypothekarzinsen steigen. Das könnte im Einzelfall Hausbesitzer:innen in Zahlungsnot bringen.»

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Alleinerziehende und Teilzeitarbeitende trifft Inflation am härtesten

Die genannten Gründe lassen schliessen, dass vor allem einkommensschwache Haushalte ohne Vermögen am meisten unter der Teuerung leiden. Ein Blick auf Deutschland zeigt, dass die steigende Teuerung Alleinerziehende am stärksten trifft, die mit Teilzeitlöhnen hohe Kosten für Mieten, Lebensmittel und Heizen decken. Der Bundestag hat deshalb bereits über steuerliche Entlastungsbeiträge für Alleinerziehende sowie Kinderboni beschlossen.

Isabel Martínez
Da Energiepreise normalerweise schon im Vorjahr festgelegt werden, waren die Preissteigerungen bisher gering. Im kommenden Jahr werden deshalb viele Haushaltsbudgets zusätzlich von höheren Heizkosten belastet.

Auch in der Schweiz machen sich die Preissteigerungen vor allem bei Familien, die am Existenzminimum leben, bereits bemerkbar. Da die Sozialhilfeleistungen knapp berechnet sind, fallen bereits kleine Preissteigerungen bei den Lebensmitteln ins Gewicht. Martínez befürchtet, dass sich die Problematik im nächsten Jahr noch verstärken wird: «Da Energiepreise normalerweise schon im Vorjahr festgelegt werden, waren die Preissteigerungen bisher gering. Im kommenden Jahr werden deshalb viele Haushaltsbudgets zusätzlich von höheren Heizkosten belastet.» Die höheren Ausgaben fürs Heizen können kaum umgangen werden. Für Familien am Existenzminimum bedeutet dies weitere Einsparungen bei den Lebensmitteln und anderen Alltagsprodukten.

Die Caritas fordert deshalb bereits heute, dass die Armutsprävention ausgebaut wird. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf Familien gelegt werden. Die Caritas schreibt: «In Familien zu investieren bedeutet, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit zu erleichtern. Zudem können Ergänzungsleistungen die finanzielle Situation von vielen Familien mit wenig Geld nachhaltig verbessern.»