Eine Ökonomin, eine Designerin und eine Anwältin haben die männerdominierte Schweizer Finanzbranche seit der Gründung 2021 aufgerüttelt. Sowohl im In- als auch im Ausland wächst die Community täglich. #CloseTheGaps – «Schliesst die Lücken» prangt weiss auf schwarz in starken handschriftlichen Lettern auf dem Absperrband, das um einen monströsen Zentaur geschlungen ist. Eingewickelt haben ihn die drei Gründerinnen von ellexx: Simone Züger, Nadine Jürgensen und Patrizia Laeri. Mit dem Band sperrt ellexx seit der Gründung 2021 Orte ab, wo Missverhältnisse zwischen den Geschlechtern offenkundig sind: Seien dies Statuen, Strassenschilder, Banken, Bühnen oder der Paradeplatz, das Symbol der alten Hochfinanz der Schweiz. #CloseTheGaps ist zugleich Vision als auch Mission des wohl rebellischsten Fintechs der neuen Finanzwelt, ellexx.

Foto: Jonas Weibel

Im dem Land, das sogar erst nach Afghanistan das Frauenstimmrecht eingeführt hat und in dem Frauen erst seit 35 Jahren ohne Zustimmung des Ehemannes ein Bankkonto eröffnen können, gibt es für das junge Unternehmen besonders viel abzusperren. Tatsächlich können sich in einem der reichsten Länder der Welt 56 Prozent der Frauen nicht alleine finanziell über Wasser halten. Das will ellexx ändern.

Patrizia Laeri, Co-Founderin elleXX
Ich kommentierte jahrelang die Börse, sah Männer investieren und von den langfristig guten Renditen profitieren. Doch wo blieben die Frauen? Mir fiel auf, dass die Finanzwelt Frauen überhaupt nicht anspricht.

Das Absperrband ist aber nicht nur Symbol und Mission des Unternehmens, sondern auch eine visuelle Kampagne. Seit der Gründung lichten sich von Kindern bis Grosseltern diverse Menschen mit dem einprägsamen Band ab oder wickeln Symbole für die finanziellen Lücken ein. ellexx war von Anfang mehr als nur ein Start-up, es war immer auch eine Bewegung. Kaum ein Unternehmen hat seine Vision wohl so plakativ und für alle Menschen verständlich auf einen Punkt gebracht – auch weil mit Simone Züger eine Designerin im Gründungsteam herkömmliches Denken herausfordert, hinterfragt, kreiert und innoviert. «Mich interessiert insbesondere die Übertragung von Emotionen in den digitalen Raum», sagt Züger. Nicht viele Unternehmen haben den Mut, Kunst und Design auch auf der Chefetage zu zelebrieren. Kunst ist für das Fintech transformatorische Kraft. Und gerade die Finanzwelt muss sich dringend neu erfinden. Dank der Macht des Designs und der starken Kommunikationsstrategie hat ellexx innerhalb nur weniger Monate mit einem kleinen Budget die grösste organisch gewachsene Community für Frauen und Finanzen des Landes aufgebaut (und nebenbei die mit Millionenbudgets aufgebauten Followerzahlen von Banken locker überholt).

Foto: Jonas Weibel

ellexx – Finance made with love

Wer sich das Unternehmen genauer anschaut, dem fällt sofort auf: Alles, was das junge Start-up unternimmt, macht es anders als andere. Es räumt mit unverständlichem Finanzjargon auf, macht komplexe Inhalte für alle zugänglich, zerrt unliebsame Zahlen, Daten und Missstände ans Licht. ellexx erklärt und rüttelt auf und bildet Tausende von Menschen auf Augenhöhe finanziell weiter. Das Fintech bietet aber auch unabhängige Vermögensberatung mit Herzblut – von Frauen für Frauen, die beispielsweise erfolgreich günstige ETF-Sparpläne anbieten. ellexx hat zudem ein Aktienprodukt lanciert, das auf Gleichstellung fokussiert. Es ist das erste seiner Art unter den 40’000 in der Schweiz zugelassenen strukturierten Anlageprodukten.

Ist ellexx also eine einzige Erfolgsgeschichte? Nein. Im Gegenteil. Seit 2017 drehte bei der mehrfach preisgekrönten Wirtschaftsjournalistin und Ökonomin Patrizia Laeri die Idee für ellexx. «Ich kommentierte jahrelang die Börse, sah Männer investieren und von den langfristig guten Renditen profitieren. Doch wo blieben die Frauen? Mir fiel auf, dass die Finanzwelt Frauen überhaupt nicht anspricht.» Sie unterhielt sich mit ersten möglichen Investoren und blitzte brutal ab. «Frauen und Finanzen? Das interessiert keinen Menschen», hiess es von allen Seiten und: «Das braucht niemand.»

«Das braucht niemand»

Als Laeri 2019 die Designerin Simone Züger und Juristin Nadine Jürgensen einweihte, verstanden beide sofort die Idee, sahen das enorme Potenzial des Businessplans und stiegen ein. Auch Jürgensen und Züger beschäftigen die Ungleichheiten, mit denen sich Frauen ihr Leben lang konfrontiert sehen, bereits seit vielen Jahren. Als Anwältin und Journalistin widmete sich Jürgensen in ihrer Berichterstattung den rechtlichen und politischen Ungleichheiten, vor allem im Bereich der Vorsorge. Immer wieder stellte sie fest: «Frauen in der Schweiz haben 35 Prozent weniger Rente. Warum? Weil sie Care-Arbeit leisten, die nicht in die Vorsorge einzahlt. Altersarmut ist weiblich, und die Frauen realisieren leider oft erst zu spät, dass sie sich um ihre Finanzen kümmern sollten» Züger beschäftigte sich als Unternehmerin ebenfalls bereits mit diesem Thema. Gleichzeitig merkte sie, dass die Tonalität und das Design in der Finanzwelt Frauen gar nicht ansprechen: «Das wollte ich ändern. Denn es ist zentral, dass die Geldwelt Frauen anspricht, sonst wird es schwierig, Gleichstellung zu erreichen.»

Und so machten sich die drei an die Arbeit. Züger designte das erste visionäre Pitch Deck, eine Präsentation, die immer noch im Einsatz ist. Trotzdem kassierten sie weitere Neins. Politikjournalistin Jürgensen erinnert sich, wie das Trio einmal mehr von einem möglichen Business Angel ausgelacht wurde und sie in diesem Moment aus der Wut erst recht Kraft schöpfte. Laeri grinst: «Letztlich haben wir wohl über die Jahre so lange nicht locker gelassen, bis unsere Investor:innen endlich eingesehen haben, dass wir verrückt genug sind, es so oder so durchzuziehen.» Erst eineinhalb Jahre später nahm das Unternehmen aber Fahrt auf. Die Gründerinnen arbeiteten fast rund um die Uhr, entwickelten die Pläne weiter, bauten an der Plattform und stellten ihr Vorhaben weiteren potenziellen Investor:innen vor.

Tech for Good

Es waren letztlich junge Tech-Unternehmen, die ellexx zum Durchbruch verhalfen. Die Gründerinnen stellten ihre Plattform-Idee verschiedenen Anbieter:innen vor. Zwei Unternehmen meldeten sich sofort und offerierten Code for Equity-Angebote: Programmieren im Austausch gegen Aktien. «Sie sahen das Potenzial, aber vor allem auch die wichtige gesellschaftliche Wirkung und die Kraft des digitalen Wandels in der Finanzwelt», blickt Jürgensen zurück.

Trotz diverser Absagen erreichten die drei Pionierinnen mit Hilfe des innovativen Tech-Unternehmens Liip ihr Ziel: Am 20. Oktober 2021 ging ellexx live – die erste Medien- und Finanzplattform in der Schweiz, von Frauen für Frauen.

Nadine Jürgensen, Co-Founderin elleXX
In unserem Memberbereich finden sich Checklisten zu Themen wie Selbstständigkeit, Erbschaft oder Partnerschaft. Und für unsere Members bieten wir jeden Monat Coachings in ganz unterschiedlichen Bereichen – vom Familienrecht übers Investieren bis hin zu den Steuern

Was ist ellexx?

ellexx ist eine Finanz-Plattform, die aus drei wichtigen Pfeilern besteht: Information, Finanzbildung und Finanzlösungen. Da ist zum einen die Medienplattform. Hier schreibt eine unabhängige  Redaktion über Aktualitäten und Hintergründe rund um Frauen, Finanzen und Gleichstellung. Sie gibt Themen Platz, die andere Medien nur am Rande erwähnen, greift Probleme auf, von denen viele Frauen betroffen sind, über die aber nur selten öffentlich gesprochen wird, und bietet Leser:innen einen Service, indem sie komplexe Inhalte rund um Finanzen und Vorsorge simpel erklärt.

Was bietet die ellexx Membership?

Die Membership von ellexx bietet jeden Monat Coachings an in ganz unterschiedlichen Bereichen – vom Familienrecht übers Investieren bis hin zu den Steuern. Zudem finden sich im Memberbereich Checklisten zu Themen wie Investieren, Selbstständigkeit, Erbschaft oder Partnerschaft.  In ihrer webbasierten App bietet ellexx zahlreiche praktische Soforthilfen fürs Finanzleben, darunter Videos und Artikel zu zahlreichen Themen rund um Finanzen und Geld.

Welche Finanzprodukte bietet ellexx an?

ellexx bietet konkrete verschiedene Finanzlösungen, darunter eine Säule 3a, ein Aktienprodukt, eine Rechtsschutzversicherung und eine Krankenzusatzversicherung für Frauen. Mehr zur Säule 3a, die sie in Zusammenarbeit mit der Bank Vontobel anbietet – die einzige Schweizer Bank, deren grösste Anteilseignerin eine Frau ist gibt es hier. Zudem bietet ellexx ein chancengerechtes Aktienprodukt, das gemeinsam mit der Migrosbank entwickelt wurde, einer Bank, die Boni abgeschafft hat und gegen den Abzocker-Geist einsteht.

ellexx hat zudem gemeinsam mit der CAP, eine Tochtergesellschaft der Allianz, eine Produkte-Innovation auf den Markt gebracht: «Die Rechtsschutzversicherung ist unter anderem spezialisiert auf Mobbing, Sexismus oder Lohnungleichheit – Themen aus dem Gleichstellungsgesetz, die nach wie vor häufig oder vor allem Frauen treffen», führt die Juristin Jürgensen aus. Zudem gibt es eine Deckung bei einer gerichtlichen Scheidung bis 15'000 Franken – was es zuvor in der Schweiz noch nicht gab. Zudem kooperiert ellexx mit Groupe Mutuel für die Krankenzusatzversicherung Optimum – eine Zusatzversicherung, die den Bedürfnissen von Frauen enspricht, etwa bei der Prävention oder der Geburt.

Bei allen Produkten ist ellexx nahe dran an den Bedürfnissen der Frauen. «Investieren ist ein wirksames Instrument, um die Welt zu formen – im Guten wie im Schlechten. Geld soll eine Kraft fürs Gute sein. Investitionen sollen der Mehrheit der Menschen zugutekommen. Wer Geld hat, hat die Macht, es auch dahin zu leiten, wo es Wirkung erzielt», fasst Laeri zusammen und ergänzt: «Mit allem, was wir bei ellexx tun, stärken wir das S von ESG: das Social Investing.» Damit sind die investigativen Inhalte über Gender Gaps,  die Finanzprodukte, Kurse oder die unabhängige Vermögensberatung gemeint. Jürgensen ergänzt: «Wir wollen, dass mehr Geld, Investitionen und Aufmerksamkeit in Produkte, Firmen und Führungskräfte fliessen, die chancengleichere, fairere Arbeitsplätze sowie Vielfalt und Inklusion berücksichtigen. Es geht uns darum, dass wir in Zukunft alle sozialer und nachhaltiger wirtschaften.»

Warum gibt es Kritik an ellexx?

ellexx ist ein Beispiel dafür, dass sich mit negativer und sexistischer Berichterstattung auf Blogportalen viele Klicks generieren lassen – mit qualitativem Journalismus hat dies jedoch nichts zu tun. Oftmals werden die besten Argumente von ellexx einfach nicht publiziert. Gründerinnen werden allgemein kritischer beäugt und bewertet als Gründer – besonders, wenn diese sich in eine ehemalige Männerdomäne vorwagen. Ein paar Beispiele an Kommentaren: «Einfach nur lächerlich, wenn die hübschen Damen meinen, sie könnten die Männer nachmachen», «bei diesen Frauen kommt nichts auf Touren», «gutes Aussehen scheint wichtiger als Wissen». Solche und weitaus deftigere Kommentare finden sich in den Medien, auf Social-Media-Plattformen oder Google Ratings. Das Start-up lässt sich aber nicht alles gefallen, was geschrieben wird. Bereits kurz nach der Gründung ging das Unternehmen rechtlich gegen sexistische Berichterstattung vor. Das Start-up hat sich damit stellvertretend für alle Frauen gewehrt und schliesslich Recht bekommen. Dadurch wurde ein Präzedenzfall geschaffen. Es zeigt aber auch, dass ellexx den Finger auf einen wunden Punkt legt. Ein Ansporn für das Team, mit der wichtigen Arbeit fortzufahren und Frauen finanziell zu stärken.

Simone Züger, Co-Founderin elleXX
Wir wollen dazu beitragen, möglichst viele finanzielle Lücken im Leben von Frauen zu schliessen oder zumindest die Gaps zu verkleinern.

Die Finanzwelt unserer Kinder bauen

Trotz Gegenwind haben sich das Team, die Produkte und Dienstleistungen seit der Gründung von ellexx ständig weiterentwickelt und haben Kurs gehalten. Im September 2022 hat ellexx unter der Leitung von Züger das ellexx NFT-Lab lanciert. «Als Designerin befasse ich mich gerne mit Innovationen, die die Zukunft unserer Finanzwelt grundlegend verändern könnten. In diesem Sinne ist es uns wichtig, dass wir nicht nur über diese Themen berichten, sondern auch einen Raum schaffen, um mit digitalen Assets zu experimentieren», führt die Innovationschefin aus.

Die Community ist für die ellexx-Gründerinnen das Herz des Unternehmens. Auf Wunsch der Nutzer:innen hat das Fintech kürzlich auch eine unabhängige Vermögensberatung lanciert, von Frauen für Frauen. Die beiden unabhängigen Vermögensberaterinnen Edith Aldewereld und Bente Roth stärken Frauen finanziell, gehen auf ihre nicht linearen Lebensläufe und Herausforderungen ein und informieren in persönlichen Gesprächen zu Themen wie ETF, Investieren und Vorsorge. Sie bieten das, was Banken nicht bieten können – oder wollen.

Teil der Lösung sein

Die Ergebnisse können sich nach nur eineinhalb Jahren am Markt bereits sehen lassen. Die verwalteten Vermögen sind auf mehrere Millionen angewachsen. Die ellexx Community ist auf mehr als 35'000 User:innen gestiegen, die Website wurde schon von 200’000 Menschen besucht, wichtige Inhalte haben bis zu einer halben Million Reichweite und Tausende Menschen sind finanziell weitergebildet worden. ellexx und die Gründerinnen wurden bereits mehrfach ausgezeichnet. Die Plattform gewann 2022 in zwei Kategorien des Best of Swiss Web Awards. ellexx und die Verdienste der Gründerinnen wurden 2022 aber auch mit dem Swiss Diversity Award und dem Preis «Schweizer Journalist:in des Jahres in der Kategorie Wirtschaftsjournalismus» ausgezeichnet.

Für die drei Gründerinnen ist klar: Auch wenn sie schon viel erreicht haben, gibt es noch viel mehr zu tun. «Wir wollen dazu beitragen, möglichst viele finanzielle Lücken im Leben von Frauen zu schliessen oder zumindest die Gaps zu verkleinern», sagt Züger. Und da Geld eine der letzten Frontlinien im Bereich der Gleichstellung ist, wird ellexx auch weiter daran arbeiten, die Finanzwelt aufzumischen und Frauen zugänglich zu machen – als Teil der Lösung.