Gerade noch fühlte ich mich wie Carrie Bradshaw, als ich meiner Freundin beim Kaffee erzählte, dass ich gleich meine Kolumne schreiben werde. «Worüber denn?» – «Über Steuern.» Ihr Gesichtsausdruck spricht Bände. Oh. Sexy.
Ich verstehe sie, mir geht es ja auch so: Die Steuererklärung schiebe ich dank Verlängerungsantrag seit Wochen vor mir her. Also versuche ich es noch einmal bei meiner Freundin: «Ich schreibe darüber, dass das Private politisch ist und wir in der Politik eine Abkehr vom gutbürgerlichen Ideal der Einverdiener-Ehe des letzten Jahrhunderts brauchen!»
Die Ungleichheit beginnt tatsächlich mit der aufgeschobenen Steuererklärung. Wenn ich meinen Partner morgen fragen würde, ob wir heiraten, könnte ich im nächsten Jahr um das schlechte Gewissen herumkommen. Denn in diesem Fall wird mein Steuerkonto als Frau geschlossen und das Konto des Ehemannes wird zum Familienkonto.
Klingt es auf den ersten Blick verlockend, dem Partner die Steuererklärung in die Schuhe schieben zu können, so befremdet es doch gleichzeitig sehr, dass im Jahr 2025 mein Wohnkanton offenbar der Meinung ist, Steuern seien Männersache. Haben wir es hier mit einem «Überbleibsel aus alten Zeiten» zu tun?
In der Politik wird seit Längerem verhandelt, die jetzige Familienbesteuerung durch eine Individualbesteuerung zu ersetzen. Die Idee erscheint als No-brainer: Jede Person wird gleich behandelt, egal wer sie ist und wie sie ihr Leben leben möchte. Besteuert wird nach individuellem finanziellem Leistungsvermögen. Diese Sichtweise wird mitnichten von allen geteilt. Im vergangenen Jahr entfachten sich hitzige Debatten im Bundeshaus, zuletzt hiess der Ständerat eine abgeschwächte Version des Gesetzes zur Individualbesteuerung gut.
Gleichstellung aller Lebensmodelle? Offenbar ein Graus für viele Parlamentarier:innen, die das aktuelle System, in dem die Ehe als zentrale Institution die Besteuerung von Einkommen bestimmt, nicht aufgeben wollen.
Heute gilt, vereinfacht gesagt: Paare, bei denen beide Partner:innen gleich viel verdienen, zahlen aufgrund der Progression höhere Steuern, sobald sie heiraten. Eine gut verdienende Person, die eine nicht erwerbstätige Person heiratet, zahlt aufgrund des Verheiratetentarifs weniger Steuern als zuvor.
Die «Heiratsstrafe» ist also vor allem eine «Gleichstellungsstrafe». Die Verliererinnen sind häufig verheiratete Mütter, die Care-Arbeit und Erwerbsarbeit mit dem Partner teilen möchten. Möchte eine Frau mit kleinen Kindern wieder in den Beruf einsteigen oder ihr Pensum erhöhen, wird ihr Einkommen relativ hoch besteuert, da es zum existierenden Einkommen des Partners hinzugerechnet wird und durch die Progression ein höherer Steuersatz anfällt. Dies vermindert den Anreiz für Frauen, (mehr) erwerbstätig zu sein – zusätzlich zur Doppelbelastung und den hohen Kosten der externen Kinderbetreuung.
Eine Individualbesteuerung würde diesen Missstand korrigieren, indem die Einkommen von Ehepartner:innen getrennt besteuert würden. Seit das Bundesgericht im Jahr 1984 urteilte, dass die ungleiche Besteuerung nach Zivilstand nicht verfassungsgemäss sei, haben die Kantone ihre Steuersysteme angepasst. Dies geschieht über verschiedene Tarife (z.B. Verheiratetentarife) oder Abzüge (z.B. für Kinder). Grössere Veränderungen bei der Verteilung der Steuerbeiträge würden also vor allem bei der Bundessteuer anfallen, die einen kleineren Teil unserer jährlichen Steuerzahlungen ausmacht. Auch trifft die ungleiche Besteuerung vor allem Gutverdiener:innen-Ehen.
Bei der Reform des Steuersystems geht es also nicht nur um die Verteilung von Geld. Vielleicht ist die ökonomische Frage einer effizienten und gerechten Besteuerung von Einkommen noch nicht einmal die primäre Motivation in der hitzigen Debatte. Stattdessen sehen einige Gegner:innen der Reform eine Gleichstellung von Lebensmodellen offenbar als «Steuerstrafe für Einverdiener-Ehepaare». Wenn man sehr daran gewöhnt ist, privilegiert zu werden, kann Gleichstellung scheinbar als Benachteiligung empfunden werden. Es zeigt sich hier ein Clash der Lebensvorstellungen im Land. Eine «Revolution» nennen es die einen, gar eine «Schnapsidee» die anderen.
Ich nenne es eine längst überfällige Anpassung der Gesetze an die heutigen Lebensrealitäten.
Meine Meinung ist klar: Bestehende Ungleichbehandlungen bei der Besteuerung von Einkommen je nach Familienstand gehören abgeschafft. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, zu bewerten, wie ich mein Leben gestalte. Ob, wie, wann, wo und wen ich mich entscheide zu heiraten, ist meine private Entscheidung. Wie viel ich mit meinen Steuern zu den Staatseinnahmen beitrage, sollte nicht davon abhängen.
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