Das Taschengeldmodell, so wie wir es kennen, wurde von Frau Sidonie Matsner Gruenberg bereits im Jahr 1912 in den USA erfunden. Sie hat es in ihrem Buch «Your Child Today and Tomorrow» vorgestellt: Kinder erhalten wöchentlich oder monatlich einen festen Betrag «allowance» (Deutsch: Zuschuss, Freibetrag), den sie nach Belieben ausgeben können. Sparen ist dabei kein Muss. Diese Grundregeln halten sich bis heute.

Simone Hoffmann
Für mich stellt sich die Frage, ob das traditionelle Taschengeldmodell unseren Kindern im Jahr 2024 noch ausreichende finanzielle Fähigkeiten vermittelt.

Nun hat sich seit 1912 aber vieles gravierend verändert: Dank des Internets und der 24/7-Online-Shopping-Möglichkeiten war es noch nie so einfach wie heute, Unsummen an Geld mit einem «Klick» loszuwerden. Ich muss noch nicht mal für diesen Kauf gespart haben. Bequem kann ich die Ratenzahlung oder meine Kreditkarte nutzen. Ein Leben finanziert «auf Pump». Solche Möglichkeiten gab es 1912 nicht.

Für mich stellt sich die Frage,  ob das traditionelle Taschengeldmodell unseren Kindern im Jahr 2024 noch ausreichende finanzielle Fähigkeiten vermittelt. Meine These: Wenn Kinder nur lernen, dass das Taschengeld zum Ausgeben da ist, werden sie das auch mit ihrem ersten Lohn machen. Spätestens im Erwachsenenleben kann diese «rein wie raus»-Thematik zum Verhängnis werden, und unsere Kinder können schneller Geldprobleme bekommen, als uns lieb ist.

In unserer Konsumwelt ist es keine Selbstverständlichkeit, dass unsere Kinder den guten Umgang mit Geld lernen. Es braucht Anleitung und Übung. Wenn ich Aussagen höre, wie: «Kinder lernen den guten Umgang mit Geld später automatisch» oder «Kinder müssen beim Umgang mit Geld auch negative Erfahrungen machen», vergleiche ich diese Aussagen gerne mit den Strassenverkehrsregeln. Ob Kinder hier die richtigen Regeln auch erst später lernen und dabei negative Erfahrungen machen müssen? Wohl kaum. Finanzkompetenz ist eine der wichtigsten Schlüsselkompetenzen, die wir im Leben brauchen. Ein angepasster Taschengeld-Standard ist folglich mehr als überfällig.

Simone Hoffmann
Finanzkompetenz ist eine der wichtigsten Schlüsselkompetenzen, die wir im Leben brauchen. Ein angepasster Taschengeld-Standard ist folglich mehr als überfällig.

In unserer Familie haben wir ein Sackgeld-Modell etabliert, welches alle Facetten des guten und modernen Geldmanagements abdeckt. Mein Sohn hat sein Portemonnaie und drei Spardosen: Sparen, Spenden, Investieren. Das Konzept ist simpel, aber wirkungsvoll. Er bekommt wöchentlich fünf Franken Sackgeld in Form diverser Münzen. Diese teilt er wie folgt auf alle «Töpfe» auf: Ein Franken und fünfzig Rappen kommen in die «Sparen»-Dose für einen ganz bestimmten Wunsch. Der Gedanke dahinter ist: Wer später Vermögen aufbauen möchte, muss sparen können. Durch regelmässiges Spenden  lernt er, wie wichtig es ist, anderen zu helfen und etwas zurückzugeben. Hierfür landen fünfzig Rappen in der «Spenden»-Dose. Die «Investieren»-Dose vermittelt, dass sich Geld vermehren kann (aktuell noch in Form eines von mir gezahlten Zinses).  Er lernt so, dass es wichtig ist, heute schon an morgen zu denken. Hierfür wendet er einen Franken auf. Die restlichen zwei Franken kann er für kleinere Vergnügen wie zum Beispiel Sammelkarten verwenden.

Simone Hoffmann
Es geht darum, früh gute Geldgewohnheiten zu etablieren, die in «Fleisch und Blut» übergehen und die unsere Kinder im späteren Alter beibehalten können.

Warum ich ein grosser Fan dieses Modells bin?

1. Finanzielle Bildung von Anfang an: Geld bei Erhalt klug aufzuteilen und zu verwalten ist das Fundament des guten Geldmanagements. Finanzielle Bildung ist ein Marathon, kein Sprint.

2. Verantwortungsbewusstsein und Empathie: Durch Spenden lernen Kinder, dass sie mit Geld auch viel Gutes bewirken können. Das fördert eine positive Grundeinstellung zu Geld.

3. Langfristige Planung: Das Konzept des Investierens mag für Kinder zunächst abstrakt erscheinen.  Wenn sie ihr Geld aber mal investieren, sei es in ein Sparkonto, in ein Depot oder in ein kleines Unternehmen wie einen Sirup-Stand, lernen sie die Wichtigkeit der langfristigen Planung, des Zinseszinses, der Geldvermehrung sowie den Zusammenhang von Risiko und Rendite kennen.

4. Prävention vor Verschuldung: Wenn Kinder früh lernen, dass Sparen Spass machen kann und keinen Verzicht bedeutet, sinkt das Risiko einer späteren Verschuldung.

5. Lebenslanges Finanzmanagement: Es geht darum, früh gute Geldgewohnheiten zu etablieren, die  in «Fleisch und Blut» übergehen und die unsere Kinder im späteren Alter beibehalten können. Somit sind sie für ihren finanziellen Erfolg im Erwachsenenalter gut aufgestellt.

Also, warum nicht heute schon damit beginnen? Es liegt in unserer Verantwortung, unsere Kinder auf ein finanziell erfolgreiches und erfülltes Leben vorzubereiten. Das traditionelle Taschengeldmodell mag einfach erscheinen, aber um unsere Kinder finanzfit für ihre Zukunft zu machen, braucht es heutzutage mehr als die Regeln von 1912.