Schulden. Allein das Wort klingt wie ein halbes Verbrechen oder volles Versagen. Das Deutsche geht mit Schulden härter ins Gericht als andere Sprachen: Mit Schuld-en lädst du dir «Schuld» auf. Es unterscheidet erst gar nicht zwischen finanzieller Schuld «debt» und moralischer Schuld «guilt». Unsere Köpfe assoziieren Schulden zwangsweise mit biblischen Bildern: verkaufte, arme Seelen, ewige Abhängigkeit und oft schwingt die Sünde mit.
Auch in meinem Zuhause war klar: Schulden sind des Teufels. «Schulden» begleiten mich unheilschwanger eigentlich schon von Geburt an, da meinen Vater während meiner Niederkunft bereits furchtbare Alpträume plagten. Und Schulden spielten dabei die Hauptrolle. So träumte es ihm, dass er sich erstmals in seinem Leben verschulden musste, weil er mich ohne das geliehene Geld nicht hätte verheiraten können. Müssig zu erwähnen, dass er danach jeweils schweissgebadet erwachte. So unterhaltsam sie später wiedergegeben wurde, so hartnäckig sollte mich diese Anekdote zeitlebens verfolgen. Und auch mein Verhältnis zu Schulden ruinieren.
Es kostete mich 40 Jahre, mich zu verschulden. Zuerst für ein Haus und dann für den Aufbau einer Firma, Technologie und Arbeitsplätze. Rückblickend kann ich indes sagen, dass ich erst wohlhabend geworden bin, nachdem ich mich verschuldet habe. Schulden sind nämlich nicht gleich Schulden. Es gibt gute Schulden und schlechte Schulden. Das Problem ist vielmehr, dass die meisten Menschen alle Schulden in den gleichen Topf werfen. Weil es an Finanzbildung mangelt.
So spielt es eine grosse Rolle, wofür man sich verschuldet. Verschuldest du dich für kurzfristigen Konsum oder für langfristige Investitionen?
Konsumschulden sind kurzfristig und oft gar ruinös. Ein neues iPhone auf Raten, ein Kredit für Ferien oder überzogene Kreditkarten. Die Zinsen sind hoch, die Rückzahlung belastet, der Gegenwert liegt schnell bei Null. Das sind tatsächlich «schlechte» Schulden – weil sie Werte finanzieren, die flugs an Wert verlieren.
Ganz anders aber wirken Investitionsschulden. Sie sind langfristig, nachhaltig und zukunftsorientiert. Sie schöpfen Wert. Das ist ein Studienkredit, der zu höherem Einkommen führt. Ein Unternehmenskredit, der Innovation und Jobs schafft. Oder eine Hypothek für ein Haus, das wertvoller wird. Hier wirken die Schulden wie ein Hebel. Mit fremdem Geld baust du dir ein Vermögen auf.
Was sich im Kleinen zeigt, spiegelt sich auch im Grossen. Die OECD spricht bei Investitionsschulden von produktiven Schulden. Ihre Daten zeigen: Länder mit höheren produktiven Krediten wachsen langfristig stärker. Produktiv eingesetztes geliehenes Geld steigert das Wachstum mehr als die Schulden. Ohne Investitionsschulden gäbe es kein Schienennetz, keinen Strom, keine Glasfaser, keine Bildung, keine Spitäler, keine Start-ups, keine Innovation und damit keine Zukunft.
Nun denn, wer scheut Kredite besonders?
Frauen.
Sie nehmen generell seltener Schulden auf. Der Zugang zu fremdem Kapital war ihnen historisch verbaut. Das wirkt immer noch gewichtig nach. Sie verschulden sich nicht nur seltener, sie können - wenn überhaupt - kleinere Summen aufnehmen und dies zu schlechteren Konditionen. Noch heute erhalten Frauen weltweit weniger häufig Geschäftskredite, selbst bei gleicher Bonität. Das bremst auch Gründerinnen, Unternehmerinnen und Investorinnen.
Diese Verschuldungslücke zwischen den Geschlechtern, der «Debt Gap», vergrössert wiederum den Gender Wealth Gap . Wer keinen Zugang zu Krediten hat, kann weniger investieren, weniger aufbauen, weniger skalieren. Das bedeutet auch weniger Chancen auf Wohlstand und verstärkt die Ungleichheit. Risiko und Wachstum bleiben letztlich männlich dominiert. Nicht die Schulden sind problematisch, sondern das fehlende Wissen über sie. Das gilt natürlich auch für meinen Vater: Besser ein Bildungskredit als eine Hochzeit auf Pump.


Ja, das unterstütze ich!
Weil Gleichstellung auch eine Geldfrage ist.
Wie wär’s mit einer bezahlten Membership?
MembershipOder vielleicht lieber erst mal den Gratis-Newsletter abonnieren?
Gratis NewsletterHilf mit! Sprich auch Du über Geld. Weil wir wirtschaftlich nicht mehr abhängig sein wollen. Weil wir gleich viel verdienen möchten. Weil wir uns für eine gerechtere Zukunft engagieren. Melde Dich bei hello@ellexx.com
Schicke uns deine Frage: