Neulich habe ich mich gefragt: Was würde ich mit meinem Leben anfangen, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Ich stand im Wald, blickte in den stahlblauen Novemberhimmel, die Sonne glitzerte durch die gelben Blätter – und ich merkte: Eigentlich würde ich gar nicht so viel verändern. Ich würde weiterhin hier wohnen. Und ich würde genau diesen Job bei ellexx weitermachen.
Aber wenn ich das Geld hätte, würde ich ohne zu zögern in unser eigenes Unternehmen investieren – in eine grosse, mutige Kampagne für ellexx invest. Mit Plakaten, Radio- und Kinowerbung. Den Screen im Zürcher HB mieten und unser Kampagnenvideo zeigen. Unsere Vision in die weite Welt tragen: das grösste Female-Finance-Unternehmen Europas werden.
Natürlich ist das Daydreaming. Aber es gibt Menschen, die solche Träume sofort realisieren könnten – weil sie geerbt haben. Erben ist ein Startvorteil, kein Verdienst. Es öffnet Türen, die anderen ihr Leben lang verschlossen bleiben. Gleichzeitig kommt das Vermögen selten als prall gefülltes Konto daher. Es steckt in Unternehmen, die Arbeitsplätze sichern, oder in Immobilien, die – einmal vererbt und verkauft – zu Renditeobjekten werden und die Preise weiter nach oben treiben.
Erben ist per se ungerecht. Es ist rein an die soziale Herkunft gebunden und hat nichts mit Leistung zu tun. Erben ist im wahrsten Sinne des Wortes unverdient. Wer sehr viel erbt, kann sein Vermögen fast grenzenlos kumulieren. Viele Vermögende leben nur noch von den Erträgen ihres Vermögens – und investieren einen Teil wieder. Der Zinseszinseffekt beschleunigt diesen Effekt noch.
In der Schweiz werden laut Universität Lausanne jedes Jahr rund 100 Milliarden Franken vererbt. Genaue Zahlen gibt es nicht – ausgerechnet in einem Land, in dem jede Kuh gezählt wird. Der Grund dafür ist, dass Kinder und die überlebenden Ehegatten keine Erbschaftssteuer auf Bundesebene bezahlen und es in den Kantonen unterschiedlich geregelt ist.
Rund die Hälfte des Vermögens in der Schweiz ist geerbt – und extrem ungleich verteilt: Das reichste Prozent besitzt 45 Prozent des steuerbaren Vermögens. (Die Schweiz kennt allerdings einen Vermögenssteuer, mehr dazu in diesem Artikel von Dr. Isabel Martinez).
Bin ich nun für die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso? Nein. Ich wäre aber grundsätzlich für eine Steuer ab einer gewissen Höhe, 50 Millionen scheinen eine ausreichend hohe Grenze zu sein, dass noch immer viel Erbschaftsvermögen steuerfrei bleibt. Nur was passiert mit Vermögen, die in Unternehmen stecken? Die meisten KMU sind nicht börsennotiert – man kann also nicht einfach Aktien verkaufen. Betriebsvermögen, das Arbeitsplätze sichert, müsste anders besteuert werden.
Das heisst aber auch: Wer viel Vermögen in Immobilien oder Unternehmen geerbt hat, aber kaum liquide Mittel besitzt, soll nicht gezwungen sein, alles sofort zu verkaufen. In anderen Ländern wird das pragmatisch gelöst – mit gestaffelten Zahlungen über viele Jahre oder einer Steuer, die erst beim Verkauf fällig wird. Betriebsvermögen und Familienhäuser könnten steuerlich geschont werden, solange sie Arbeitsplätze oder Wohnraum sichern. So liesse sich Erben fairer besteuern, ohne Firmen oder Familienbesitz zu gefährden. Das ist aus meiner Sicht der grösste Schwachpunkt der Initiative.
Und die Einnahmen? Sie sollten nicht an einen einzigen Zweck gebunden werden, wie es die Initiative vorsieht – obwohl Superreiche rund 400-mal mehr CO₂ ausstossen als ärmere Haushalte. Privatjets und Luxusyachten sind massive Dreckschleudern. Ich würde allfällige Erbschaftssteuer-Einnahmen lieber dem demokratischen Prozess überlassen oder in einen Zukunftsfonds investieren, der Forschung, Bildung und Start-ups fördert. Oder Anreize schaffen: Steuererleichterungen für alle, die ihr Erbe nachweislich in nachhaltige Schweizer Projekte investieren.
Worüber zudem fast nie gesprochen wird: Kapitalgewinne müssen in der Regel in der Schweiz nicht versteuert werden! Das ist ein noch viel grösserer Hebel als Erbschaften, um Vermögen zu kumulieren. Man kann ohne eigene Arbeit und nur über Kapitalanlagen sehr reich werden – komplett steuerfrei. Einkommen durch eigene Arbeitsleistung hingegen wird vergleichweise hoch besteuert. Wer hat, dem wird noch mehr gegeben. Deswegen ist es so wichtig, im herrschenden System auch anzulegen, sei es auch nur mit kleinen Beträgen. Die Schere öffnet sich ansonsten noch weiter. Es ist wichtig, dass alle profitieren – nicht nur das reichste Prozent.
Und noch ein Gedanke: Oft geht Erben nicht ohne Streit über die Bühne. Viele wohlhabende Erblasser:innen haben keinen klaren Plan für ihre Nachfolge, oft ein anspruchsvolles Verhältnis zu ihren Kindern – und suchen Sinn für ihr Geld. Wer sein Vermögen bereits zu Lebzeiten sinnstiftend einsetzt, hat viel mehr Einfluss darauf, was damit passiert – statt dass die Erben nach dem Tod darüber streiten.
Ich kann übrigens gut verstehen, wenn hart erarbeitetes Geld, ein Familienheim oder ein kleines Vermögen steuerfrei an die eigenen Kinder übergehen soll. Da bin ich auch dagegen, das zu besteuern. Ich meine die Besteuerung von superreichen Menschen, die 1 Prozent, die immer reicher werden und deshalb auch eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Weil sie die Macht und das Geld haben, in demokratische Prozesse einzugreifen, und das auch tun. Die in Parallelwelten leben, die wir nur erahnen können.


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