Bist du eher sparsam, oder gibst du dein Geld lieber mit beiden Händen aus? Denkst du viel über deine finanzielle Situation nach, oder gehst du mit dem Thema locker um? Redest du gerne über Geld, oder behältst du deinen Kontostand lieber für dich? Und was löst Geld bei dir aus, positive Gefühle oder doch eher Stress?

Unsere Beziehung zu Geld hängt zum einen mit unserer aktuellen finanziellen Situation zusammen: Sind wir in der privilegierten Lage, über genügend Geld für unser Leben zu verfügen, oder sind die Mittel ständig knapp? Unser Umgang mit Geld hat aber auch stark mit unserer Prägung zu tun. Und die wiederum ist unter anderem abhängig von unserem Geschlecht. Denn mit Mädchen wird anders über Geld geredet als mit Buben. Während Eltern Mädchen beibringen, zu sparen und vorsichtig mit Geld umzugehen, werden Buben schon früh ermuntert, ihre Finanzen aktiv in die Hand zu nehmen und Spass an Geld zu haben.

Das beeinflusst unsere Einstellung und unseren Umgang mit Geld nachhaltig. Anne Herrmann ist Professorin für Wirtschaftspsychologie und Leiterin des Instituts für Marktangebote und Konsumentscheidungen an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Im Interview erklärt sie, wie wir unsere sogenannten Geld-Glaubenssätze erkennen und ändern können.

Anne Herrmann, Wirtschaftspsychologin
Es lohnt sich, sich zu fragen: Wie stehe ich zu Geld? Woher kommt meine Haltung? Macht sie für mich und meine heutige Situation so noch Sinn?

Anne Herrmann, was prägt unsere Einstellung zu Geld?

Eines vorweg: Wenn es um Geld geht, sind wir selten wirklich rational – weder wenn wir entscheiden, wie wir unser Geld ausgeben, noch in der Einschätzung unserer finanziellen Lage. Wie wir Geld wahrnehmen und wie wir es ausgeben, aber auch unsere finanziellen Kompetenzen, sind stark durch unser Elternhaus geprägt. Wir alle lernen, indem wir unsere Eltern beobachten. Das betrifft auch den Umgang mit Geld. Unsere heutige Beziehung zu Geld hat also viel damit zu tun, was uns unsere Eltern vorgelebt haben.

Warum ist das problematisch?

Das muss nicht per se problematisch sein. Aber es gibt Dinge, die wir beachten sollten. So kann es beispielsweise sein, dass wir eine Einstellung übernommen haben, die für die Generation unserer Eltern in ihrer Beziehung zum Geld stimmte, für unsere Generation aber nicht mehr passt. Auch unsere finanzielle Situation ist vielleicht eine ganz andere als die unserer Eltern. Es kann sein, dass die Regeln, die uns in der Kindheit vermittelt wurden, heute nicht mehr gelten. Und nicht zuletzt ist es möglich, dass wir unsere Eltern damals einfach missverstanden und falsche Rückschlüsse aus ihrem Verhalten gezogen haben. Es lohnt sich also, sich zu fragen: Wie stehe ich zu Geld? Woher kommt meine Haltung? Macht sie für mich und meine heutige Situation so noch Sinn?

Inwiefern unterscheiden sich Frauen und Männer, wenn es um ihre Beziehung zu Geld und die Glaubenssätze geht?

Beim Geld gibt es noch immer starke Geschlechterstereotypen. Männern fällt es oft deutlich leichter, auf finanzielle Erfolge stolz zu sein. Viel Geld zu verdienen und viel Geld verdienen zu wollen, ist bei Männern sozial akzeptierter. Nicht zuletzt deshalb, weil sie sich auch sagen können: Ich mache das nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie. Bei Frauen ist das häufig anders. Ihre Einstellung ist oft weniger positiv und weniger ambitioniert. Frauen wird in finanziellen Belangen auch heute noch häufig mangelndes Interesse und viel Vermeidungsverhalten nachgesagt. Das schlägt sich auch auf ihren Umgang mit Geld nieder.

Können Sie das erklären?

In unserer Gesellschaft werden immer noch viele traditionelle familiäre Muster übernommen. Wir sehen in heutigen Partnerschaften, dass die Rollenverteilung ähnlich ist, wie sie schon bei den Eltern war, also dass die Männer die finanzielle Verantwortung übernehmen. Diesem Muster folgend, delegieren viele Frauen die grösseren finanziellen Entscheidungen an ihre Partner. Auch das kann mit der familiären Prägung zu tun haben. Wenn in der Familie wenig über Geld geredet wurde – besonders mit den Mädchen –, beeinflusst das unsere Kompetenz, mit Geld umzugehen. Wir haben dann schlicht nicht gelernt, was es bedeutet, finanzielle Entscheidungen bewusst und gut informiert zu treffen.

Wie können wir unsere Einstellung gegenüber Geld verändern?

Wir können unsere Geld-Glaubenssätze auch im Erwachsenenalter noch ändern. Dazu müssen wir in einem ersten Schritt hinterfragen, was wir in der Kindheit gelernt haben, um so möglicherweise hinderliche Glaubenssätze abzulegen. Dazu müssen wir uns unsere Glaubenssätze erst einmal bewusst machen. Hierzu kann man sich verschiedene Fragen stellen, beispielsweise: Macht mich es mich stolz oder verlegen, viel Geld zu haben oder zu verdienen? Macht es mir Freude oder Angst, Geld auszugeben? Glaube ich, dass ich zukünftig eher zu viel oder zu wenig Geld haben werde? Ausgehend von den eigenen Antworten kann man die Gründe für diese Gefühle und Gedanken erkunden.

Und was kommt dabei raus?

Es kann sein, dass man in der Kindheit mit bestimmten Sprüchen konfrontiert wurde, beispielsweise: «Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert (sei sparsam.) oder «Wie gewonnen, so zerronnen» (man kann sein Geld schnell verlieren). Auch hier sollte man sich fragen, ob diese Gefühle und Gedanken so noch zur eigenen Lebens- und Finanzsituation passen. Und vor allem sollte man prüfen, ob sie förderlich sind für die eigene Lebensqualität und das Lebensglück.

Anne Herrmann, Wirtschaftspsychologin
Auch Frauen sollten Geld geschickt zurücklegen und idealerweise anlegen. Nur so können sie ihre finanzielle Situation aktiv gestalten.

Und was tut man, wenn Glaubenssätze nicht förderlich sind?

Um nicht förderliche Glaubenssätze zu ändern, hilft es, sich dazu mit anderen Menschen auszutauschen – am besten auch mit solchen, bei denen man einen anderen Umgang mit Geld beobachtet. Glaubensätze entwickeln und verändern sich durch eine stetige Auseinandersetzung. Dafür kann man sich auch im Alltag beobachten und sein Verhalten bewusst ändern und reflektieren, denn unsere Einstellung zum Geld beeinflusst auch viele kleine Alltagsentscheidungen. Auch wenn uns Kompetenzen im Umgang mit Geld fehlen, können wir diese im Erwachsenenalter noch erwerben. Wichtig ist, dass man motiviert ist, sich auch mit diesem Aspekt auseinanderzusetzen, Neues zu lernen und das eigene Verhalten zu hinterfragen.

Weshalb ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen?

Viele Frauen würden profitieren, wenn sie gegenüber Geld und dem Geldverdienen positiver und ambitionierter eingestellt wären. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, dass Frauen finanziell ambitioniert sind. Auch Frauen sollten Geld geschickt zurücklegen und idealerweise anlegen. Denn nur so können sie ihre finanzielle Situation aktiv gestalten und sich eine sichere finanzielle Position erarbeiten.

Zum Abschluss noch eine ganz allgemeine Frage: Macht Geld glücklich?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Klar ist: Geld an sich macht nicht glücklich. Genügend Geld zu haben, ist aber eine wichtige Voraussetzung für ein angenehmes und glückliches Leben. Denn Sorgen um Geld – ob begründet oder unbegründet – können unglücklich machen. Wenn man zum Beispiel nicht weiss, ob man seine Rechnungen begleichen kann, ist das ein nicht zu unterschätzender Stressfaktor. Sich keine Sorgen um Geld machen zu müssen, ist also ein wichtiger Glücksfaktor. Mit Geld kann man sich zudem eine gewisse Lebensqualität kaufen: Annehmlichkeiten wie zum Beispiel eine schöne Wohnung oder mehr Freizeit, weil man gewisse Verrichtungen im Haushalt delegieren kann. Gleichzeitig kann man sich aber nicht alle Aspekte der Lebensqualität erkaufen. Freundschaft zum Beispiel oder andere soziale Beziehungen sind nicht käuflich. Darum reicht Geld allein eben nicht aus für ein glückliches Leben.