Wir konfrontieren Männer mit Fragen, die sonst nur Frauen gestellt werden. Wir wollen damit Stereotypen aufbrechen, aber auch Toxizität entlarven. Heute mit Christoph Sigrist, der bis Februar 2024 Pfarrer vom Zürcher Grossmünster war.
Ein Männerfragen darüber, ob das Wort Gott neu Gott:in geschrieben werden sollte. Über den Mann in der Bibel als Heiliger oder Hure. Und über das Thema Potenz in der Seelsorge.*
Als langjähriger Grossmünsterpfarrer musst du es wissen: Ist Gott weiblich?
Gott ist weder männlich noch weiblich. Gott sprengt alle Bilder und Vorstellungen von Geschlechtern.
Gott ist also geschlechtslos?
Gott ist auch nicht geschlechtslos. Es ist eine Kraft. Wir haben das Bilderverbot der jüdischen Tradition. Historisch finden sich weibliche und männliche Gottesbilder. Diese Frage nach weiblich oder männlich ist eine soziale Konstruktion. Damit muss man vorsichtig umgehen. Gott stammt übrigens vom altdeutschen Wort Ghutto, das Angerufene. Und das ist sehr passend.
Aber auf Deutsch heisst es der Gott.
Ja, und das ist zu hinterfragen. Untersuchungen bei Gottesbildern von Kindern haben gezeigt, dass diese symbolische Figur des väterlichen Mannes mit Bart im Jugendalter plötzlich weiblichen Motiven weicht, der Gott wird zur Sonne. Die Entwicklungs- und Religionspsychologie sowie die feministische Theologie arbeiten an der Dekonstruktion des männlichen Gottesbildes. Gott sei ein Mann, höre ich fast nicht mehr.
Soll man denn gendern und Gott:in schreiben?
Solche Versuchsbewegungen sind sehr zu begrüssen. Religion hat mit Emotionen zu tun. Religion ist die Sprache des Glaubens, die Sprache der Liebe. Und Bilder sind die Lokomotive dieser Sprache. Gott wird ein Geheimnis bleiben.
Dann schauen wir uns doch die Sprache des Glaubens in der Bibel an. Der Mann ist in der Bibel entweder Heiliger oder Hure, warum so ein einseitiges Bild?
(Guckt kurz verdattert.) Ja, zugegeben. Die Kirche war ein Patriarchat. Das sind Texte, die vor Unterdrückungssituationen nur so strotzen. Wir wissen auch dank der feministischen Theologie, dass es zahlreiche patriarchalische Eingriff in die biblischen Texte gab. Junia wurde dann zu Junius.
Hatte es in der Bibel also ursprünglich mehr weibliche Figuren?
Ja, ganz klar. Und Bischöfinnen wurden rausgeschrieben. Und da ist diese Figur der Lydia, eine Purpurhändlerin und Unternehmerin. Sie hat die Jünger bei sich zu Hause aufgenommen. Ohne sie hätte der Jüngerkreis nicht überleben können. Und die Zeugen waren Frauen, die Zeuginnen der Auferstehung waren Frauen, nicht Männer. Und bei Jesus hat man alle Emotionalität wegredigiert, sein Lachen, seine Wesenszüge.
Aber wir wollen hier auch nicht beschönigen. Immerhin hat Jesus ja zwölf Apostelinnen gewählt …
Ja, wir wollen nicht beschönigen.
Und dann diese immer noch tief verankerte Kirchentheorie, dass Männer verunglückte Frauen sind? Warum dies?
(Stutzt, sichtlich verblüfft.) Das habe ich jetzt noch nie gehört.
Eben, Frauen hören das immer noch. Deswegen frage ich.
Ah, du kehrst alles um? (Lächelt gütig.)
Findest du, dass ich mit diesen Fragen die von Gott gegebene Ordnung durcheinanderbringe?
Also verunglückt ist so oder so gar niemand. Und es ist wahr, dass diese Rippe, dieses Bild der Rippe von Adam, aus der Eva erwachsen ist, ein sehr einprägsames Bild ist und uns damit unglaublich gebremst hat.
Alle Weltregionen misstrauen dem Mann, setzen Männern enge Grenzen, Kleidervorschriften und dergleichen. Warum eigentlich?
(Hält erneut inne, setzt dann seufzend an.) Ja, die Unterordnung der Frau durch den Mann, das war leider auch bei den Reformatoren so. Dies zu durchbrechen, ist eine andauernde Aufgabe.
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