Die Schweizer Nati träumt von einem Sommermärchen – am 2. Juli eröffnet sie in Basel gegen Norwegen die Heim-Europameisterschaft. Doch die Euphorie beschränkt sich nicht aufs Spielfeld: Auch abseits der Ränge scheint der Frauenfussball endlich als ernstzunehmender Business Case angekommen zu sein. Ein Thema, das wir bei ellexx seit unseren Anfängen verfolgen. Zeit, Bilanz zu ziehen: Welche wirtschaftlichen Fortschritte wurden tatsächlich erzielt und wo gilt es noch, Abwehrmauern zu überwinden?

The good News: Der Ball gerät endlich ins Rollen

Frauenfussball wurde in den vergangenen Jahren kommerzialisiert und stösst auf öffentliches Interesse. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen: 

  • Sämtliche Tickets für die Schweizer Spiele sind bereits ausverkauft – insgesamt werden rund 700’000 Zuschauer:innen in den Stadien erwartet. Diese Zahlen deuten auf einen neuen Rekord hin – an der letzten EM der Frauen 2022 in England wurden 575’000 Tickets verkauft.
  • Das Schweizerische Fernsehen wird sämtliche Spiele live übertragen. Bei der Europameisterschaft vor drei Jahren war es noch bloss ein Spiel pro Spieltag. 
  • Die Professionalisierung des Frauenfussballs scheint zunehmend mehr Nachwuchstalente zu inspirieren. In den letzten zwei Jahren ist der Anteil der Spielerinnen im Breitensport um 30 Prozent angestiegen.

Die wachsende Popularität und die steigende Zahl von begeisterten Fans werden auch die Einnahmen im Frauenfussball erhöhen. Das Interesse der Sponsor:innen sei grösser denn je – deshalb erwartet die UEFA dreimal so hohe Erträge wie noch an der EM 2022 in England. Von diesen Entwicklungen profitieren auch die Spielerinnen:

  • Bei grossen Turnieren wie der EM sind die Prämien der UEFA ein wichtiger Teil des Geldes, das die Teams bekommen – je erfolgreicher sie sind, desto mehr. Gesamthaft werden an der EM dieses Jahr 41 Millionen Euro an die Teams ausgeschüttet – das bedeutet einen Anstieg von 156 Prozent gegenüber der EM 2022. Der höchstmögliche Betrag für das Siegerinnen-Team liegt damit bei 5.1 Millionen Euro, wobei maximal 40 Prozent davon direkt an die Spielerinnen ausgeschüttet werden.
  • Ein weiterer wichtiger Lohnbestandteil der Spielerinnen sind die Prämien der Verbandssponsor:innen. Wie hoch diese Prämien sind, ist nicht bekannt. Zahlreiche Konzerne wie Adidas, Amazon, AXA, Swisscom, Lidl oder Pepsi planen jedoch umfangreiche Werbeaktionen.

The bad News: Es gibt Luft nach oben

Trotz beachtlicher Fortschritte gilt in der Fussballwelt (noch) kein Fair Play. Nach wie vor gibt es strukturelle Ungleichheiten, gegen die es weiterhin zu kämpfen gilt:

  • Obwohl der Frauenfussball an Popularität gewonnen hat – bei den Männern sind die Zuschauerzahlen deutlich höher: 2.6 Millionen Zuschauer:innen waren beispielsweise an der vergangenen EM vor Ort in Deutschland. Also fast viermal so viele wie dieses Jahr bei den Frauen erwartet werden.
  • In den Entscheidungsgremien und an den Spitzen der Clubs sind Frauen deutlich in der Unterzahl. Im Schweizerischen Fussballverband beispielsweise sind nur zwei Personen im neunköpfigen Gremium Frauen. 
  • Auch unter den Trainer:innen sind Frauen untervertreten: So werden nur knapp ein Drittel der Teams an der Europameisterschaft von einer Frau trainiert. Beim Schweizerischen Fussballverband beträgt der Trainerinnen-Anteil rund acht Prozent.

Die grössten Lücken klaffen aber nach wie vor bei den Gehältern, die im Sport bezahlt werden: 

  • Die erfolgsabhängigen Prämien an den Turnieren der Männer sind deutlich höher. An der Europameisterschaft der Männer in Deutschland lagen alleine die Startprämien bei 8.8 Millionen pro Team, bei den Frauen waren es dieses Jahr 1.8 Millionen pro Team. 
  • Besonders gross sind die Gehaltslücken aber vor allem in den nationalen Ligen. So verdienen die bestbezahlten Spielerinnen zwischen 500’000 und 800’000 Euro pro Jahr. Bei den Männern liegen die höchsten Löhne auf dem Feld zwischen 50 und 100 Millionen Euro.
  • Noch krasser sind die Unterschiede in der Schweizer Liga (siehe auch dazu unseren Money Talk mit Fussballerin Meriame Terchoun): In der Nationalliga A beträgt der Durchschnittslohn der Frauen zwischen 500 und 1500 Franken monatlich. Rund ein Fünftel der Spielerinnen in der höchsten Liga der Schweiz arbeiten neben dem Fussball in einem hundert Prozent Pensum.
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Was kannst du tun?

Wenn du also Fussballfan bist, dann verfolge die EM-Spiele der Frauen in den Stadien oder im Fernsehen. Gehe öfter auch mal an ein Spiel im Stadion der Frauen. Als Fan kannst du dazu beitragen, dass der Frauenfussball weiterhin wächst und die Spielerinnen mehr Anerkennung und eine bessere Entlohnung erhalten. Und der Ball über die Mittellinie Richtung Gleichstellung rollt. 


Die Profi-Spielerinnen sind also weit entfernt vom Starleben, das die Fussballer in den Top-Ligen geniessen. Damit das volle Potenzial des Frauenfussballs ausgeschöpft werden kann, braucht es bessere finanzielle Bedingungen für die Spielerinnen – nur so können sie sich voll und ganz einer Sportkarriere widmen. 

«Elf Jahre reichte mein Lohn als Profifussballerin nicht zum Leben»
Bald ist Anpfiff der Heim-EM. Im Money Talk spricht Nati-Spielerin Meriame Terchoun über die noch immer hinkende (finanzielle) Gleichstellung im Fussball. Und sagt, was sich ändern muss.
Freistoss für den Frauenfussball
Spiele in gigantischen Fussballstadien, optimale Trainingsbedingungen, Fernsehgelder in Millionenhöhe – bloss ein Traum für Fussballerinnen in der Schweiz. Noch fehlt die Einsicht, dass Frauenfussball profitabel sein könnte.