Die Resultate sind eindeutig. Rund 70 Prozent der ChatGPT-Nutzer:innen sind männlich, 30 Prozent weiblich. Das könnte Frauen beruflich zurückwerfen. Frauen riskieren damit, dass sie ineffizienter und länger arbeiten. Eine Studie des Beratungsgiganten BCG hat kürzlich gezeigt, dass Berater:innen mit generativer künstlicher Intelligenz (KI) 40 Prozent besser und 25 Prozent schneller arbeiten.

Patrizia Laeri
KI könnte Ungleichheit mildern, wenn denn alle die Technologie nutzen würden.

Interessant an der Studie ist, dass die KI alle Mitarbeiter:innen in Spitzenpositionen bugsierte – auch die mittelmässigen. High-Performer profitierten zwar ebenfalls, aber weniger. Die Leistungsniveaus glichen sich dank ChatGPT an. KI könnte also Ungleichheit mildern, wenn denn alle die Technologie nutzen würden.

Fakt ist, dass generative KI längst im Beruf, aber auch im Leben und Alltag angekommen ist. Sie spart dem Menschen nachweislich Zeit und Nerven, macht ihn besser, leistungsfähiger, effizienter und zuweilen gar reicher. Moment mal! Aber ist generative KI nicht auch sexistisch, voreingenommen, schummelnd und fehleranfällig? Genau so sehen sie viele Frauen. Haben sie recht?

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Generative KI ist eine Form Künstlicher Intelligenz, die auf der Grundlage von Vorgaben und vorhandenen Informationen neue Inhalte generiert. Es ist ein Sammelbegriff für Systeme, mit denen auf scheinbar professionelle und kreative Weise alle möglichen Ergebnisse produziert werden können, etwa Bilder, Video, Audio, Text, Code, 3D-Modelle und Simulationen. Menschliche Fertigkeiten sollen erreicht oder übertroffen werden.

Mit künstlicher Intelligenz Kindergeburtstage planen

Ein Schritt zurück: ChatGPT – eine der meistgenutzten generativen KI – ist bekannt als Helferin bei allerlei Wissensarbeit. Aber sie  hilft mittlerweile auch bei viel alltäglicheren Aufgaben, sei es beim Verfassen von Verkaufsanzeigen auf Secondhand-Portalen, der Planung des Kindergeburtstages oder der Umgestaltung des Balkons oder des Homeoffices.

Gerade Googles Version von Chat GPT, Bard, wirbt lebensnah mit solchen Diensten. Mit KI lässt sich auch viel Kreatives erschaffen. Digital Art beispielsweise. Der KI-Kunst-Generator beziehungsweise die Text-zu-Bild-Maschine Midjourney inspiriert nicht nur die Sinne, sondern produziert erstaunliche Werke. Dazu kommen allerlei Plug-ins, Erweiterungen für ChatGPT. Sie sind bereits für Alltägliches anwendbar, sei es fürs Wetter, Reisen oder in WhatsApp. Der Haken: Sie benötigen die Bezahlversion von ChatGPT.

ChatGPT zu beherrschen, werde so wichtig wie Schreiben und Rechnen, verkünden die Redner an Tech-Konferenzen unisono.

Und sie werden erhört. Befragungen haben ergeben, dass bereits mehr als die Hälfte aller Männer ChatGPT privat oder für ihr tägliches berufliches Wirken nutzt. Dahingegen lassen sich erst 35 Prozent der Frauen von künstlicher Intelligenz helfen.

Frauen gestalten die Zukunft nicht mit

Diese Befunde sind um so alarmierender, als die Arbeit von Frauen durch generative KI an sich schon unverhältnismässig stark bedroht ist. Neue Daten von Goldman Sachs zeigen, dass bis zu 80 Prozent der «Frauenjobs» gefährdet sind. Frauen arbeiten oft in administrativen und assistierenden Stellen, die besonders einfach automatisiert werden können. Frauen machen im Backoffice gar 70 Prozent der Angestellten aus.

Patrizia Laeri
Der digitale Graben zwischen den Geschlechtern, der sogenannte Digital Divide, ist enorm.

Da die MINT-Fächer traditionell männerdominiert sind, wird nun auch die schöne neue Welt der generativen KI  zum grössten Teil von Männern erschaffen. Die eine grosse Ausnahme, die Technologiechefin von Chat GPT Mina Murati, macht es nicht besser. Gleichzeitig haben auf globaler Ebene immer noch 37 Prozent der Menschen, vor allem Frauen, keinen Zugang zum Internet. Der digitale Graben zwischen den Geschlechtern, der sogenannte Digital Divide, ist enorm.

Frauen gestalten die Zukunft der Technologie nicht nur kaum mit, sie sind auch noch überproportional negativ von ihr betroffen. Aber nicht nur.

Warum nutzen Frauen ChatGPT weniger?

Frauen sind auch negativer eingestellt. Sie sind skeptischer. Es fühlt sich für sie an, als würden sie schummeln oder gar betrügen, wenn sie KI nutzen.

Es ist zweifellos wichtig, dass Frauen eine kritische Grundhaltung einnehmen. KI ist keineswegs unfehlbar. Das Technologie-Magazin Fast Company hat in einer Studie beispielsweise entdeckt, dass ChatGPT sexistische Job-Inserate oder Mitarbeiter:innenbeurteilungen schreibt und immer wieder in die Stereotypen-Falle tappt. Das Feedback an Frauen war länger und kritischer. KI wurde von Wissenschaftlerinnen auch bereits des Schummelns überführt. Der Chatbot erfindet Quellen und Fakten. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Vielfalt der Lösungsansätze für Probleme bei Nutzer:innen um 41 Prozent schrumpft und es heikel ist, bei ChatGPT einfach den Autopiloten einzulegen. Das Tool macht auch Fehler und bringt Dinge durcheinander – allerdings viel weniger als wir Menschen. Sind die Resultate plausibel, macht es Sinn? Ein menschlicher Check bleibt wichtig.

Patrizia Laeri
Frauen sind negativer eingestellt. Sie sind skeptischer. Es fühlt sich für sie an, als würden sie schummeln oder gar betrügen, wenn sie KI nutzen.

Trotzdem ist auch erwiesen, dass gerade ein kritisches Miteinander, ein gedankliches Tandem zwischen Mensch und Maschine besonders herausragende Ergebnisse erzielt.

Ich habe letzte Woche Zack Kass getroffen, einen der Entwickler von ChatGPT. Natürlich gehört er zu der Art euphorischer Silicon-Valley-Evangelisten, die daran glauben, dass KI alles überwinden kann, sei es die Klimakrise oder sogar den Tod. Kritische Worte entlockt man ihm nicht. Trotzdem sollten gerade Frauen seine Weckrufe «Equip yourself!» beziehungsweise «Rüstet euch aus, holt euch die Tools, macht euch zukunftsfit und gewinnt dadurch auch mehr Zeit» zu denken geben.

Zack Kass, Entwickler von ChatGPT
Rüstet euch aus, holt euch die Tools, macht euch zukunftsfit und gewinnt dadurch auch mehr Zeit.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Eine weitere aktuelle Studie des renommierten M.I.T. Media Lab zeigt nämlich auf, dass vor allem unsere Haltung unseren Umgang mit Algorithmen beeinflusst. Wie wir KI-Anwendungen erleben, hat auch mit unserer eigenen Einstellung oder eben Voreingenommenheit zu tun. Das Experiment konnte nachweisen, dass sich Erwartungen und Erlebnisse der Menschen genau decken. Da Frauen mehr Vorurteile (Biases) gegenüber KI haben als Männer, stehen ihnen diese auch mehr im Weg und verhindern persönliche digitale Durchbrüche. KI wird zur selbsterfüllenden düsteren Prophezeiung.

Was also tun? Das heisst nicht, dass wir unkritisch und blind an KI glauben sollen, sondern dass wir sie mittrainieren und herausfordern sollten, mit kritischen Fragen und Problemstellungen. Wir sollten uns und unsere Haltungen letztlich bewusst hinterfragen. Wir müssen uns klar werden, welche Rolle wir im rasant fortschreitenden technologischen Wandel spielen wollen. Keine oder eine grosse? Ich hoffe, dass sich die Mehrheit der Frauen für letzteres entscheidet.

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