Macht und Misogynie, Geld und Gier, Patriarchat und Privilegien: Wer die Antwort nicht scheut, darf unseren Kolumnisten alles fragen. Markus Theunert teilt, was er in 25 Jahren Beschäftigung mit Männern und Männlichkeit gelernt hat.
Heute mit der Frage von Anna (34): «Wieso reden Männer viel mehr über Geld und Investieren als Frauen?»
Liebe Anna
Zahlreiche Quellen belegen: Männer investieren häufiger als Frauen und sprechen auch öfters darüber. Es wäre aber ein Fehlschluss, dies einem grösseren «natürlichen» Interesse oder Talent im Umgang mit Zahlen und Finanzen zuzuschreiben. Die wissenschaftliche Literatur ist sich einig, dass diese Unterschiede nicht biologisch, sondern kulturell bedingt sind.
Sie kommen einfach deshalb zustande, weil bei Männern im Lauf ihrer Sozialisation eine Beschäftigung mit Geld viel stärker gefördert und gefordert wird. So erhalten Jungs schon als Kinder häufiger Taschengeld als Mädchen. Eltern sprechen mit ihnen auch früher über Finanzfragen.
Das hat Folgen. Trotz aller Modernisierung bleiben Berufswahl, Karrierewege und Familienmodelle in der Schweiz stereotyp geprägt. Spätestens zum Zeitpunkt der Familiengründung schlägt bis heute die Traditionsfalle zu.
Der Mann übernimmt das grössere Stück der Verantwortung für die materielle Sicherheit der Familie und leistet entsprechend mehr Erwerbsarbeit. Dabei erwirtschaftet er im Schweizer Durchschnitt 68% des Familieneinkommens. (Bei Paaren ohne Kinder sind es 62%).
Frauen leisten demgegenüber deutlich mehr unbezahlte Haus- und Familienarbeit. Zwar steigt ihre wöchentliche Belastung durch Erwerbsarbeit kontinuierlich. Sie beträgt während der Familienphase aber noch immer «nur» knapp die Hälfte im Vergleich zum männlichen Partner.
Ich sehe neben der Ernährerrolle, die traditionellerweise Männern zugedacht wird, drei Faktoren, die es für sie besonders attraktiv machen, sich mit Geldfragen zu befassen.
1. Männlichkeit ist in patriarchalen Gesellschaften wie unserer kompetitiv organisiert. Finanzstärke zu beweisen ist für Männer dabei ein zentrales Erfordernis, um sich gegenüber ihren Geschlechtsgenossen zu beweisen und abzuheben. Geld schafft Status, sichert den sozialen Rang und stärkt die Position im Ringen um (weibliche) Aufmerksamkeit, Zuwendung und Begehren. Je weniger Frauen wirtschaftlich von Männern abhängig sind, umso mehr wird dieser Wettkampf unterlaufen. Auch deshalb sind Lohngleichheit und die ausgewogene Verteilung von (bezahlter) Erwerbsarbeit und (unbezahlter) Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern so zentral.
2. Gespräche über Geld(anlagen) stärken die Bande zwischen Männern. Der Fokus auf Sachfragen lenkt davon ab, dass der emotional intime Austausch unter Männern oft schwierig bis unmöglich ist. Diskussionen über die ultimative Investmentstrategie vermitteln das aufregende Gefühl, miteinander in Konkurrenz zu stehen und trotzdem im gleichen Boot zu sitzen. Das ist das Grundprinzip männlicher Seilschaften.
3. Männer haben insgesamt weniger ethische Bedenken gegenüber den sozialen Folgen finanzieller Bereicherung und der Entkopplung finanzieller Zugewinne von der effektiven Wertschöpfung (wie der ganze Krypto-Hype eindrücklich zeigt). Gut belegt ist, dass Männer im Vergleich zu Frauen soziale Ungleichheit signifikant häufiger als unvermeidlich einschätzen und als wünschenswert beurteilen (wie z.B. die Daten der Leipziger Autoritarismusstudie belegen). Auch deshalb haben Parteien rechts der politischen Mitte einen deutlichen Männerüberhang in ihrer Wählerschaft.
Markus Theunert ist Gesamtleiter von männer.ch, dem Dachverband progressiver Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Kontakt: theunert@maenner.ch.
Diese Kolumne verfolgt – auf Einladung der ellexx Redaktion – das Anliegen, einen patriarchatskritischen Blick auf Geschlechter-, Geld- und Gesellschaftsfragen beizusteuern. Unserem Kolumnisten ist es wichtig, seine Unsicherheit transparent zu machen, wo die Bereicherung durch eine reflektierte Männerperspektive aufhört – und wo das «Mansplaining für Fortgeschrittene» beginnt.
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