«Hätte die Generation Z einen Gott, sie würde zum Geld beten.» Das schrieb der Spiegel kürzlich. Und ich muss sagen, stimmt sinngemäss. Geld ist uns jungen Menschen wichtig. Wir scheuen uns nicht, das auszusprechen und damit ein altes Tabu zu brechen.

Woher kommt dieser Materialismus? Gilt für meine Generation: Egal was, Hauptsache Geld?

Dieser Kurzschluss wäre zu einfach. Die Gründe für dieses Streben nach Geld sind vielfältig. Menschen innerhalb einer Generation sind unterschiedlich, wir individualisierten «Schneeflöckchen» zwischen 13 und 28 Jahren besonders. Und doch haben wir als Gen Z zumindest einen gemeinsamen Nenner: Es ist eine spezielle Zeit, um jung zu sein.

Warum? Unter anderem wegen Social Media. In der persönlichen Identitätsfindung täglich hunderte von Leben in Echtzeit mitzuverfolgen, Werbung in Endlosschleife zu konsumieren und zu sehen, wie scheinbar alle ihr bestes Leben leben, überfordert.

In den sozialen Medien sind Statussymbole omnipräsent. Die Berieselung via Handybildschirm kollidiert mit der Realität. Schein versus Sein.

Amélie Galladé
Gilt für meine Generation: Egal was, Hauptsache Geld?

Gleichzeitig haben viele von uns Mühe, eine Wohnung zu finden – vom Traum des Eigenheims ganz zu schweigen. Und selbst wenn wir Gen Zs eine bezahlbare Wohnung gefunden haben, wird es für uns angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten zunehmend schwieriger, über die Runden zu kommen. Letztere sind übrigens die grösste Sorge von Millennials und Gen Zs.

Eine Folge davon: Schweizweit ziehen die Jungen später von zu Hause aus. Nehmen wir als Beispiel Zürich, weil der Immobilienmarkt insbesondere in den Städten verrückt spielt: Da wir tendenziell später voll ins Erwerbsleben einsteigen und uns bis dahin oftmals keine eigene Wohnung leisten können, bleiben wir länger im Elternhaus.

Dieser Fakt bringt mich zu den sogenannten «Side Hustles». Angetrieben von der finanziellen Unsicherheit von uns jungen Menschen hat sich das Konzept von den USA aus global verbreitet. Viele Gen Zs üben mindestens einen Nebenjob neben der Haupttätigkeit aus (sogenanntes «Side-Stacking») – als zusätzliche Einnahmequelle und um sich bereits heute breiter aufzustellen. Was es bereits früher gab, ist nun über Social Media Programm geworden.

Das Aufeinanderprallen verschiedener (finanzieller) Realitäten vor und im Handybildschirm kann dazu führen, dass Menschen das Gefühl entwickeln, nicht genug zu haben, selbst wenn das Geld reichen würde. Ein Phänomen, das «Money Dysmorphia» genannt wird. Es handelt sich um eine Anlehnung an «Body Dysmorphia» – wenn man beim Blick in den Spiegel eine verzerrte Sicht auf die Realität hat.


Was ist denn nun aber dran an unserem Fokus auf Geld?

In unsicheren Zeiten mit Multikrisen, Lockdown in unseren Jugendjahren, Krieg in Europa und US-Zöllen sehnen sich viele Junge, mich eingeschlossen, vor allem nach Stabilität. Es geht nicht nur um Luxus, sondern auch um Absicherung – im Moment und hoffentlich einmal im Alter.

Ein Beispiel dazu aus der Popkultur: Die Sängerin Nina Chuba, «Stimme der Gen Z», brachte vorgestern das Zürcher Hallenstadion zum Beben. Ich stand mittendrin und sang die Zeilen ihres Songs «Wildberry Lillet» mit:

«Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel

Ich hab' Hunger, also nehm' ich mir alles vom Buffet

Will ein Haus für meine Mama an der Küste von Catania

Zum Frühstück Canapés und ein Wildberry-Lillet.
»

Die Strophe beschreibt den Wunsch nach Wohlstand und materiellem Luxus – und letztlich nach Absicherung der Liebsten.

Amélie Galladé
Es wird für uns zunehmend schwierig, mit den steigenden Lebenshaltungskosten über die Runden zu kommen.

In den vergangenen Monaten zeichneten verschiedene Medien das Bild der geldfokussierten Gen Z. Doch der aktuelle Generationen-Barometer zeigt: Während es Schweizer:innen ab 26 Jahren im Job hauptsächlich ums Geldverdienen geht, stehen für 18- bis 25-Jährige vor allem immaterielle Aspekte wie Selbstverwirklichung und Selbstwirksamkeit im Vordergrund. Auch die eingangs erwähnte Umfrage von Deloitte zeigt, dass uns das Salär bei der Arbeit zwar wichtig ist, Sinnhaftigkeit und Wohlbefinden aber ebenso.

Aufgrund dieser Zahlen frage ich mich, ob sich bei meiner Generation wirklich alles ums Geld dreht. Das Klischee ist wohl ein Stück weit daraus entstanden, dass Lohn und Kontostand kein so grosses Tabu mehr sind wie früher und wir einen offeneren Dialog über Geld führen.

Amélie Galladé
Lohn und Kontostand sind kein so grosses Tabu mehr wie früher und wir führen einen offeneren Dialog über Geld.

Selbst wenn das Thema Geld uns an- und umtreibt, muss das nichts Negatives sein. Mehr junge Menschen, als man aufgrund des Alters erwarten würde, sorgen sich bereits um Geld im Alter. Dass ich mich bereits heute mit dem Thema Altersvorsorge befasse, obwohl ich wohl erst in den 2070er-Jahren das Pensionsalter erreichen werde, bedeutet für mich Eigenverantwortung. 


Es gibt in meiner Generation einen Gegentrend zum Materialismus: Wer sich in seinen Zwanzigern neu erfindet oder Herausforderungen überwindet, tritt auffallend häufig einem Running Club bei (Gemeinschaft), sucht sich selbst (Wandern, Pilates, Breathwork, you name it) oder verwirklicht sich beim Keramikmalen zu einem Matcha Latte (Kreativität).

Coping-Strategie, Selfcare oder Statussymbol?

Das Narrativ der geldgierigen Gen Z ist auf jeden Fall nur die halbe Wahrheit.