Jahrzehntelang war Führung männlich: 1995 hatte keine der weltweit 500 grössten Firmen eine Frau als CEO, 2023 waren es immerhin 10,6 Prozent. In der Schweiz liegt der Anteil weiblicher Führungspersonen auf allen Stufen derzeit bei rund 35 Prozent. Es bewegt sich etwas, langsam zwar, aber unaufhaltsam.

Die Vorstellung davon, wie Führung sein sollte, hat sich hingegen wenig verändert. «Heroische Führung» nennt es Gudrun Sander, Professorin an der Universität St. Gallen, eine der renommiertesten Expertinnen zum Thema Leadership und Diversität.

Ein Blick auf die Titelbilder der grossen Wirtschaftsmagazine in den letzten Jahren zeigt genau das: kaum Frauen, dafür viele Männer, die fast schon ikonisch dargestellt sind und mit Titeln wie «King of Globus», «Big Thomas» oder «Bitcoin-Fürst» gefeiert werden. Die Botschaft dahinter ist klar: Führungspersonen sind mächtig und stolz, sie können alles, wissen alles, sind immer erreichbar und leben für nichts anderes als ihren Job. Hobbies? Keine Zeit. Familie? Ja, aber nur zu Randzeiten. Ihr Führungsstil: top down, denn sie wissen es am besten.

Und nun steigen immer mehr Frauen auf. Sie wollen führen – aber nicht so, wie es Männer jahrzehntelang gemacht haben.

Nach meiner letzten Kolumne zum Thema «Reclaim the Meetings», wie man in Meetings gehört wird, wurde ich gefragt: Müssen wir Frauen denn jetzt so werden wie die Männer? Müssen wir all die alten Muster übernehmen und weiterführen?

Katia Murmann
Wir haben jetzt die grossartige Chance, zu definieren und zu gestalten, wie wir in Zukunft arbeiten und führen wollen. Frauen und Männer gemeinsam. Auch Männer haben genug von alten Rollenmustern.

Meine Antwort lautet: Nein, auf gar keinen Fall! Wir haben jetzt die grossartige Chance, zu definieren und zu gestalten, wie wir in Zukunft arbeiten und führen wollen. Frauen und Männer gemeinsam. Auch Männer haben genug von alten Rollenmustern. Das Problem ist nur: Die heroische Führungskultur ist seit Jahrzehnten tief in unserer Arbeitswelt verankert und verschwindet nicht einfach von heute auf morgen. Deshalb ist es wichtig, diese alten Muster zu erkennen – und zu durchbrechen.

New Work braucht New Leadership. Und wir können es jetzt definieren! Zeitgemässe Führung bedeutet in unserer hochkomplexen Arbeitswelt keine Egozentrik, sondern Teamwork. Wie bei den Wölfen – auch wenn sie, zu Unrecht, keine gutes Image haben: Es gibt eine Leitwölfin, sie führt situativ, das Team ist extrem wichtig. Jede und jeder im Team hat verschiedene Aufgaben und Stärken. Mal ist der Leitwolf vorne, öfter aber führt er von hinten und lässt sein Team nach vorne.

Katia Murmann
Heute muss eine Führungskraft wissen, was ihre Stärken und Schwächen sind – und sich mit Leuten umgeben, die in den einzelnen Bereichen besser sind als sie.

Vorbei die Zeiten, als man den Chef für den Schlausten im Raum hielt. Heute muss eine Führungskraft wissen, was ihre Stärken und Schwächen sind – und sich mit Leuten umgeben, die in den einzelnen Bereichen besser sind als sie.

Was heisst das konkret für Frauen? Wie kann jede die neue Arbeits- und Führungskultur mitgestalten?

Schritt 1: Wer andere führt, muss sich selbst kennen. Self-Awareness ist ein zentraler Baustein der emotionalen Intelligenz, und die ist entscheidend für Führungskräfte. Gerade Frauen haben hier ihre Stärken.  

Hier sind drei Tests, die dir helfen können, dich selbst besser kennenzulernen:

  1. Positive Intelligenz: Entdecke, welche Verhaltensmuster dich sabotieren und was du machen kannst, um sie auszuschalten.
  2. DISC-Test: Erfahre, welcher der vier Persönlichkeitstypen du bist.
  3. Future Skills Assessment: Entdecke deine Super-Power als Führungskraft und erfahre, ob du die Skills hast, die du brauchst, um in Zukunft erfolgreich zu sein.

Schritt 2: Welcher Führungsstil ist dir am nächsten? Den besten Überblick geben die sechs Leadership-Stile von Daniel Goleman. Er unterscheidet «Befehlende Führung», «Visionäre Führung», «Gefühlsorientierte Führung», «Demokratische Führung», «Leistungsorientierte Führung» und «Beratende Führung».

Seine Kernaussage: Die besten Führungskräfte haben nicht nur einen Führungsstil, sondern können je nach Situation einen der sechs Führungsstile anwenden.

In Krisen ist zum Beispiel eher befehlende Führung gefragt. Wenn es darum geht, dein Team für eine neue Vision zu begeistern, helfen visionäre Führung und dann demokratische Führung, um alle Mitarbeitenden einzubinden.

Mein Pro-Tipp: Kommuniziere deinen Mitarbeitenden, welchen Führungsstil du normalerweise pflegst und erkläre, wenn du in einen anderen Stil wechselst.

Schritt 3: Reflektiere, wie gute Führung für dich aussieht. Welches Verhalten deiner Führungskräfte hat dich inspiriert und weitergebracht? Aber auch: Was hat dich demotiviert und frustriert? Daraus kannst du deine Werte in der Führung ableiten.

Für mich bedeutet gute Führung zum Beispiel, eine Kultur des Vertrauens aufzubauen. Gleichzeitig ist mir auch der Spass an ambitionierten Zielen, die man zusammen erreicht, sowie Respekt im Umgang miteinander wichtig.

Die alte Arbeitswelt war gestern. Heute kann jede von uns zur Veränderung beitragen – hin zu einer neuen, inklusiven Führungskultur und Arbeitswelt, in der nicht mehr vermeintliche Helden das Sagen haben, sondern teamorientierte Frauen und Männer gleichermassen. Lasst uns jetzt damit anfangen! #newleadership

Wie willst du führen und geführt werden? Was ist dir  wichtig, was willst du bewusst neu machen und was willst du nicht mehr machen? Und über welche Themen im Bereich Arbeitswelt und Leadership willst du gerne mehr lesen? Lass es mich wissen, schreib  mir in den Kommentaren auf Social Media oder an katia@wolfpak.io.

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