Es war der erste warme Frühlingstag. Die Sonne schien, und mein Sohn und ich spielten Fussball auf der Wiese. Wir lachten, rannten, machten Pausen im Gras. In einem dieser Momente schaute er mich an und sagte: «Mama, heute ist so schönes Wetter – da sind bestimmt viele Leute unterwegs. Lass uns einen Sirupstand machen!»
Ich lächelte. Nicht nur, weil die Vorstellung so charmant war. Sondern weil ich spürte: Da blitzt etwas auf: ein kleiner, mutiger Gedanke. Eine Idee mit Potenzial und der Wunsch, etwas Eigenes schaffen zu wollen.
Für einige mag diese Geschichte eine süsse Anekdote sein. Für mich war sie mehr. Ich sah Neugier, Kreativität und Tatendrang. Mein Sohn hatte nicht nur eine Idee – er hatte eine Vision, ein Ziel und den Impuls, ins Handeln zu kommen.
Und genau da beginnt unternehmerisches Denken: mit dem Wunsch, etwas zu gestalten. Mit dem Mut, eine Idee ernst zu nehmen. Und mit dem Vertrauen: Ich kann etwas bewirken. Genau das ist der Kern, um den es beim Unternehmertum geht.
Was bedeutet «unternehmerisch denken»?
Ein Unternehmer:innen-Mindset heisst nicht automatisch, ein Unternehmen zu gründen. Es bedeutet in erster Linie, eigenverantwortlich zu denken, Chancen zu erkennen, kreative Lösungen zu entwickeln – und aktiv zu werden. Es bedeutet auch, kalkulierte Risiken einzugehen, Unsicherheit auszuhalten und aus Fehlern zu lernen. Und vor allem: an sich selbst zu glauben.
Menschen mit diesem Mindset handeln, statt zu warten. Sie denken lösungsorientiert, bleiben agil und probieren aus. Sie geben nicht auf, wenn etwas nicht funktioniert, sondern passen an und denken weiter. Es ist eine Art Kreislauf: denken, ausprobieren, reflektieren, neu denken – wieder losgehen.
Sie fühlen sich nicht als Spielball der Umstände, sondern als Gestalter:innen ihrer Lebensrealität. Wenn etwas nicht funktioniert, fragen sie nicht: «Wer ist schuld?», sondern: «Was kann ich selbst verändern?»
Oft geht dieses Denken Hand in Hand mit dem sogenannten Growth Mindset – also dem Vertrauen darauf, dass Fähigkeiten nicht fix, sondern erlernbar sind: «Ich kann das NOCH nicht. Aber ich werde es lernen.» Wer scheitert, hat nicht verloren, sondern dazugelernt. Scheitern ist nicht das Ende – sondern ein Zwischenschritt. Wer so denkt, entwickelt Durchhaltevermögen und emotionale Stärke.
Warum unsere Kinder davon profitieren
In einer Welt, in der sich Jobprofile, Technologien und Lebensmodelle ständig verändern, sind Flexibilität, Eigenverantwortung und Kreativität essenziell. Kinder, die unternehmerisch denken lernen, wachsen mit dem Gefühl auf, ihr Leben gestalten zu können. Sie begreifen, dass sie nicht nur reagieren, sondern auch agieren können.
Ein Kind, das heute einen Sirupstand aufstellt, entwickelt morgen vielleicht eine App, engagiert sich für ein soziales Projekt oder ist mutig genug, Dinge anders und neu zu machen. Es geht nicht um Geld – es geht um Haltung, Selbstvertrauen und die Lust am Gestalten.
Wie wir als Eltern unternehmerisches Denken fördern können
Auch wer kein:e waschechte:r Unternehmer:in ist, kann diesen Unternehmer:innenspirit weitergeben. Wir können dieses Denken leicht in unseren Alltag integrieren und fördern, indem wir:
- Fragen stellen statt Lösungen vorgeben: «Was würdest du tun?» stärkt Denkvermögen, Kreativität und Selbstvertrauen.
- Spielräume schaffen: Ein Bastelmarkt, ein Flohmarktstand oder ein «Kiosk» in der Stube – das sind wertvolle Experimentierräume für erste unternehmerische Erfahrungen.
- Verantwortung übergeben: Mini-Projekte wie ein Sirupstand lehren Organisation und Umsetzung.
- Scheitern erlauben: Nicht jeder Versuch führt direkt zum Ziel. Entscheidend ist, was dabei gelernt wird – und dass es nochmal versucht wird.
- Ideen ernst nehmen: Ob Mode-Label, Gaming-Kanal oder Podcast – echtes Interesse und Support der Eltern wirken motivierend.
- Über Finanzen sprechen: Wer früh versteht, wie Geld funktioniert, wird sicherer im wirtschaftlichen Denken.
- Vorbilder sichtbar machen: Dokus über Startups, Gespräche mit Gründer:innen oder kleine Praktika öffnen neue Perspektiven.
- Freiheit geben: Vertrauen ist der grösste Antrieb. Wer entscheiden darf, trägt Verantwortung – und wächst daran.
Ich liebe die Idee meines Sohnes. Wie er sie mit funkelnden Augen präsentiert. Vielleicht bleibt es beim Sirupstand. Vielleicht wird es nie mehr als eine coole Kindheitserfahrung bleiben. Aber was er mitgenommen hat, zählt: «Ich habe eine Idee. Ich kann sie umsetzen. Ich kann gestalten.»
Genau das wünsche ich allen Kindern. Und – ganz ehrlich – uns Erwachsenen auch.

