Investierst du dein Geld an der Börse? Wenn ja, dann tust du dies wie ein Grossteil der Anleger:innen vermutlich nicht nur, indem du einzelne Aktien von Unternehmen kaufst, sondern auch, indem du in Fonds oder ETFs investierst. Auch die Pensionskassen legen übrigens deine Vorsorgegelder mehrheitlich so an.
Hinter diesen Finanzprodukten stehen die Vermögensverwaltungen der grossen Banken und Versicherungen – auch Asset Management genannt. Vermögens- und Fondsverwalter:innen investieren das Geld der Anleger:innen in verschiedene Unternehmen und vertreten ihre Eigentümer:innenrechte.
Stewardship: Zwischen Engagement und Eskalation
Konkret bedeutet das, dass Asset Managers die Stimmen ihrer Investor:innen vertreten, beispielsweise an der Generalversammlung der im Anlageprodukt enthaltenen Unternehmen. Durch diese Bündelung ganz vieler Stimmen besitzen Vermögensverwalter:innen beträchtliche Macht. Macht, die eingesetzt werden könnte, um nachhaltiges Handeln von Unternehmen zu fordern und fördern. Dieser Ansatz nennt sich Stewardship.
Stewardship-Aktivitäten umfassen unter anderem folgende Aspekte:
- Aktives Engagement: Neben der Ausübung von Stimmrechten an Generalversammlungen können Vermögensverwalter:innen aktiv in den Dialog mit den Unternehmen treten. So können sie deren Strategien und Praktiken im Sinne der Nachhaltigkeit beeinflussen.
- Monitoring und Reporting: Vermögensverwalter:innen sollten die Geschäftstätigkeiten der Unternehmen überprüfen und sicherstellen, dass diese ihre Nachhaltigkeitsziele einhalten. Diese Informationen sollten den Anleger:innen transparent zugänglich gemacht werden.
- Eskalation: Wenn Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele nicht erfüllen oder gar Massnahmen nicht einhalten, sollten Vermögensverwalter:innen einen Eskalationsplan mit unterschiedlichen Stufen bereithalten. Damit können sie Druck auf die Unternehmen ausüben. Diese Stufen können von öffentlichen Stellungnahmen bis zum Verkauf der Unternehmensanteile alles beinhalten. Wichtig ist jedoch, dass die Drohungen glaubhaft sind.
Vermögensverwalter:innen nutzen diese Stewardship-Ansätze gerne als Argument, weshalb sie nicht aus schmutzigen Industrien aussteigen und das Geld ihrer Anleger:innen trotzdem weiter darin investieren. So würden sie einen realen Beitrag an die Nachhaltigkeit leisten, wenn noch nicht nachhaltige Unternehmen ihre Praktiken verbessern.
Nachhaltigkeitsaktivitäten im roten Bereich
So weit, so gut. Nun zeigt eine neue Studie von Greenpeace jedoch: Die 14 grössten Vermögensverwalter:innen der Schweiz nutzen ihren Einfluss ungenügend, um Nachhaltigkeitsziele voranzutreiben. Kein einziger grosser Schweizer Asset Manager wie etwa BlackRock, UBS oder Axa erfüllt die Mindestanforderungen von Greenpeace, die sich an internationalen Klima- und Naturschutzzielen orientieren.
Laut Greenpeace scheinen zwar viele Asset Managers über wirksame Strukturen und Prozesse zu verfügen. Diese würden aber nur für die Minimierung finanzieller Risiken eingesetzt und nicht für Nachhaltigkeitsaspekte, die darüber hinausgehen.
Die Studie kommt zum Schluss, dass Schweizer Asset Managers vor allem im partnerschaftlichen Dialog mit Unternehmen stehen, ihnen aber ein konkreter Eskalationsplan fehlt oder die eigentlich vordefinierten Eskalationsschritte nicht in Anspruch genommen werden: «Selbst wenn es keine Fortschritte in Richtung der vordefinierten Ziele gibt, führen sie den Dialog oft weiter oder brechen ihn ohne Konsequenzen ab.» Desinvestitionen – also den Verkauf von Anteilen an Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen – gibt es kaum.
Green-Wishing
Dass die grossen Schweizer Vermögensverwalter ihren Einfluss nicht nutzen, hat weitreichende Konsequenzen. Denn die Schweiz hat im globalen Finanzwesen einen riesigen Hebel: Rund ein Viertel des globalen grenzüberschreitenden Vermögens wird hier verwaltet – das sind Vermögen im Wert von über 8000 Milliarden Schweizer Franken. Niki Vischer, Expertin für nachhaltige Finanzwirtschaft bei Greenpeace, sagt: «Die Ergebnisse sind besonders frustrierend, wenn man bedenkt, welch grossen Einfluss Vermögensverwalter mit ihrem Engagement und der Ausübung von Stimmrechten haben könnten.»
Die Resultate von Greenpeace stehen auch im krassen Widerspruch zur Tatsache, dass laut einer Studie von Swiss Sustainable Finance 62 Prozent der nachhaltigkeitsbezogenen Finanzprodukte angeben, ESG-Engagement anzuwenden. Das sind Aktivitäten, um Unternehmensspitzen davon zu überzeugen, ihre Nachhaltigkeit in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft zu verbessern. Weiter geben 32 Prozent dieser Finanzprodukte an, dass sie ihre Stimmrechte aktiv für die Verbesserung von Nachhaltigkeitsaspekten ausüben würden.
Damit diese Versprechen gegenüber Anleger:innen tatsächlich eingehalten werden können, brauchen Vermögensverwalter:innen laut Greenpeace ein klar definiertes Framework mit einem Aktionsplan und strikten Massnahmen für Unternehmen, die keine realistischen Pläne zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen haben. Dazu gehört auch ein Eskalationsplan mit glaubhaften Drohungen – und letztlich sichtbare Desinvestitionen, wenn Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsleistungen nicht verbessern.
Was du schon heute tun kannst
Bis die Branche und gegebenenfalls auch der Schweizer Regulator so weit ist, kannst du dich als Anleger:in an unabhängigen Labels orientieren, wie beispielsweise dem FNG-Siegel. Oder du orientierst dich an den SFDR-Richtlinien der EU. Wenn Anlageprodukte nach SFDR Artikel 9 qualifiziert sind, erzielen die Produkte explizit und messbar einen nachhaltigen Impact, wie beispielsweise die Reduktion von CO2-Emissionen oder die Förderung sozialer Gerechtigkeit. Niki Vischer erklärt: «Beim Impact-Investing geht es darum, neben der Rendite auch eine messbare, positive Wirkung auf die Realwirtschaft zu erzeugen.»
Zudem kannst du die Stimmrechtausübung von Fondsverwalter:innen prüfen. Niki Vischer sagt: «Bei Finanzprodukten wie Fonds oder ETFs ist es wichtig, sich über die Fondsverwaltung zu informieren und zu prüfen, ob die Vermögensverwalter:in meine Haltung und Prinzipien mit ihrer Stimmrechtsausübung vertritt.» Diese Informationen findest du normalerweise auf den Websites der Fondsverwalter:innen, wenn du nach Proxy Votes suchst.