«Die grosse Erwärmung begann mit Schnee, bauschige Flocken nahmen der Welt ihre Kanten, als sollten sich die Menschen noch einmal genau einprägen, was sie zu verlieren im Begriff waren», dachte ich im vergangen Winter.


Und es war einer dieser Sätze, die einfach da sind. Heute früh, als ich auf die weissen Dächer blickte, erinnerte ich mich wieder an ihn. Er könnte für sich schon der Beginn einer Erzählung sein, einer Erzählung mit ungewissem Ausgang. Doch anders als im letzten Jahr fehlt gerade die Kraft dazu, mir die globale Zukunft auszumalen. Und damit bin ich nicht allein: Google verzeichnete beim Suchbegriff «Klimaangst» im letzten Jahr einen Anstieg von 565 Prozent. Gemeint sind damit starke Ängste oder gar depressive Episoden und Burnouts, die durch das permanente Staccato von Hiobsbotschaften wie verheerende Extremwetterereignisse, abschmelzende Polkappen oder neue Rekorde der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ausgelöst werden, gekoppelt an das Gefühl, nichts dagegen unternehmen zu können.

Seraina Kobler
Zuerst aber, dachte ich, müssen wir kämpfen!

«Es wird eine Zeit kommen, da werden wir alle eine Praxis für unsere Trauer brauchen, die individuelle, aber auch die kollektive», sagte kürzlich eine Freundin, als wir zu «Allerseelen» anfangs November gemeinsam ein Erzählcafé organisierten. Und ich fühlte, dass sie recht hatte. Zuerst aber, dachte ich, müssen wir kämpfen! Womit ich nicht gerechnet hatte, ist die Zermürbung, die Müdigkeit. Und der Reflex, sich ins Kleine zu verkriechen, wenn das Grosse unbeherrschbar geworden ist, den Blick auf dieses winzige Stück Welt zu richten, das sich aus eigener Kraft beeinflussen lässt.

Seraina Kobler
Womit ich nicht gerechnet hatte, ist die Zermürbung, die Müdigkeit. Und der Reflex, sich ins Kleine zu verkriechen, wenn das Grosse unbeherrschbar geworden ist.

Doch vielleicht ist es auch die einzige Möglichkeit, um wieder Zuversicht schöpfen zu können. An einem klirrend kalten Novembertag, mit Kerzenlicht – und keinen Nachrichten, dafür mit Musik.

Warum nicht gerade jetzt?