Die Genfer Grünen entschieden kürzlich am Parteikongress, dass alle Kandidierenden, die 2023 an den kantonalen Wahlen teilnehmen, eine Charta unterschreiben müssen. In dieser verpflichten sie sich, sich ausschliesslich vegetarisch, besser noch vegan, zu ernähren. Zumindest dann, wenn sie im Namen der Partei unterwegs sind.

Das heisst: Die Kandidierenden der Genfer Grünen werden von nun an die «croissants au jambon» beim Stehapéro liegen lassen und den Hot Dogs die kalte Schulter zeigen. Und zwar unabhängig davon, ob das Fleisch direkt von einem mit Solarstrom betriebenen Bio-Bauernhof mit fröhlichen Freilandschweinen und Arbeitsplätzen für Menschen mit Beeinträchtigung stammt oder von einem börsenkotierten industriellen Lebensmittelkonzern mit laufenden Verfahren wegen Verletzung von Arbeitsrechten und Umweltstandards.


Soll man Fleischverbrauch verbieten?

Wie ist das ethisch einzuordnen? Es ist unbestritten, dass Fleischkonsum aufgrund seines CO₂-Abdrucks, aber auch wegen der für Futtermittel verwendeten Landflächen, dem massiven Wasserverbrauch etc., nicht nachhaltig ist. Aber soll man Fleischkonsum verbieten? Und sind Grüne, die Fleisch essen, überhaupt noch tragbar für die Partei?

Irritierend am Entscheid der Genfer Grünen ist der Fokus auf Situationen, in denen die Kandidierenden im Namen der Partei unterwegs sind. Was soll das? Ich erwarte von Grünen sowieso, dass sie ihren Fleischkonsum kritisch reflektieren und kein Fleisch essen, oder nur sehr wenig. Schliesslich sollten ihre Überzeugungen mit der Parteipolitik übereinstimmen; dazu gehört ein konsequent nachhaltiger Lifestyle. Und zwar unabhängig davon, wo sie gerade sind. Ein passionierter Fleischtiger, dessen Social-Media-Profile mit Fotos von saftigen Entrecôtes gesäumt sind, hätte hoffentlich Mühe, grüne Wähler:innen von sich zu überzeugen. Und zwar auch dann, wenn er seiner Fleischeslust nur im privaten Kreis nachgeht.

Dorothea Baur
Ich erwarte von Grünen sowieso, dass sie ihren Fleischkonsum kritisch reflektieren und kein Fleisch essen, oder nur sehr wenig. Schliesslich sollten ihre Überzeugungen mit der Parteipolitik übereinstimmen; dazu gehört ein konsequent nachhaltiger Lifestyle. Und zwar unabhängig davon, wo sie gerade sind.

Wo Grüne Fleisch konsumieren oder eben nicht, macht keinen Unterschied punkto Beitrag zur Nachhaltigkeit. Der Fokus auf vegetarischen Lifestyle an politischen Veranstaltungen schreit geradezu nach «Virtue Signalling», zu deutsch sinngemäss: Tugendangeberei. Er vermittelt: «Wenn ihr im Namen der Partei unterwegs seid, zeigt bitte der ganzen Welt, was für gute Menschen ihr seid.» Daraus könnte man mit ein bisschen bösem Willen folgern: «Wenn es niemand sieht, könnt ihr so viele Big Macs essen, wie ihr wollt.» Das erinnert an Lehrpersonen, die vor den Schulkindern nicht rauchen. Was durchaus Sinn macht. Stichwort Erziehungsauftrag. Aber sehen die Grünen ihre Kandidierenden als Lehrpersonen und ihre potenziellen Wähler:innen als Schulkinder?


Fleischverbot, Flugverbot, Autoverbot?

Für die Beschränkung des Fleischverbots auf den öffentlichen Politkontext gibt es allerdings gute Gründe. Dass das Ganze nach Tugend-Demonstration riecht und zur Doppelmoral einlädt, ist wohl eher Nebeneffekt als Vorsatz. Den Kandidierenden den Fleischkonsum kategorisch zu verbieten, wäre nämlich ein viel grösserer Eingriff in ihre persönliche Freiheit. So eine Vorschrift könnte Tür und Tor öffnen für weitere Bevormundung im Privatleben. Zum Beispiel für ein Flugverbot für alle Parteimitglieder. Und zwar auch für diejenigen mit Familienangehörigen in Übersee oder für solche, die sich in ihren Ferien in Biodiversitätsprojekten im Regenwald engagieren. Oder man könnte ein Autoverbot für alle Parteimitglieder fordern, auch für diejenigen, die in Randregionen wohnen. Eventuell könnte man eine Ausnahme für Gehbehinderte machen, sofern sie ein Elektroauto fahren. Als nächstes könnte man über ein Verbot von Ölheizungen in grünen Wohnungen nachdenken, zumindest sofern es sich um Wohneigentum handelt. Der Fantasie wären keine Grenzen gesetzt, wenn es darum ginge, Parteimitgliedern Grenzen zu setzen!

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Die Genfer Grünen haben also gute Gründe dafür, ihr Fleischverbot auf den politischen Kontext zu beschränken. Trotzdem: Es schmeckt nach oberlehrerhafter Erziehung und erhobenem Zeigefinger.

Fleischkonsum ist vermeidbar

Diese Klippen könnte man elegant umschiffen, wenn man den Fleischkonsum in eine Netto-Null-Strategie einbinden würde. Dann könnte man sagen: Wir wollen den ökologischen Fussabdruck unseres politischen Engagements so klein wie möglich halten. Wir haben ein Netto-Null-Ziel für Emissionen aus unseren politischen Aktivitäten. Netto Null erreichen wir in erster Linie, indem wir Emissionen vermeiden. Wir erwarten von euch, dass ihr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Veranstaltungen anreist. Genauso erwarten wir von euch, dass ihr an diesen Anlässen kein Fleisch konsumiert. Nur gerade diejenigen Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen, kompensieren wir. Fleischkonsum ist aber definitiv vermeidbar.

Dorothea Baur
Warum nicht den Fleischkonsum in eine Netto-Null-Strategie einbinden? Dann könnte man sagen: Wir wollen den ökologischen Fussabdruck unseres politischen Engagements so klein wie möglich halten. Wir haben ein Netto-Null-Ziel für Emissionen aus unseren politischen Aktivitäten. Netto Null erreichen wir in erster Linie, indem wir Emissionen vermeiden. Wir erwarten von euch, dass ihr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Veranstaltungen anreist. Genauso erwarten wir von euch, dass ihr an diesen Anlässen kein Fleisch konsumiert.

Leider schimmert diese plausible, pragmatische Sichtweise bei den Genfer Grünen nicht durch. Zumindest einem Teil von ihnen scheint es wirklich darum zu gehen, ihre Mitglieder zu «besseren Menschen» zu machen. Aus Prinzip. Das zeigt sich daran, dass zeitgleich mit dem Fleischverbot auch über ein Alkoholverbot für Kandidierende abgestimmt wurde. Netto-Null-Promille sozusagen. Allerdings scheiterte dieser Vorschlag. Das lässt vermuten, dass den Grünen das Wohl der Gänseleber wichtiger ist als das der eigenen. Irgendwie sympathisch. Prost!