Wie funktioniert die Börse? Was ist der Zinseszinseffekt? Solche Fragen werden in der Schule kaum besprochen, denn Finanzbildung findet in der Schule kaum Platz. Deshalb tun sich auch in der Schweiz viele Menschen schwer damit, die Welt der Finanzen zu verstehen – insbesondere Frauen. Das zeigen Studien. Das Manko wird leider auch im Erwachsenenalter häufig nicht behoben, dies nicht zuletzt, weil die Finanzindustrie die Komplexität des Systems künstlich aufbläht  mit unnötig kompliziertem Fachjargon. Diese künstlichen Hürden machen es vielen Menschen schwer, sich in der Finanzwelt zurechtzufinden und vor allem fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen. Eingeschüchtert setzen sich deshalb viele Menschen nicht mit dem Thema Finanzen auseinander – und verpassen damit Chancen für ihre finanzielle Zukunft.

Céline Meier
Die Komplexität des Finanzsystems ist künstlich aufgebläht. Dies macht es vielen Menschen schwer, sich in der Finanzwelt zurechtzufinden und vor allem fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen.

In diesem Artikel erklären wir dir drei grundlegende Finanzkonzepte, die bei jeder finanziellen Entscheidung von Bedeutung sind – sei es bei der Wahl deines Arbeitspensums, deiner Investitionsentscheidung oder der Verwaltung deines Budgets.

1) Die Sache mit den sogenannten Opportunitätskosten und der Care-Arbeit

Alle finanziellen Entscheidungen, die du triffst, gehen mit sogenannten Opportunitätskosten einher. Doch was bedeutet das genau? Opportunitätskosten bezeichnen das, was dir aufgrund deiner Entscheidung entgangen ist. Dies mag abstrakt klingen, lässt sich jedoch anhand einfacher Beispiele veranschaulichen. Wenn du beispielsweise ein Paar Schuhe für 200 Franken kaufst, bedeutet das, dass du diese 200 Franken nicht in deine Säule 3a einzahlen kannst. Dadurch entgeht dir auch die potenzielle Rendite, die du erzielen könntest, wenn dein Geld in der Säule 3a investiert wäre. Generell ist das Konzept der Opportunitätskosten besonders relevant bei Investitionsentscheidungen. Wenn dein gesamtes Geld beispielsweise auf dem Sparkonto liegt, solltest du darüber nachdenken, welche Opportunitätskosten damit verbunden sind. Die Möglichkeit, einen Teil des Geldes beispielsweise an der Börse zu investieren, könnte langfristig zu einer Rendite von über sechs Prozent führen.

Céline Meier
Wenn du einen Teil deiner Zeit für Care-Arbeit aufwendest, steht dir diese Zeit nicht für Erwerbsarbeit zur Verfügung. Opportunitätskosten bieten daher eine Möglichkeit, den Wert von Care-Arbeit zu messen.

Opportunitätskosten lassen sich jedoch nicht nur auf finanzielle Ressourcen anwenden, sondern auch auf Zeit. Dies ist besonders relevant bei Diskussionen über Care-Arbeit. Warum? Wenn du einen Teil deiner Zeit für Care-Arbeit aufwendest, steht dir diese Zeit nicht für Erwerbsarbeit zur Verfügung. Opportunitätskosten bieten daher eine Möglichkeit, den Wert von Care-Arbeit zu messen. Angenommen, du reduzierst dein Erwerbspensum von 100 auf 60 Prozent – dann entgehen dir 40 Prozent deines Lohns. Dieser Fakt sollte bei deiner Entscheidung, aber beispielsweise auch im Dialog mit deinem/deiner Partner:in, einbezogen werden.

2) Von Seerosen und Zinseszins

Den Zinseszins-Effekt kennst du bestimmt noch aus dem Matheunterricht in der Schule. Aber so richtig greifbar ist er für die meisten Menschen trotzdem nicht. Das hat damit zu tun, dass exponentielles Wachstum für das menschliche Gehirn schwierig zu verstehen ist. Veranschaulichen lässt sich der Zinseszinseffekt aber mit dem sogenannten Seerosenteich-Prinzip. Nehmen wir an, die Zahl der Seerosen in einem Teich verdoppelt sich jeden Tag. Wenn der Teich nach zehn Tagen ganz bedeckt ist, an welchem Tag war er dann zur Hälfte zugewachsen? Nicht am Tag fünf, wie es viele intuitiv erwarten würden, sondern am Tag neun.

Beim Zinseszins-Effekt ist es ähnlich. Je länger Geld investiert ist, umso stärker wächst seine Menge mit der Zeit. Es gilt also wie beim Seerosenteich: Jeder Tag zählt.

In einem Zahlenbeispiel ausgedrückt: Wenn du mit 35 Jahren beginnst, jeden Monat 300 Franken in deine Säule 3a einzuzahlen, erhältst du nach deiner Pensionierung rund 270'000 Franken aus der dritten Säule – vorausgesetzt, du wählst ein risikoreiches Anlageprofil mit einer entsprechenden Rendite von durchschnittlich 6.3 Prozent. Wenn du mit 45 Jahren startest, sieht die Rechnung etwas anders aus. Mit einer monatlichen Einzahlung von 300 Franken, erreichst du bei deiner Pension ein Endkapital von rund 130'000 Franken – vorausgesetzt du wählst ebenfalls ein risikoreiches Anlageprofil. Du erhältst also weniger als die Hälfte, und das, obwohl du nur 10 Jahre weniger investiert hast.

3) Das magische Dreieck der Geldanlagen

Was machst du mit deinem Geld? Gemäss Studien ist es leider auf der ganzen Welt so, dass Frauen deutlich weniger investieren als Männer. Während in der Schweiz 79 Prozent der Frauen regelmässig Geld auf ihr Sparkonto legen, investieren nur 18 Prozent ihr Geld regelmässig an der Börse. Das Geld auf dem Sparkonto ist zwar sicher und jederzeit verfügbar, aber leider verpassen viele Frauen damit Chancen, ihr Geld zu vermehren – also Chancen auf eine Rendite. Und hier kommt das magische Dreieck der Geldanlagen ins Spiel.

Céline Meier
Bei Geld-Entscheidungen solltest du grundsätzlich drei finanzielle Ziele ausbalancieren: Rentabilität, Sicherheit und Liquidität.

Bei Geld-Entscheidungen solltest du grundsätzlich drei finanzielle Ziele ausbalancieren: Rentabilität, Sicherheit und Liquidität. Was heisst das? Zum einen geht es darum, wie du dein erspartes Geld langfristig möglichst stark vermehren kannst – also eine Rendite erzielen kannst. Dies geht, indem du dein Geld in Anlageinstrumente wie Obligationen, Aktien oder Kryptowährungen investierst. Bei den Anlageinstrumenten gibt es wiederum solche, die höhere, und andere, die tiefere Gewinnchancen haben. Aktien haben beispielsweise in der Regel höhere Gewinnchancen als Obligationen. Diese Gewinnchancen kommen aber nicht ohne Nachteile. Aktien bringen nämlich im Vergleich zu Obligationen auch ein höheres Risiko mit sich, insbesondere wenn der Anlagehorizont nicht lang ist. Kurzfristig können die Börsen ganz schön schwanken – das hat sich beispielsweise während der Coronapandemie gezeigt. Es gilt also immer: Keine Rendite ohne Risiko. Wenn du mehr Sicherheit in Bezug auf dein Geld willst, dann wähle lieber Anlageklassen mit weniger Risiko, aber sei dir bewusst, dass deine Gewinnchancen dann auch tiefer ausfallen. Als dritte Komponente solltest du die Liquidität einer Anlage beachten. Das heisst, du solltest darauf achten, wie schnell dein Geld verfügbar ist. Wer zum Beispiel in eine Immobilie investiert, kann das Geld nicht von heute auf morgen rausnehmen, um unerwartete Rechnungen zu zahlen. Deshalb solltest du sicherstellen, dass du immer genug liquide Mittel – also am besten drei Monatslöhne – sofort verfügbar auf der Seite hast.

Die drei vorgestellten Geldkonzepte – Opportunitätskosten, Zinseszinseffekt und das magische Dreieck der Geldanlagen – sind in der Praxis übrigens eng miteinander verbunden. Deshalb solltest du sie bei finanziellen Entscheidungen nicht isoliert betrachten. Angenommen, du planst beispielsweise eine grosse Reise und möchtest dazu Geld von Anlagen wie Aktien abziehen; dann solltest du dir überlegen, welche Chancen du aufgrund dieser Entscheidung verpasst (Opportunitätskosten). Das Abziehen von Geld kann auch den Zinseszinseffekt unterbrechen, wenn du für einige Zeit keine weiteren Investitionen tätigst. Zudem musst du sicherstellen, dass nach der Reise genug Geld für Notfälle vorhanden ist und das Risiko in deinem Portfolio noch deinen Vorstellungen entspricht (magisches Dreieck der Geldanlagen).

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