Wenn junge Erwachsene volljährig werden, beginnt ein aufregender neuer Lebensabschnitt – Freiheit, Verantwortung und grosse Pläne. Doch ein Blick in die Statistik macht mich betroffen: Die Zahl der Betreibungen bei 18- bis 25-Jährigen steigt nach der Volljährigkeit um das 70-Fache. Hauptgründe sind unbezahlte Steuern, Krankenkassenprämien oder überstürzte Leasing- und Kreditverträge.



Ich finde es traurig, dass es überhaupt so weit kommt. Schulden in diesem Alter sind kein persönliches Scheitern – sie sind ein Systemversagen. Denn eigentlich sollten junge Menschen mit Zuversicht und einem soliden Fundament in die Unabhängigkeit starten können. Was fehlt, ist nicht Intelligenz, sondern Übung.

Wurzeln und Flügel – auch fürs Portemonnaie

«Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel», sagte Goethe. Für mich heisst das: Sicherheit im geschützten Raum – und das Vertrauen, selbstständig losfliegen zu können. Auch im Umgang mit Geld.

Simone Hoffmann
Schon kleine Beträge machen Kinder handlungsfähig und zeigen, dass Geld begrenzt ist.


Finanzielle Bildung ist kein Projekt für zwischendurch. Sie beginnt im Kindesalter und wächst mit – bis junge Erwachsene bereit sind, ihre Finanzen eigenständig zu managen. Doch wie lässt sich finanzielle Bildung über all die Jahre hinweg vom ersten Franken bis zum eigenen Einkommen sinnvoll gestalten? Und wie kann der Vermögensaufbau integriert werden? Wenn Kinder in der Schweiz ab etwa sechs Jahren Taschengeld bekommen, bleiben uns bis zum Auszug der Kinder circa 19 Jahre für diese finanzielle Reise. Diese Zeit lässt sich gut in vier Phasen des Geldmanagements einteilen – vom spielerischen Einstieg bis zur echten Verantwortung.


Phase 1: Taschengeld – erste Schritte zur Selbstständigkeit (6–12 Jahre)

Mit etwa sechs Jahren sind unsere Kinder bereit für ihr erstes wöchentliches Taschengeld. Schon kleine Beträge machen Kinder handlungsfähig und zeigen, dass Geld begrenzt ist. Ich merke es bei meinem Sohn: Mit seinem eigenen Geld trifft er viel überlegtere Entscheidungen als mit meinem.

Ab etwa zehn Jahren können wir das Taschengeld monatlich ausbezahlen. Kinder lernen dadurch, weitsichtiger zu planen.

Bei uns zu Hause werden auch schon erste Gespräche über das Investieren gestartet, um meinen Sohn mit Begrifflichkeiten und Vorgehensweisen vertraut zu machen.

Wer nach einem geeigneten Taschengeld-Modell sucht, wird in einer meiner früheren Kolumne fündig. Wichtig ist, mit Mädchen früh in das Thema zu starten. Wie eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, bekommen Mädchen später Taschengeld als Jungs. Diesen Gap gilt es natürlich zu vermeiden.


Phase 2: Jugendlohn – Verantwortung macht stark (ab 12 Jahren)

Jetzt wird’s konkreter: Der Jugendlohn (oder ein vergleichbares Budgetmodell) integriert reale Ausgaben wie Kleidung oder Handyabo in das Monatsgeld. Teenager lernen, zwischen «brauchen» und «wollen» zu unterscheiden – und ein eigenes Budget zu verwalten.

Zusätzlich können wir bereits den Notgroschen einführen: einen kleinen Betrag für Unvorhergesehenes, etwa ein kaputtes Fahrrad. Den Vermögensaufbau können wir weiter thematisieren: Wie hat sich das Depot entwickelt? Kamen Vermögenswerte hinzu oder wurden welche abgestossen? Wie gehen wir mit Krisen um? Etc.




Phase 3: Lehrlingslohn – Realität üben (ab 16 Jahren)

Mit dem ersten Lohn – etwa in der Lehre – wächst die Verantwortung. Gewisse Fixkosten wie Krankenkassenbeiträge können wir an unsere Kinder übertragen. Achtung: Diese steigen, wenn die Jugendlichen 18 Jahre alt werden. Wer finanziell dazu in der Lage ist, kann die Beteiligung an Familienkosten sogar symbolisch einführen – oder diesen Betrag zur Seite legen, um ihn später als «Startkapital» zurückzugeben.

Simone Hoffmann
Der Tag kommt, an dem unsere Kinder ausziehen. Was bleibt, ist das, was sie gelernt haben: mit Geld umzugehen, Ausgaben zu planen, Rücklagen zu bilden – und auch an ihre Zukunft zu denken.


Geldgespräche drehen sich nun um Steuern und wie sich diese berechnen, sowie Versicherungen, Konsum- vs. Hypothekenschulden, Budgetierung und Geldanlage. Auch hier gilt: Nicht belehren, sondern begleiten.


Phase 4: Der Auszug – geübt für den Ernstfall

Der Tag kommt, an dem unsere Kinder ausziehen. Was bleibt, ist das, was sie gelernt haben: mit Geld umzugehen, Ausgaben zu planen, Rücklagen zu bilden – und auch an ihre Zukunft zu denken.

Wer in den Jahren davor üben durfte, wird diesen Schritt mit mehr Sicherheit gehen. Vielleicht ist sogar schon ein kleines Depot vorhanden, das übergeben wird – idealerweise nicht überraschend, sondern gemeinsam aufgebaut.

Finanzielle Bildung ist Fürsorge – nicht Kontrolle

Geldgespräche am Küchentisch sind kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Sie schützen unsere Kinder vor Überforderung. Wir haben die Chance, eine neue Generation zu begleiten: eine, die bewusst mit Geld umgeht, Chancen erkennt und Verantwortung übernimmt. Unsere Kinder sollen nicht mit Schulden ins Leben starten – sondern mit Wissen, Mut und einem klaren Blick für ihre finanzielle Zukunft.

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