Seien wir ehrlich: Daran, dass fast alle Männer Pornos konsumieren, haben wir Frauen uns längst gewöhnt – gewöhnen müssen. Ganz egal, ob uns der Gedanke, dass unsere Männer sich zu den Bildern von anderen selbst beglücken, behagt oder nicht: Pornografie ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und dermassen normal, dass Kritik daran oft in Pauschalverdacht steht, aus dem «extremfeministischen Lager» zu kommen. Dies ist zumindest meine Erfahrung, nachdem ich in den letzten Jahren mit fast jedem Mann, mit dem ich eine intime Beziehung pflegte, über dieses Thema gesprochen habe.
Das Fazit dieser Gespräche: Die meisten Männer argumentieren, dass Pornos ein ökonomisches Gut seien, eine Transaktion mit Anbieter:innen und Abnehmenden, und kein Grund zur Aufregung oder gar zur Eifersucht.
Das könnte ich theoretisch akzeptieren, würden dieselben Männer erstens fürs Pornoschauen bezahlen, statt Gratispornografie im Internet zu konsumieren. Zweitens hapert es der Argumentation auch daran, dass sie meist nur für eine Seite des Handels zu gelten scheint: für diejenige des Konsums. Wenn ich den Spiess nämlich jeweils umdrehte und fragte, ob es denn ok wäre, wenn ich einen Onlyfans-Account eröffnen würde, war Eifersucht plötzlich doch ein Thema und die Theorie von der rein ökonomischen Transaktion nicht mehr gültig.
Versteht mich nicht falsch: Nichts liegt mir ferner, als Pornodarstellerin werden zu wollen. Im Gegenteil: Ich bin der «Adult-Industrie» gegenüber grundsätzlich sehr kritisch eingestellt. Vom Abstumpfungseffekt über die freie Verfügbarkeit von Onlinepornografie für Kinder bis hin zur ökonomischen Ausbeutung von Frauen durch die Industrie birgt sie tausendundeine Gefahr.
Wer sich für diese Themen interessiert, dem oder der empfehle ich den Film «Starke Frauen – kann Pornografie feministisch sein?», den Patrizia Laeri und ich 2021 zusammen produziert haben.
Hinzu kommt, dass Frauen, die «Adult Content» produzieren, gesellschaftlich noch immer geächtet werden – und genau da liegt für mich der Hund begraben: Wenn Männer Pornografie konsumieren, kaufen sie ein Gut, und niemand zuckt mit der Wimper. Wenn Frauen das gleiche Gut anbieten, werden sie moralisch verurteilt – und zwar nicht nur in ihren privaten Beziehungen, sondern auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.
Dazu ein kurzer Exkurs:
Bis vor Kurzem war die Pornobranche fest in Männerhand, genauer gesagt: in den Händen von MindGeek, einer Holding mit Sitz in Luxemburg. Bis 2023 besass und betrieb MindGeek mehr als 100 pornografische Websites, darunter neben Pornhub auch RedTube, YouPorn und Xtube. Nahezu jede professionelle Porno-Produktion, die im Internet zu finden ist, wurde von diesem Unternehmen produziert und vertrieben. 2023 wurde MindGeek an Ethical Capital Partners verkauft – eine Private-Equity-Firma, also ein Unternehmen, das private Investitionen, oft in nicht börsennotierte Unternehmen, tätigt.
Interessanterweise fand dieser Verkauf just einen Tag nach der Veröffentlichung von «Money Shot» auf Netflix statt – einer Dokumentation, die sich den Missständen in der Pornobranche widmet. Zum Beispiel der Tatsache, dass Pornhub unter MindGeek jahrelang Videos von Vergewaltigungen sowie Missbrauch von Minderjährigen vertrieb. Seither heisst das Unternehmen nicht mehr MindGeek, sondern Aylo, und gelobt Besserung. Was sich jedoch nicht geändert hat: Auch bei Aylo verdienen mehrheitlich Männer mit dem Verkauf von Frauenkörpern das grosse Geld – die Investoren und Anleger.
Anders sieht es auf der Plattform Onlyfans aus – einer Art Social Network, bei dem pornografische Inhalte hinter einer Paywall verborgen sind. Onlyfans hat innert kürzester Zeit geschafft, was bis anhin als nicht machbar galt: Pornografie im Internet für die Darstellenden direkt kapitalisierbar zu machen.
Seit dem Launch der Plattform 2016 gibt es darum Frauen, die richtig gut vom Verkauf ihrer eigenen Bilder leben – allen voran Sophie Rain. Die 21-jährige US-Amerikanerin aus einfachen Verhältnissen verdiente 2024 auf der Plattform sage und schreibe 43 Millionen Dollar mit sogenanntem «Adult Content». Zum Vergleich: Das ist dreimal mehr als der Jahreslohn von Sergio Ermotti, CEO der UBS.
Ich komme nicht umhin, vor dieser Lady meinen Hut zu ziehen. Sie hat so blutjung bereits für den Rest ihres Lebens ausgesorgt. Allerdings bezahlen sie und ihre Kolleginnen einen hohen Preis: Morddrohungen und Stalker gehören genauso zu ihrem Alltag wie Personenschutz.
Unsere Gesellschaft und insbesondere viele Männer empfinden es als normal, junge Frauen zu sexualisieren und ihre Körper zur Befriedigung der eigenen Lust im Internet sowohl zu konsumieren als auch zu verkaufen. Wenn eine Frau hingegen mit ihrem eigenen Körper das Gleiche tut, wird sie Opfer von Häme und Hass.
Solange sich dies nicht ändert, werde ich die Haltung von Männern gegenüber Pornografie immer wieder in Frage stellen. Oder anders: Solange ihn schon die reine Vorstellung davon eifersüchtig macht, dass fremde Männer sich online an anzüglichen Bildern von mir aufgeilen könnten, akzeptiere ich es nicht als «rein ökonomische Transaktion», wenn er das gleiche mit Bildern von anderen Frauen tut.
Ja, das unterstütze ich!
Weil Gleichstellung auch eine Geldfrage ist.
Wie wär’s mit einer bezahlten Membership?
MembershipOder vielleicht lieber erst mal den Gratis-Newsletter abonnieren?
Gratis NewsletterHilf mit! Sprich auch Du über Geld. Weil wir wirtschaftlich nicht mehr abhängig sein wollen. Weil wir gleich viel verdienen möchten. Weil wir uns für eine gerechtere Zukunft engagieren. Melde Dich bei hello@ellexx.com
Schicke uns deine Frage: