Patrizia Mancal arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Bademeisterin in Zürich. Im Money Talk erzählt sie, warum es ihr wichtiger war, einen Job zu machen, für den sie morgens gerne aufsteht, statt das grosse Geld zu verdienen, welchen Stellenwert Geld in ihrem Freund:innenkreis hat – und was Bademeisterinnen im Winter so machen.

Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:53
Ort:Zürich
Beruf:Bademeisterin und Parkwächterin (im Winter)
Einkommen:6800-6900 CHF, im Winter 70% davon
Schulden:keine
Grösster Ausgabeposten:Miete und Lebensmittel. Ich schätze gute Qualität beim Essen und guten Wein.
Vermögen:Etwas auf der Seite

Patrizia, wie teuer ist dein teuerster Badeanzug?

Das ist eine super Frage! (Lacht.) Ich habe zwei Arten von Badeanzügen: Solche zum Sportschwimmen – aber diese Badeanzüge sind nicht so teuer, vielleicht 80 Franken – und solche, die ich trage, wenn ich am Meer bin. Die kosten vielleicht 120 bis 130 Franken.

Und wie viele Badeanzüge hast du?

Oh, Bademeisterinnnen haben viiiiele davon (lacht). Ich habe vielleicht acht oder neun. Das sind aber alle Bikinis, Badekleider mag ich nicht. Wenn ich draussen im See schwimme, trage ich ein UV-Shirt.

Vor einiger Zeit haben Zürcher:innen darüber abgestimmt, ob Badis (See-, Fluss- und Freibäder) gratis sein sollen. Wie denkst du darüber?

Ich war sehr froh, als die Abstimmung abgelehnt wurde. Bäder in Zürich sind bereits subventioniert, und in einigen Bädern kann man ohnehin kostenlos baden. Wer wenig Geld verdient, kann eine KulturLegi beantragen und bekommt Eintritt oder Abos für die Hälfte des Preises. Was viele aber nicht wissen: Hinter Bademeister:innen und den Badis steckt ein grosser Apparat, der Geld kostet.

Wie meinst du das?

Beim Baden geht es auch um Sauberkeit und Sicherheit. Neben Bademeister:innen arbeiten Techniker:innen, Gärtner:innen, Schreiner:innen, Maler:innen oder das Büro im Hintergrund. Das hat alles seinen Wert. Zürich ist ja die Badestadt in Europa. Deshalb sollte man meiner Meinung nach auch dafür bezahlen.

Neben Bademeister:innen arbeiten Techniker:innen, Gärtner:innen, Schreiner:innen, Maler:innen oder das Büro im Hintergrund. Das hat alles seinen Wert. Deshalb sollte man meiner Meinung nach auch dafür bezahlen.

Findest du deinen Lohn denn angemessen angesichts der Verantwortung, die du trägst?

Ja, das finde ich. Ich bin bei der Stadt angestellt. Da habe ich einen guten Lohn, gute Sozialleistungen, eine gute Pensionskasse, genügend Ferientage und Weiterbildungen, die wir machen können. Ich bin zufrieden.

Hast du schon einmal Lohnungleichheit erlebt?

Also meinst du jetzt grundsätzlich oder auf die Badi bezogen? (Überlegt.) Mit meinen Arbeitskolleginnen spreche ich nicht so viel über den Lohn. Ich weiss nicht, ob aus Scham oder ob es vielleicht einfach nicht so ein Thema ist. Hier beim Sportamt fände ich es schwierig zu sagen, ob es Lohnungerechtigkeit gibt, weil verschiedene Faktoren ausschlaggebend sind. Aber wenn ich innerhalb meines Freundinnenkreises schaue, gibt es natürlich schon sehr unterschiedliche Lohnklassen.

Redest du mit deinen Freundinnen über Geld?

Wir haben alle sehr unterschiedliche Berufe, manche sind Anwältinnen, Ärztinnen, andere haben einen eigenen Laden oder sind auch Bademeisterinnen. Ich weiss, dass einige viel mehr Geld verdienen. Trotzdem sind unsere Finanzen eher weniger ein Thema.

Woran liegt das?

Vermutlich sprechen wir wenig darüber, weil niemand von uns finanzielle Probleme hat. Eine Freundin möchte jetzt in Marokko ein Riad kaufen – dann reden wir darüber, was das kostet, ob sie genug Geld dafür hat. Eher so.

Ich frage mich eben, ob es daran liegt, wie wir Frauen sozialisiert wurden.

Vielleicht, ich überlege gerade, ob Männer in meinem Umfeld mehr über Geld reden. Würde ich zwar nicht sagen. Ich merke einfach, dass sich in meinem Umfeld niemand über Geld definiert.

Hättest du dir schon mal gewünscht, dass du mehr Geld verdienst?

Nein. Meine Priorität war, dass ich gerne an einem Ort arbeite, dass ich die Menschen mag und dass ich morgens aufstehe und mich auf meinen Job freue. Da nehme ich Abstriche beim Lohn in Kauf – obwohl es natürlich super wäre, wenn man eine Arbeit macht, bei der man sehr viel Geld verdient. Aber ich habe auch keine Kinder und muss mich nicht um meine Nachkommen kümmern.

Meine Priorität war, dass ich gerne an einem Ort arbeite, dass ich die Menschen mag und dass ich morgens aufstehe und mich auf meinen Job freue.

Was machst du eigentlich im Winter, wenn die Saison vorbei ist?

Nach der Saison mache ich zuerst eine Woche Ferien. In der Badesaison, die von Mai bis Mitte September dauert, arbeiten wir oft mehr als 100 Prozent. Von Ende September bis Ende März bin ich zu 70 Prozent in einem Freibad angestellt, das ausserhalb der Badesaison als Park geöffnet bleibt. Den April mache ich jeweils frei und gehe drei bis vier Wochen weit weg, zuletzt war ich auf Mauritius.

War das schon immer so?

Als ich mit 30 angefangen habe, als Bademeisterin zu arbeiten, habe ich mir gar nicht überlegt, was das bedeutet. Früher habe ich im Winter temporär im Büro gearbeitet. Als vor fünf Jahren die Option mit dem Park kam, war das super. Sonst hätte ich mir schon überlegen müssen, ob ich die nächsten Jahre als Bademeisterin arbeiten will. Wenn du älter wirst, wartet niemand auf dich. Auf dem jetzigen Arbeitsmarkt sowieso nicht.

Kannst du dich noch erinnern, wer mit dir zu Hause über Geld geredet hat?

(Überlegt lange.) Vermutlich eher meine Mutter. Ich überlege deshalb so lange, weil sich das Verhältnis zu Geld in unserer Familie mit der Zeit sehr verändert hat. Meine Eltern sind 1968 aus Prag in die Schweiz geflüchtet. Da waren sie sehr jung, hatten nur ihren Koffer dabei, und kurz darauf bin ich zur Welt gekommen. Da hatten sie natürlich kaum Geld.

Und wie war es später?

Da sie beide gute Ausbildungen hatten, haben sie sich, wie viele Menschen aus der Tschechoslowakei, hochgearbeitet und irgendwann sehr gut verdient. Als Teenager wuchs ich in einem Haushalt auf, in dem überdurchschnittlich viel Geld da war.

Was haben dir deine Eltern in Bezug auf Geld mitgegeben?

Auch wenn wir aus finanzieller Sicht sorglos gelebt und schöne Ferien gemacht haben, teure Autos hatten und meine Mutter sich gerne elegant kleidete und mit teuren Taschen herumlief: Meine Eltern haben mich nicht verwöhnt in Bezug auf Geld. Es war immer klar, dass ich mein Geld selbst verdienen und etwas dafür tun musste. Was man aber sagen kann, ist, dass mir die finanzielle Lage meiner Eltern bis heute Sicherheit gibt.

Inwiefern?

Sie verwöhnen mich nicht, und das würde ich auch nicht wollen. Aber manchmal ermöglichen sie mir gewisse Dinge. Und da sie ihr Geld gut investiert haben, werde ich als Einzelkind sicher auch noch etwas erben. Das gibt einem ein beruhigendes Gefühl für die Zukunft.

Investierst du selbst?

Nein, das mache ich nicht.

Wie sorgst du denn privat fürs Alter vor?

Ich zahle in meine dritte Säule ein, das ist alles. Ehrlich gesagt interessiert es mich eben gar nicht, Geld zu vermehren, und ich verstehe es auch nicht so ganz (lacht). Vielleicht müsste ich damit anfangen, Geld zu investieren fürs Alter, und womöglich bin ich da etwas unvernünftig. Ich denke aber, es hat auch mit meiner komfortablen Situation zu tun, dass ich weiss, dass ich im Alter nicht gerade auf dem Trockenen sitzen werde. Wobei es da ja auch keine Garantien gibt.

Letzte Frage: Was ist Geld für dich?

Das ist eine gute Frage (überlegt). Geld ist für mich insofern wichtig, dass ich ein schönes und komfortables Leben führen kann mit dem Lohn, den ich habe. Das ist kein riesiger Lohn, aber ich kann mir leisten, was ich möchte.

*Das Gespräch erschien ursprünglich am 30. Oktober 2023