Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven. Wir wollen auch Männer auf der Plattform ansprechen und zu unseren Botschaftern machen.

Tobias Schubert gründete 2014 den Online-Hofladen Farmy – obwohl er selbst nicht einkauft. In den Männerfragen spricht er über die Herausforderungen von Familie und Start-up, Männeregos und Gesichtsmasken.

Farmy liefert regionale und nachhaltige Produkte vom Hof direkt an die Haustür. Wollt ihr mit eurem Konzept Hausmännern das Leben erleichtern?

(Stutzt und schmunzelt.) Auf jeden Fall. Mein Co-Founder Roman Hartmann kann sehr gut kochen, ich gar nicht. Ein Einkauf überfordert mich total. Darum bin ich dankbar, dass wir uns selber eine Lösung geschaffen haben.

Du erledigst also den Wocheneinkauf für die Familie?

Nein, das ist bei uns klassisch. Meine Frau kocht und kauft ein. Ich koche ganz selten mal. Vielleicht werde ich es in Zukunft etwas mehr tun. Aber grundsätzlich fehlt mir dazu die Musse.

Als Start-up wart ihr auf Investor:innen angewiesen. Wie war es, mit einem Projekt zum Thema Einkaufen auf Kapitalsuche zu gehen?

Die Kapitalsuche war bei Farmy schwierig. Aber das ist wohl nicht nur bei uns so. Die Suche nach Investor:innen ist für alle Start-ups Knochenarbeit. Es ist wie beim Rattenfänger von Hameln: Wenn man die Ersten überzeugt hat, dann geht’s plötzlich Schlag auf Schlag. Trotzdem ist es ein Kraftakt.

Tobias Schubert, Co-Gründer Farmy
Ich finde es beschämend, dass ein so reiches Land wie die Schweiz Eltern nicht mehr unterstützt.

Hat es dich verunsichert, dass euch bei Pitches vor allem Frauen gegenüber sassen?

(Ist sichtlich irritiert.) Ich überlege gerade. Wir haben natürlich auch Frauen als Investorinnen. Wenn ich so darüber nachdenke, muss ich sagen, dass es immer angenehm war, vor Frauen zu pitchen – manchmal fast angenehmer als vor Männern.

Warum das?

Die Stimmung war anders. Es hat sich manchmal so angefühlt, als würde man seiner Mutter den Pitch erklären. Wir haben Unternehmerinnen getroffen, die sich mit unserem Thema identifizieren konnten und für unsere Idee brannten. Aber grundsätzlich ist die Start-up-Welt und gerade die Investor:innenseite sehr männlich. Ich würde sagen, wir haben zu 95 Prozent mit Männern gesprochen.

Inwiefern hat dir deine Attraktivität bei der Kapitalsuche geholfen?

Meine?! Danke für das Kompliment. Darüber hab ich mir noch nie Gedanken gemacht. (Lacht und muss sich kurz sortieren.) Ich glaube nicht, dass mein Aussehen eine grosse Rolle gespielt hat. Es gibt sehr viele Menschen, die attraktiver sind als ich.

Da bist du aber bescheiden.

Naja, Attraktivität ist subjektiv. Ich kann mir vorstellen, dass Frauen eher über das Aussehen definiert werden. Ich habe auch schon Studien gelesen, dass attraktive Frauen bei Männern besser ankommen und so beispielsweise bei Pitches im Vorteil sind. Als Mann habe ich keine solchen Erfahrungen gemacht.

Wie viel Mut hat es gebraucht, als Mann ein Start-up zu gründen?

Egal ob Mann oder Frau, ein Startup zu gründen, braucht immer Mut. Man verlässt eine Komfortzone. Als Mann spielt die familiäre Situation bei der Gründung sicher eine Rolle: Ist man Alleinverdiener? Hat man Kinder? Ist man Hausmann? Wo steht die Partnerin karrieretechnisch? Was kann die Partnerin zum Familieneinkommen beitragen? Das sind Fragen, die man sich stellen muss. Und je nach Situation ist das Risiko anders. Dieselben Fragen muss sich eine Frau aber auch stellen.

Wie war deine familiäre Situation, als ihr Farmy 2014 gegründet habt?

Eigentlich sehr unpassend. Meine Frau hatte eine Top-Position in Moskau, die sie aufgeben hat, weil wir für das Start-up in die Schweiz gezogen sind. Ausserdem haben wir mitten in der Anfangsphase von Farmy unsere beiden Kinder bekommen. Rückblickend war das eine katastrophale Situation. Ich würde niemandem empfehlen, das so zu machen. Vor allem nicht in der Schweiz. Hier macht es echt keinen Spass, ein Start-up zu haben und gleichzeitig Kinder zu kriegen.

Wegen der  fehlenden Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Genau. Es fehlt in der Schweiz an Unterstützung. Die Kosten für die familienergänzende Betreuung sind enorm hoch. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sie weltweit am höchsten sind.

Das ist tatsächlich so. In der Schweiz tragen Eltern die Hauptlast der Betreuungskosten – im Gegensatz zu den meisten anderen OECD-Ländern.

Das ist eine Katastrophe. Ich finde es beschämend, dass ein so reiches Land wie die Schweiz Eltern nicht mehr unterstützt. Es führt dazu, dass Frauen in die klassische Rolle gedrängt werden.

Tobias Schubert, Co-Gründer Farmy
Es bringt nichts, immer einer Meinung zu sein. Man muss auch mal direkt sagen können, wenn man etwas schlecht findet.

Und wer betreut denn jetzt deine Kinder?

Meine Frau hat die Betreuung komplett übernommen. Zu Beginn hatten wir finanziell keine andere Wahl. Heute ist unsere Situation besser. Wir sind zwar dabei geblieben, dass meine Frau die Kinder betreut und ich arbeite. Aber inzwischen ist dieses System selbstgewählt. Ich bin sehr dankbar, dass sie die Rolle der starken Mutter wahrnimmt. Ich sehe es als Privileg, dass ein Elternteil nicht arbeiten muss. Kindererziehung ist eine verantwortungsvolle und wichtige Lebensaufgabe. Wenn ich nicht so viel arbeiten müsste, würde ich das auch übernehmen. Momentan geht es nicht. Ich hätte aber kein Problem damit, die Rollen zu tauschen.

Hast du nie ein schlechtes Gewissen, zu Hause etwas zu verpassen?

Jein. Ich verbringe mit meinen Kindern deutlich weniger Zeit als meine Frau. Ich arbeite sehr viel, und wenn ich daheim bin, muss ich mich erstmal ausruhen. Unsere quality time ist also begrenzt. So gesehen habe ich schon ein schlechtes Gewissen. Aber: Ich arbeite ja nicht so viel, weil ich keine Lust auf die Kinder habe, sondern weil ich muss. Jemand muss das Geld verdienen. Darum habe ich dann auch wieder kein schlechtes Gewissen.

Was ist dir wichtiger: der Job oder die Familie?

Das ist jetzt eine Fangfrage, oder? Natürlich muss man sagen die Familie. Damit es der Familie gut geht, müssen aber die Finanzen stimmen. Der Job ist mir darum sehr wichtig. Indem ich momentan den Job priorisiere, priorisiere ich auch die Familie.

Roman Hartmann und du führt das Unternehmen als Co-CEOs. Wie geht ihr mit Zickenkrieg um?

Dieses Problem haben wir nicht. Ich glaube tatsächlich, dass das bei Männern im Allgemeinen weniger vorkommt als bei Frauen. Wir sagen uns direkt ins Gesicht, was wir voneinander halten.


Kann man eine so wichtige Funktion überhaupt teilen?

Das geht sehr gut, unter gewissen Voraussetzungen: Die Persönlichkeiten sollten komplementär und die Verantwortlichkeiten klar aufgeteilt sein. Für jeden muss an erster Stelle das Wohlergehen der Firma stehen und nicht das eigene Ego. Und schliesslich pflegen wir eine gesunde, ehrliche Streitkultur. Es bringt nichts, immer einer Meinung zu sein. Man muss  direkt sagen können, wenn man etwas schlecht findet. Genauso muss man Kritik einstecken können. Es geht darum, mit sachlichen Argumenten zu überzeugen und rational im Sinne des Unternehmens zu handeln.

Seid ihr als Männer nicht zu emotional für solche sachlichen Diskussionen?

Ich glaube, Frauen sind mindestens so emotional. Ich bin aber überzeugt, dass Männer eher mal Probleme haben, ihr Ego runterzufahren.

Als Lebensmittelhändler verhandelt ihr viel mit Landwirt:innen und Produzent:innen. Seid ihr dafür tough genug?

(Lacht und überlegt lange.) Das ist eine gute Frage. Sind wir stark genug dafür? Da bräuchte ich jetzt eine witzige Antwort.

Das muss nicht sein, du kannst mir auch einfach sagen, welche Eigenschaften es deiner Meinung nach braucht.

Also gut. Ich glaube, man muss gar nicht unbedingt tough sein. Wir stehen ja für einen fairen Umgang mit unseren Produzent:innen. Uns geht es um ein Miteinander. Da sind Sympathien und Emotionen genauso wichtig wie Verhandlungsgeschick. Frauen sind in dem Bereich mindestens so stark wie Männer oder sogar besser. Unser Einkaufsteam besteht übrigens zu rund 90 Prozent aus Frauen.

Farmy ist inzwischen der drittgrösste Online-Shop der Schweiz für Lebensmittel. Fragst du dich nie, ob du das alles kannst?

Nein, noch nicht. Wir sind auf einem guten Weg. Selbstzweifel plagen mich darum nicht. Aber Angst hat man als Unternehmer ständig. Und das ist auch gut so.

Tobias Schubert, Co-Gründer Farmy
Angst hat man als Unternehmer ständig. Und das ist auch gut so.

Worauf legst du eigentlich Wert bei deinem Look?

Oh, das ist eine Frage, die mich immer etwas peinlich berührt. Mein Look ist mir nicht so wichtig. Ich kaufe wenig Kleider. Wenn ich einkaufe, dann wähle ich ein nachhaltiges Label und Stücke, die etwas länger halten. Ich bin eher der funktionale Typ und ein bisschen ein Stilmuffel.

Deine Frisur sitzt trotzdem gut. Wie lange brauchst du am Morgen für deine Körperpflege?

Vielleicht 15 bis 20 Minuten. Nein, das ist übertrieben. Ich bin sehr schnell. Ich dusche innerhalb von zwei Minuten und zieh mich dann einfach an.

Also kein Beauty-Geheimnis?

(Überlegt.) Doch. Ich war letztes Jahr im Sommer über einen Gletscher wandern. Dabei habe ich einige Leute beobachtet, die sich von Kopf bis Fuss mit dem Gletscherschlamm eingeschmiert haben. Von dem Schlamm habe ich mir etwas mitgenommen und mir zu Hause ein-, zweimal Gletscherschlamm-Gesichtsmasken gemacht. Ob es was gebracht hat, weiss ich nicht.

Und wie hältst du deinen Körper in Form?

Ich bin ein Verfechter von «naturally high». Ich mache fast täglich Sport und ernähre mich gesund. Das war schon immer so. Momentan schwimme und laufe ich und mache Crossfit. Ich habe aber schon diverse Sportarten ausprobiert von Judo, Handball und Leichtathletik über Skateboarden, Triathlon und Freeriden bis zu Segeln. Sport tut mir einfach gut.

Du hast die Fragen geschafft. Wie geht’s dir?

Danke, gut. Es hat Spass gemacht.

Mir auch, danke für das Gespräch.