Über Geld spricht man nicht? Falsch. Im Money Talk tun wir genau das. Wir wollen einen Dialog anstossen – über Einkommen, Mut, Verantwortung und finanzielle Realität. Heute mit Noemi Gämperli, gelernte Coiffeuse und Gründerin von AOMI, einem Coiffeur-und Make Up-Salon.

Was braucht es, um alles auf eine Karte zu setzen? Noemi Gämperli hat genau das getan – mit ihrem gesamten Ersparten, viel Herzblut und einer klaren Vision. In ihrem stilvoll ausgebauten Salon in der Stadt Zürich erzählt sie, warum sie kein finanzielles Netz, aber einen Plan hatte.

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Finanzieller Hintergrund
Alter: 35
Ort: Zürich
Beruf: Unternehmerin, Inhaberin AOMI GmbH (Coiffeursalon), Coiffeuse
Einkommen: Im oberen Bereich für die Branche
Grösster Ausgabeposten: Miete und Krankenkasse
Schulden: keine
Vermögen: Alleineigentümerin AOMI GmbH, solide Vorsorge (Pensionskasse und 3. Säule), Sparkonto

Wie viel Mut hat dich die Gründung deines eigenen Coiffeursalons AOMI gekostet?

Sehr viel Mut. Die Gründung war für mich ein absolutes Herzensprojekt und der Wunsch, mich in meinem Beruf weiterzuentwickeln. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem Schönheit, Nachhaltigkeit und Wohlbefinden zusammenkommen. Und mir war wichtig, einen attraktiven Arbeitsplatz zu gestalten – einen Ort, an dem sich Mitarbeitende entfalten können. Der Weg dahin war allerdings alles andere als geradlinig.

Wie bist du zu Beginn vorgegangen?

Ich habe mir verschiedene Läden angeschaut, um eventuell irgendwo einzusteigen oder mich zu beteiligen. Aber die Verhandlungen waren schwierig, oft intransparent. (Schüttelt den Kopf.) Deshalb habe ich mich entschieden, ganz neu zu starten – auf der sprichwörtlichen grünen Wiese. Es war ein Sprung ins kalte Wasser.

Und wie viel Geld hat dich die Gründung gekostet?

Mein komplettes Erspartes im 6-stelligen Betrag. (Schmunzelt leicht.) Und natürlich sehr viel Zeit und Herzblut.

Gab es Momente, in denen du gezweifelt hast, dich gefragt hast, ob du dir das leisten kannst?

Klar, immer wieder. Diese Ängste sind normal. Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich mir dachte: Irgendjemand wird schon zum Haareschneiden kommen. (Lacht.) Und wenn nicht, dann habe ich mein Erspartes verloren – mehr nicht. Dann hätte ich mir wieder einen Job gesucht, das war mein Plan B.

Hat dich dein Umfeld bei der Eröffnung deines Geschäfts unterstützt?

Ja, meine Familie war eine grosse Stütze – moralisch. Finanziell habe ich alles allein gestemmt.

Du hast vor der Gründung acht Jahre als Coiffeuse gearbeitet. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?

Viel. Ich hatte das Glück, eine sehr gute fachliche Ausbildung bekommen zu haben. Menschlich hat es während der Ausbildung allerdings nicht gepasst. Danach habe ich in einem Betrieb mit tollem Team und guter Chefin gearbeitet. Ich wollte in meinem eigenen Unternehmen beides vereinen: hohe Professionalität und ein respektvolles Miteinander.


Was war die grösste finanzielle Herausforderung bei der Gründung?


Der Mietvertrag mit Mindestlaufzeit – den unterschrieb ich 2020. Damals, mitten in der Corona-Krise, gab es nur wenige passende Objekte. Ich wollte das Risiko absichern und gründete eine GmbH. Den Ausbau des Ladens habe ich komplett selbst organisiert und geplant – neben meiner 100-Prozent-Anstellung. Das war sehr fordernd.


Was war dein grösstes Learning als Unternehmerin?


Einen realistischen Plan zu haben. Verschiedene Szenarien durchzudenken. Und zu wissen, wann man weitermacht – und wann man aussteigen würde. Diese Klarheit gibt Sicherheit.


Was bedeutet Geld für dich persönlich?


Für mich ist Geld primär ein Mittel zum Zweck, aber ein sehr wichtiges. Es ermöglicht mir, Grundbedürfnisse wie Wohnen und Gesundheit abzusichern – beides wird ja gerade in einer Stadt wie Zürich immer teurer. Eine solide finanzielle Basis und eine gute Planung geben mir Sicherheit und die Freiheit, meine Zukunft selbstbestimmt zu gestalten.


Gab es eine Kindheitserfahrung, die deinen Umgang mit Geld geprägt hat?


Meine Mutter sagt, dass ich schon als Kind gut mit Geld umgehen konnte. (Schmunzelt.) Ich habe eher gespart als alles gleich auszugeben – vielleicht ein frühes Anzeichen meiner unternehmerischen Seite.


Hat sich dein Verhältnis zu Geld verändert, seit du selbstständig bist?


Ja, definitiv. Ich habe ein viel grösseres Verständnis dafür entwickelt, was es bedeutet, unternehmerisch zu denken und Verantwortung zu übernehmen.


Du arbeitest in einer Branche, in der Konsum eine zentrale Rolle spielt. Wie gehst du persönlich mit Konsum um?


Im Zentrum meines Konsumverhaltens steht Achtsamkeit. Ich überlege mir, was ich wirklich brauche – Qualität und Langlebigkeit haben für mich einen höheren Stellenwert als Quantität. Zeit in der Natur, Bewegung und echte Begegnungen sind für mich wertvoller als materielle Dinge. Diese Haltung lebe ich auch im Salon: Bei AOMI setzen wir auf bewusst ausgewählte Produkte, reduzieren Überfluss und schaffen Raum für echtes Wohlbefinden.



Hast du jemals eine Anschaffung bereut – oder im Gegenteil etwas besonders Sinnvolles gekauft?


Nein, ich glaube nicht, dass Gegenstände glücklich machen. Die Gründung von AOMI war besonders sinnvoll, sie trägt mittlerweile massgeblich zu meiner persönlichen Lebensqualität bei. 


Investierst du?


Ich habe eine dritte Säule. Der Fokus liegt ansonsten auf der Entwicklung meines Unternehmens. 


Wenn du Geld anlegen würdest: Wäre Nachhaltigkeit für dich der wichtigste Faktor?


Nachhaltigkeit wäre mir auf jeden Fall wichtig – aber mit dem Bewusstsein, dass nicht alles, was als nachhaltig gilt, auch transparent oder sinnvoll ist. Ich gebe zu: Das Thema Geldanlage war für mich bisher nicht zentral. 


Kannst du dir vorstellen, dich künftig mehr damit zu beschäftigen?


Vielleicht. Man liest ja überall, dass man das tun sollte. Aber aktuell fehlt mir die Kapazität dafür. Meine Priorität liegt auf dem Weiterentwickeln meines Unternehmens. 


Welche finanzielle Frage sollte sich jede Frau stellen?


Was brauche ich, um meine Lebensziele zu verwirklichen? Und: Wie sieht meine Altersvorsorge aus? Besonders Gründerinnen sollten ihren finanziellen Spielraum und mögliche Exit-Punkte kennen.


Wie gehst du damit um, dass Geld oft noch immer ein Tabu ist?


In meinem persönlichen Umfeld ist Geld kein grosses Thema. Aber in meiner Branche ist es mir wichtig, faire Löhne zu zahlen. Ein fairer Lohn ist ein Einkommen, das sowohl den Bedürfnissen der arbeitenden Person gerecht wird als auch im Verhältnis zu ihrer Leistung, Qualifikation und Verantwortung steht.

Es gibt viele Billigangebote – das kann nicht fair ablaufen. Da braucht es bessere gesetzliche Rahmenbedingungen.


Spürst du Ungleichstellung zwischen den Geschlechtern?


In meinem direkten Umfeld nicht. Generell aber werden Frauen beim Thema Geld oft nicht ernst genommen. Das will ich als Chefin anders machen.


Du hast allein begonnen – wie ist es heute mit einem Team?


Es ist eine Umstellung. Früher habe ich alles alleine gemacht. Jetzt entsteht ein Team, mit neuen Strukturen und neuen Herausforderungen. (Lächelt.) Das ist eine schöne Entwicklung.


Letzte Frage: Was war deine mutigste Entscheidung?


Die Gründung meiner GmbH. Und jeder neue Schritt seither. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen – die Frage ist nicht, ob sie kommen, sondern wie man damit umgeht.