In den USA ist er wieder da: der starke Mann. Laut, hierarchisch, autoritär. Donald Trump inszeniert sich als das fleischgewordene Patriarchat auf der Weltbühne. Elon Musk kürzt mit der Kettensäge durch Behörden und seine Konzerne – radikal, oft willkürlich.
Auch hierzulande wird das registriert. Und manch einer sagt, halb grinsend, halb provokant: «Ich hab’s ja immer gesagt. Führung braucht einen starken Mann.»
Wirklich?
Die Kraft der leisen Stärke
Während Alphamänner auf der Bühne lärmen, erleben wir zeitgleich eine stille Revolution:
Frauen, die nicht brüllen müssen, um gehört zu werden, werden Chefinnen. Frauen, die nicht ins Raster passen, werden auf einmal gefördert.
Weil es viele Chefs und Chefinnen gibt, die erkennen: In der leisen Stärke liegt eine grosse Kraft – und die braucht es, gerade in Zeiten wie diesen, in denen Transformation zur einzigen Konstante wird.
Viel zu lange haben Firmen nur auf die Lauten gesetzt. Auf jene, die sich gut präsentieren können, die gut reden und die sich schnell mit den Vorgesetzten verbrüdern.
Das Ergebnis? In vielen Organisationen herrscht Stillstand. Weil die, die laut reden, oft nicht die sind, die Veränderung auch wirklich durchsetzen, gegen alle Widerstände.
Introvertierte CEOs
Jim Collins hat dieses Phänomen bereits vor 20 Jahren in seinem Bestseller «Good to Great» beschrieben: Die besten Führungskräfte kombinieren Demut mit Durchsetzungsstärke. Er nannte es Level 5 Leadership – und stellte fest: Diese Führungspersönlichkeiten treten nicht laut auf. Sie übernehmen Verantwortung, teilen den Erfolg mit dem Team und agieren langfristig. In seinem Sample erfolgreicher Unternehmen waren viele dieser CEOs eher introvertiert, analytisch – und überraschend häufig Frauen.
Und genau hier liegt der Knackpunkt für die Leadership-Rekrutierung von morgen: Wir übersehen diese Talente oft, weil wir uns blenden lassen von Schein statt Substanz, von Bühnenpräsenz statt Wirkung. Lautheit ist kein Leadership-Indikator. Leise Menschen können exzellent führen – aber sie brauchen Mentor:innen, die erkennen, was in ihnen steckt.
Was mich freut: Immer mehr Chef:innen sehen diese Qualitäten. Und setzen neue Kriterien für die, die sie in Führungspositionen befördern.
Die Bossinnen von morgen ticken anders
Natürlich wirkt das «Zerschlagen von Strukturen» zunächst kraftvoll. Elon Musk feuerte 80 Prozent der Twitter-Belegschaft und nannte es «Befreiung».
Doch was kurzfristig markig klingt, ist langfristig selten nachhaltig. In einer Welt, die auf Vernetzung, Vertrauen und Wissenstransfer basiert, wirken autoritäre Reflexe wie Rückfälle in ein Industriezeitalter. Ja, man kann mit harter Hand Kosten senken.
Langfristiger Erfolg aber entsteht durch Menschen, die sich einbringen und mitgestalten – nicht durch Angst. Veränderung braucht Raum, Sicherheit und Beteiligung. Nicht Repression.
Und so bauen die neuen Bossinnen nicht auf Autorität, sondern auf Vertrauen. Sie kontrollieren nicht jede Entscheidung, sondern befähigen ihr Team, selber zu entscheiden. Sie führen nicht über Angst, sondern über Ambition. Sie sind erfolgreich damit – aber sie protzen nicht damit.
Die neue Leadership braucht keine Lautstärke. Sie braucht Wirkung und Substanz. Und:
- Führungskräfte, die sich nicht verbiegen.
- Führungskräfte, die zuhören.
- Führungskräfte, die Klarheit geben, statt Krawall zu machen.
- Führungskräfte, die führen – nicht herrschen.
Konkrete Schritte für angehende Bossinnen
- Finde deine Führungsstimme. Du musst nicht lauter werden – sondern klarer. Üb es, in Meetings auf den Punkt zu kommen. Weniger erklären, mehr entscheiden.
- Bau deine Entscheidungs-Autorität auf. Setz auf Daten, Resultate und Wirkung. Zeig, dass du nicht nur empathisch bist, sondern auch umsetzen kannst.
- Bleib bei dir. Du musst nicht wie Elon Musk führen, um Erfolg zu haben. Du hast die grösste Wirkung, wenn du in deiner Kraft bleibst und andere damit inspiriert.
Die Zukunft gehört nicht den Lauten. Sie gehört denen, die kraftvoll führen, ohne laut zu werden. Den Klaren. Den Konsequenten. Sie gehört den neuen Bossinnen.

