Es ist eine herzige Idee mit dem Babybrei. War das so ein Hausmänner-Projekt?

(Lacht.) Das war tatsächlich so. Das Ganze begann mit einem Selbstversuch: 2015 sah ich eine Dokumentation über vegane Ernährung. Mein damaliger Mitbewohner und ich entschieden uns, uns einen Monat lang vegan zu ernähren. Mein Arbeitskollege und späterer Co-Founder Tobi schloss sich uns an. Auf der Suche nach veganen Nahrungsmitteln ist uns aufgefallen, wie viele Zusatzstoffe in Lebensmitteln stecken. Wir dachten zum Spass, wir weichen auf etwas aus, das per se gesund sein muss. Also frisch, pflanzenbasiert, ohne Zusätze. Klar: Babynahrung! Als wir die Inhaltsliste lasen, stellten wir aber fest, dass diese Nahrung genauso fragwürdig ist wie alles andere. Wir wollten das besser machen. So gesehen war es also wirklich eine Idee von Hausmännern.

Ihr wolltet ja nicht wirklich ein Business gründen. Wart ihr überrascht, dass das Projekt so eingeschlagen hat?

Wir wollten schon ein Business gründen. Aber gestartet haben wir, als wir alle noch feste Jobs hatten. Wir standen am Anfang von unseren Karrieren, waren noch recht grün hinter den Ohren und wollten eigentlich nicht alles für eine verrückte Idee aufs Spiel setzen. Nach zahlreichen Gesprächen mit unterschiedlichsten Leuten, unter anderem auch vielen Eltern, stellten wir fest: Es besteht wirklich ein Bedürfnis nach anderer Babynahrung, da ist Potenzial vorhanden.  Wir wagten den Sprung ins kalte Wasser und kündigten unsere Jobs.

Ihr seid als reines Männerteam in der Start-up-Welt eine Rarität. Wie kommt ihr unter all den Frauen klar?

(Schmunzelt.) Dank den männlichen Investoren geht’s uns ganz gut (lacht). Spass bei Seite. Es ist schon bedenklich, dass der Männeranteil in der Start-up-Welt so hoch ist. Sowohl auf der Gründer:innenseite als auch bei den Investor:innen. Wir sehen aber auch positive Tendenzen: Es gib immer mehr Female Investor Circles, die ganz gezielt Frauenförderung betreiben. Ich hoffe, dass man die Effekte davon bald spüren wird.

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Es geht um nicht weniger als unsere Zukunft und die Zukunft von mittlerweile 40 Angestellten. Das kann sehr emotional werden.

Und wie findet ihr euch als Männer im rauen Start-up-Umfeld zurecht?

(Atmet schwer aus.) Als First Time Founder kommt man da schon ziemlich auf die Welt in dieser Szene – unabhängig davon, ob man männlich oder weiblich ist. Wir haben bis heute Nächte, in denen wir nicht gut schlafen und uns fragen: Wie schaffen wir das nur?

Fliessen da viele Tränen?

(Macht grosse Augen.) Oh ja, definitiv. Es geht um nicht weniger als unsere Zukunft und die Zukunft von mittlerweile 40 Angestellten. Das kann sehr emotional werden. Da fliessen auch mal Tränen.

Wie hast du gelernt, deine Gefühle zu kontrollieren?

Ich hatte nach etwa einem Jahr eine ziemlich grosse Krise und war kurz davor, alles hinzuschmeissen. In dieser Zeit habe ich sehr viel mit Freunden, meiner Familie und meinen Co-Foundern geredet. Über diese Gespräche habe ich den Weg aus der Krise gefunden. Heute kann ich besser mit Zweifeln umgehen. (Überlegt und setzt noch mal an.) Ich weiss heute besser, wo meine Grenzen sind, das ist vielleicht besser ausgedrückt. Ich habe aber noch nicht ausgelernt. Ein Unternehmen aufzubauen, verlangt noch immer viel von mir ab.

Hast du einen Tipp für andere Männer in derselben Situation?

Gerade für Männer ist es wichtig, über ihren eigenen Schatten zu springen und mit möglichst vielen Menschen über ihre Situation zu reden. In einer Therapie, mit Menschen, die in derselben Situation sind, mit Freunden und der Familie: Je mehr man über seine Probleme spricht, umso besser. Viele Männer haben immer noch dieses Bild verinnerlicht, dass man stark sein muss und sich durchbeissen soll. So à la: Du bist doch ein tougher Businessman, warum redest du denn jetzt plötzlich über deine Gefühle? Für Frauen ist es meiner Erfahrung nach viel selbstverständlicher, sich Hilfe zu holen, beispielsweise eben in einer Therapie. Tut man dies als Mann und spricht auch noch darüber, ist das fast ein Stigma. Ich selbst bin sehr offen. Auch weil ich dieses Tabu bewusst brechen möchte. Am Ende machen psychische Krankheiten nicht Halt vor dem Geschlecht.

Wie waren die Reaktionen auf deine Offenheit?

Erstaunlich gut. Mein Umfeld war erst schockiert, dass es mir schlecht ging. Man hat mich als stabilen, immer glücklichen Menschen wahrgenommen. Viele konnten sich gar nicht vorstellen, dass ich in einem so tiefen Loch stecke. Aber als ich darüber gesprochen habe, wurde meine Situation sehr gut und offen aufgenommen. Ich muss aber auch sagen, dass ich mich mit meinem Umfeld in einer Bubble bewege, die sich mit solchen Themen auseinandersetzt und offen ist.

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Das war sicher sehr wertvoll. Noch mal zurück zum Business. Haben die Investorinnen eure Männeridee beim Pitchen eigentlich verstanden?

(Lacht.) Es war 50:50, übrigens bei den Investor:innen und auch bei den Journalist:innen, die über uns berichtet haben. Die Hälfte fand: Warum sollen drei Männer, die nicht mal Väter sind, überhaupt Ahnung haben vom Frauenthema Babynahrung (schüttelt den Kopf.) Das ist mein Ernst, genau so wurde unsere Idee bezeichnet: als Frauenthema! Die andere Hälfte sagte: Ihr könntet genau darum erfolgreich sein, weil ihr das Thema Babynahrung von einer ganz anderen Seite angeht und nicht voreingenommen seid.

Geldgeber:innen gehen mit Männern ja viel härter ins Gericht. Wie konntet ihr da überzeugen?

(Atmet schwer aus.) Ja ja, die sind schon wirklich hart mit uns ins Gericht gegangen. Und ob du es glaubst oder nicht: Am Ende konnten wir die meisten dank Stimmen von Müttern überzeugen. So unglaublich das ist, wir mussten tatsächlich zeigen, dass diese Idee nicht einfach nur von drei Männern kommt, sondern dass auch Eltern und explizit Mütter unsere Idee unterstützen.

Habt ihr euch bei diesen Pitches jeweils mit einem kleinen Flirt gerettet?

(Lacht und ist sichtlich irritiert.) Ähm, nein, das haben wir glaube ich nie gemacht. Das hätte wohl auch nicht viel gebracht. Es geht da wirklich immer um harte Fakten und Zahlen.

Aber du bist sehr hübsch. Ihr habt sicher Geld bekommen, weil ihr ein attraktives Gründerteam seid.

(Lacht herzhaft.) Naja, es sieht ja nur jemand wirklich gut aus in unserem Founderteam (lacht wieder, diesmal etwas verlegen). Das war natürlich ein Scherz. Ich glaube nicht, dass unser oder mein Aussehen irgendeinen Einfluss auf die Geldbereitstellung hatte.

Wenn du das sagst. Anderes Thema: Wie kommt es eigentlich, dass du als Mann innovativ und risikofreudig bist?

(Schmunzelt.) Ich sehe schon, dass du mich in die Enge treiben willst. Aber du hast schon wieder völlig ins Schwarze getroffen.

Dann erzähl mal.

Ich bin eigentlich ein völlig risikoaverser Typ. Als ich mit yamo startete, sagten diverse Leute zu mir: Bist du sicher, dass du das willst? Das bist ja gar nicht du. Das passt gar nicht zu dir. (Spricht jetzt sehr schnell.) Und meine Krise, die ich hatte, würde ja auch dafür sprechen, dass das alles nichts für mich ist. Ich glaube aber, ich bin durch diese Achterbahn der Gefühle und die Krise stabiler geworden. Ich habe heute ein anderes Verhältnis zum Thema Risiko. Und ich bin mittlerweile überzeugt: Auch wenn das alles schief gehen würde, ziehe ich so viel Gutes daraus, dass es auf gar keinen Fall ein Fehler war.

Gerade für Männer ist es wichtig, über ihren eigenen Schatten zu springen und mit möglichst vielen Menschen über ihre Situation zu reden.

Zickt ihr Gründer euch oft an?

(Lacht.) Seit Tag eins. Wir haben keine Zickenkämpfe im Sinne von unnötigen Streitereien. Aber wir haben immer wieder Meinungsverschiedenheiten, wenn es um die Ausrichtung, die Entwicklung oder die Weiterentwicklung des Business geht. Da kann es schon mal laut und sehr emotional werden.

Interessant. Ich dachte, ihr Männer seid eher so passiv aggressiv.

Das gab es zu Beginn schon auch mal. Aber wir haben dazugelernt und haben vor allem einander sehr gut kennengelernt. So konnten wir eine Streitkultur entwickeln. Wichtig ist uns allen, dass wir uns nach einem Streit wieder vertragen und verstehen, warum es so weit gekommen ist. Wir lassen ein Thema auch mal ein, zwei Tage ruhen, reflektieren unsere Meinung und reden wieder darüber.

Wie bist du eigentlich als Chef? Gefühlvoll?

Ich habe das Glück, dass ich immer Chefinnen hatte und Leadership von Frauen gelernt habe. Ich würde darum sagen, ich bin ein recht ausgeglichener Chef. Ich bin weder sehr hart noch sehr gefühlsbetont. Je nach Situation kann ich mal hart sein, aber auch empathisch und gefühlvoll. Ich habe gelernt, den Führungsstil der Person anzupassen, die einem gegenübersitzt. Es gibt nicht einen Stil, der für alle passt. Man muss fähig sein, sich anzupassen und auf das Gegenüber einzugehen.

Hast du deine Launen im Griff?

(Zögert und spricht langsam, wie zu sich selbst.) In den meisten Fällen schon. Aber ich habe auch etwas griechisches Temperament von meinem Vater geerbt. Ich drehe also vielleicht manchmal etwas schneller im roten Bereich als andere.

Inwiefern beeinflussen deine Hormonschwankungen deine Arbeit?

(Ist überrascht und lacht herzhaft.) Dieses Problem habe ich zum Glück wirklich nicht.

Ich glaube aber, ich bin durch diese Achterbahn der Gefühle und die Krise stabiler geworden.

Du siehst gut aus und bist dazu auch noch clever. Schüchtert das viele ein?

(Schmunzelt sichtlich verlegen.) Jetzt werde ich dann gleich rot. (Überlegt.) Also mir hat tatsächlich kürzlich jemand gesagt, dass ich einschüchternd wirke. Aber … (überlegt wieder). Jetzt habe ich die Frage vergessen. Siehst du, ich bin total durch den Wind.

Kein Problem. Die Frage war: Ob du auf viele Menschen einschüchternd wirkst, weil du gut aussiehst und clever bist?

Ah genau. (Stockt wieder.) Nein, ich glaube nicht. Ich glaube aber auch nicht, dass da ein Zusammenhang besteht zwischen dem Aussehen, der Cleverness und einer einschüchternden Art. Smarte Menschen sind doch gerade weniger einschüchternd, weil sie nicht über die Angst der anderen versuchen, erfolgreich zu sein. Übrigens habe ich noch nie das Kompliment bekommen, dass ich clever bin. Vielleicht, weil ich es nicht bin …

Oder weil du als Mann vor allem nach deinem Äusseren beurteilt wirst.

Und privat, da war es sicher schwierig eine Partnerin zu finden? Frauen tun sich ja schwer mit starken, erfolgreichen Männern.

(Lacht.) Ja siehst du, ich bin ja auch noch Single. (Überlegt kurz.) Nein, ich muss sagen, meine Partnerinnen waren immer alle sehr intelligent und attraktiv. Da hatte niemand von uns was zu befürchten.

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Was ich schon noch spannend finde: Du entwickelst Babynahrung, hast selber aber noch keinen Nachwuchs. Wie steht es um deinen Kinderwunsch?

Ich hätte gerne Kinder, und ich glaube auch, dass ich ein guter Vater wäre. Ich merke in meiner Rolle als Onkel, dass ich Kinder sehr cool finde. Sie geben einem viel Kraft. Trotzdem ist es nicht mein oberstes Ziel, Kinder zu haben. Wenn ich eine Partnerin finde, mit der ein Kind das Resultat unserer Liebe ist, dann ist das sehr schön. Aber aktuell ist es mir viel wichtiger, den richtigen Menschen für mich zu finden.

Würdest du als Vater bei yamo bleiben?

Das würde ich natürlich sehr gerne. Wir haben viele Eltern im Unternehmen, sowohl Väter wie auch Mütter, die Teilzeit arbeiten. In der aktuellen Phase, in der wir stecken, wäre es als Gründer sicher schwierig, Familie und Beruf zu vereinbaren. Wenn ich mal Kinder haben sollte, möchte ich für sie da sein. Und das würde sicher bedeuten, dass ich bei yamo in irgendeiner Form zurückstecken müsste.

Ihr Männern redet ja gerne über Fashion und Beauty. Beschreib doch mal deinen Look.

Heute homeless, morgen Galadinner (lacht). Ich bin schwierig zu kategorisieren. In meinem Schrank herrscht ein riesiges Chaos. Du findest darin alles, von Hoodies und Turnschuhen bis zum Anzug. Ich habe nur eine Regel: Ich bügle nicht. Das ist mir zu blöd und geht zu lange.

Also keine Hemden oder Bügelservice?

Ich habe noch nie einen Bügelservice genutzt, trage aber trotzdem gerne auch mal Hemden. Ich versuche einfach immer, sie irgendwie zu strecken und glatt zu ziehen. Ziemlich mühsam. Vielleicht brauche ich doch mal ein Bügeleisen.

Du hast es geschafft. Wie geht’s?

Gut, es waren coole Fragen. Ich wusste ja ein bisschen, was mich erwartet und konnte mich vorbereiten. Aber es ist schon bedenklich, dass Frauen sich immer noch solchen Fragen stellen müssen.

Das finden wir auch. Danke fürs Gespräch.