Ein früher Abend, eigentlich schon nach Feierabend. Yannik Zamboni trägt ein weisses Käppi und ein weisses Oberteil mit farbigen Pinselstrichen – und grinst in die Kamera seines Laptops.

«Epicentre of anti-fashion» – so bezeichnet sich der Schweizer Modedesigner. Zamboni ist international bekannt und rüttelt mit seinen unkonventionellen Designs die Modewelt auf. Sein Markenzeichen: Weisstöne, immer. 

In den Männerfragen spricht er über Unsicherheit und darüber, wie er zu seiner Männlichkeit steht. Und er verrät, wie laut seine biologische Uhr tickt.

Männer sind mit Finanzen bekanntlich meist überfordert. Was hast du mit der Million gemacht, die du bei der TV-Reality-Show «Making the Cut» gewonnen hast?

Verschleudert habe ich die. (Schmunzelt.) Nein, natürlich nicht. Ich habe die Million zu 100 Prozent in mein Modelabel «maison blanche» investiert.

Ihr Männer seid häufig unsicher, wenn ihr euch selbst einschätzen müsst. Warum weisst du, dass deine Arbeit gut ist?

Das ist richtig, wir Männer sind seeehr unsicher. (Grinst.) Nein, im Ernst, auf mich trifft das zu, ich hinterfrage mich oft. Ich habe gelernt – ach, das tönt jetzt ganz falsch –, mich selbst zu befriedigen. Also Arbeit zu leisten, die mir gefällt und auf die ich stolz bin.

Das hört man aber selten von einem Mann. Du schaffst es, anderen nicht gefallen zu wollen?

Genau. Es stört mich nicht, wenn jemand mir sagt, er oder sie könne nichts mit einem Design von mir anfangen. Das ist völlig okay. Es muss für mich stimmen. Allen alles recht machen zu wollen, geht nicht. 

Du vergleichst dich bestimmt oft mit anderen.

Nein. Damit  habe ich früh aufgehört. Ich habe mir vorgenommen, mich ausschliesslich mit Vorbildern zu vergleichen – so komme ich am ehesten zum Ziel. Ich vergleiche mich nicht mit Freunden, Arbeitskollegen oder Mitarbeitenden – und mit Hinz und Kunz schon gar nicht –, sondern zielorientiert.

Du bezeichnest dich als «gender-nonconforming», also als nicht den Geschlechternormen entsprechend. Was bedeutet das für deine Männlichkeit?

Ich selbst sehe mich als Mann, möchte aber nicht dem gesellschaftlichen Rollenbild des Mannes entsprechen müssen. Ich fühle mich männlich mit meinen ganz vielen weiblichen und männlichen Seiten. Darum nenne ich mich selbst «gender-nonconforming».

Yannik Zamboni
Ich bin lieber in meinem engen Freundeskreis oder für mich allein statt an Anlässen.

Warum suchst du als Mann so stark die Öffentlichkeit?

Die Öffentlichkeit sucht mich – es ist genau umgekehrt. (Lacht.)

Du scheinst sehr gefragt zu sein.

Absolut. Ich würde schon sagen, dass ich seit «Making the Cut» relativ gefragt bin. Und das, obwohl ich gar nicht gerne in der Öffentlichkeit stehe.

Typisch Mann, jetzt stapelst du tief. 

Wenn man mich nicht kennt und nur beobachtet, denkt man, ich sei sehr extrovertiert. Aber ich bin das Gegenteil. Ich bin lieber in meinem engen Freundeskreis oder für mich allein statt an Anlässen.


Du wurdest über Heidi Klums Show bekannt. Wie ist es als Mann, seinen Erfolg einer Frau zu verdanken?

Damit habe ich keine Probleme. Ich gebe dir zu 100 Prozent recht: Heidi Klum ist ein Stück weit für meinen Erfolg verantwortlich. Ich sehe Heidi als Ikone, als Person, zu der ich hochschaue. Dass sie eine Frau ist? Das macht mich umso stolzer.

Bist du der Ziehsohn von Heidi Klum?

I wish! I wish! I wish! Nein, bin ich nicht. Vom Altersunterschied her wären wir eher Geschwister mit grossem Abstand, als dass sie mein Mami sein könnte.

In einigen Folgen «Germany’s Next Topmodel» bist du an Heidi Klums Seite zu sehen. Wie vereinbarst du das Körperbild in GNTM mit deinen inklusiven Werten?

Reality-TV-Shows haben in den letzten Jahren viel dazugelernt. Vergleicht man heute eine Sendung mit einer von vor 15 Jahren, liegen Welten dazwischen. Dinge, die damals geduldet oder toleriert wurden, kann man sich heute gar nicht mehr leisten, ohne gecancelt zu werden. Zum Glück. Darum habe ich kein Problem damit, an einer Show teilzunehmen, in der erwachsene Menschen selbstständig entscheiden, ob sie etwas machen wollen oder nicht.

Yannik Zamboni
Ich möchte einstehen für viel Liebe in der Arbeitswelt. 

Willst du einfach schöne Kleidung schaffen – oder steckt da mehr dahinter? 

Ich möchte die Welt verändern.

Das ist nicht bescheiden.

Das ist nicht bescheiden, nein. Aber das ist mein grosses Ziel. Ich möchte einen Ansporn setzen für Nachhaltigkeit, für radikale Inklusivität und für faire Arbeitsbedingungen. Ich möchte mit den unterschiedlichsten Menschen und ihren Fähigkeiten und Einschränkungen zusammenarbeiten. Ich möchte einstehen für viel Liebe in der Arbeitswelt. 

Themenwechsel: Gerade für dich als Mann tickt die biologische Uhr bestimmt laut.

Mega!

Wie steht’s um deinen Kinderwunsch?

Ich habe einen mega starken Kinderwunsch, aber das Gefühl, dass gerade der falsche Zeitpunkt ist. Obwohl, wahrscheinlich gibt es nur falsche Zeitpunkte. Darum werde ich diesen Wunsch wohl irgendwann erfüllen. Oder eben nicht.

Für dich als Mann ist die Vereinbarkeit ein grosses Thema.

Richtig. Tick Tock, Tick Tock! Und in einer Beziehung mit zwei Männern ist diese noch schwieriger …

Wie hat dein Aussehen zu deinem Erfolg beigetragen?

Hey … Wollen wir Heidi fragen? (Lacht.)

Was würde sie antworten?

Ich glaube, Heidi findet mich optisch interessant …

Dass du als homosexueller Mann einer Frau gefällst, hat dir zum Erfolg verholfen. 

Absolut. (Grinst.)

Yannik Zamboni
Früher als Model musste ich einem gesellschaftlichen Bild entsprechen. Dann entschied ich, dass ich das nicht mehr will.

Wie wichtig ist dir dein Äusseres?

Früher als Model musste ich einem gesellschaftlichen Bild entsprechen. Dann entschied ich, dass ich das nicht mehr will. Mein Äusseres ist mir sehr wichtig, aber ich setze mir eigene Standards. Ich werde oft gefragt, warum meine Haare fast weiss gebleicht, meine Augenbrauen nachgezeichnet sind, ich Make-up trage, kurz: Warum ich mich entstellen würde. Die Antwort: Ich möchte mir gefallen. Mir geht es besser so.

Wie lange stehst du am Morgen vor dem Kleiderschrank?

(Lacht.) Für einen Mann sehr lange. Meist überlege ich am Abend zuvor, was ich am nächsten Tag anziehe, und lege es mir parat. Am Morgen brauche ich dennoch mindestens eine Stunde.

Was machst du so lange?

Ich schaue, dass das Make-up perfekt sitzt, die Augenbrauen schön nachgezogen sind, ich ein gutes Contouring habe, der Teint ausgeglichen ist, ich farblich schön in Weiss abgestimmt bin und dass Schuhe und Tasche dazu passen. Halt mega typisch Mann. (Schmunzelt.) 

Wie viel Geld investierst du in dein Äusseres?

Hey, da habe ich schon ein wenig einen Tick. Ich mag viel zu teure Gesichtscremes. Alle vier Wochen gehe ich ins Nagelstudio und zum Coiffeur. Zweimal jährlich lasse ich Botox spritzen.  

Lohnt sich dieses Investment?

Ja, ich glaube, als Mann geht es nicht anders. (Grinst.)

Wie gehst du mit deiner Schönheit um?

Meine Schönheit ist vergänglich, das ist mir bewusst – darum Botox.


Zum Schluss interessiert mich: Was hat es mit dem Weiss auf sich?

Die fachliche Antwort: Im Studium entdeckte ich, dass wenn man bei kommerziell verkauften «Pieces» den Print weglässt, das Design relativ flach und langweilig ist. Deshalb stellte ich mir selbst die Aufgabe, nur mit Design, Verarbeitung, Details und Volumen zu überzeugen – ohne Farben. 

Du scheinst richtig kompetent zu sein.

Ja, genau. (Erfreut.) Ich gebe mir mega fest Mühe. Nein, aber die korrekte Antwort als Mann wäre: Damit ich alles im gleichen Waschgang waschen kann und die Wäsche nicht trennen muss. 

Als Mann hast du ja eine Ahnung vom Haushalt.

Ja, ich schmeisse den ganzen Haushalt allein. Ich muss waschen, bügeln, putzen, aufräumen, Boden aufnehmen, alles. Wenn ich nicht noch die Wäsche trennen muss, spare ich eine halbe Stunde in der Woche. Und Zeit ist Geld.