Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
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SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:36
Beruf:Nageldesignerin und Fusspflegerin
Einkommen:Selbstständig seit 2015, 70’000–80’000 (ohne Pandemie)
Schulden:Keine
Vermögen:50'000

Was für Assoziationen und Gefühle löst Geld bei Dir aus?

Geld bedeutet für mich Stabilität und Sicherheit. Es ist mir wichtig, dass ich genug habe, damit ich in Sicherheit bin, wenn etwas passiert. Geld gibt mir Unabhängigkeit.

Fällt es dir schwer, über Geld zu sprechen?

Nein.

Warum nicht?

Geld ist für mich ein ganz normales Thema, es ist Alltag. Wir sprechen doch auch über Kleider und Klima, warum nicht auch über Geld? Alles hat einen Wert, ich finde, wir sollten darüber sprechen.

Du bist aus der Ukraine in die Schweiz gekommen. Weshalb?

Ich bin mit meinem Mann 2014 hierher gekommen. Wir haben davor in Schweden gelebt. Mein Mann und ich haben uns ursprünglich in Dresden kennengelernt. Ich bin ihm dann gefolgt, weil er einen Job als Ingenieur bekommen hat in Schweden. Ich war damals sehr jung, erst 23 Jahre alt.

War Geld auch ein Grund, dein Land zu verlassen?

Nicht Geld, aber die Lebensqualität. Ich wollte damals die Welt sehen, reisen. Ich habe ein Austauschprogramm in den USA gemacht, Work and Travel hiess das Programm. Dieser Aufenthalt hat mich sehr fasziniert und geprägt. Danach habe ich meinen Mann kennengelernt, einen Engländer. Aber es war nie mein Ziel, einen Ausländer zu heiraten, um die Ukraine zu verlassen.

Olga Scudamore
Geld ist für mich ein ganz normales Thema, es ist Alltag. Wir sprechen doch auch über Kleider und Klima, warum nicht auch über Geld?

Womit verdienst du dein Geld?

Ich mache Maniküre und Pediküre, also Handarbeit.

Wie war es für dich, in der Schweiz wirtschaftlich Fuss zu fassen?

Schwierig.

Erzähl mir davon, bitte.

Wenn man in einem Land aufwächst, dann hat man bereits ein Netzwerk, Freunde und Bekannte. Ich hatte hier in der Schweiz null Kontakte. Deshalb war es sehr schwierig für mich, hier anzufangen. Ich bin Ausländerin, ich konnte die Sprache nicht. Es hat sehr lange gedauert, bis die Menschen mir vertrauten. Heute wohne ich hier und kann die Gespräche verfolgen, ich kann meine Meinung ausdrücken. Meine Arbeit ist sehr eng verbunden mit Kommunikation, viele wollen reden, entspannen, ihre Geschichte erzählen. Da muss ich ja verstehen, was sie sagen.

Seit wann bist du selbstständig?

Seit Frühjahr 2015. Wir sind im Herbst 2014 in die Schweiz gekommen, und kurz darauf habe ich begonnen.

Wie war das von der Bürokratie her, hier ein Geschäft aufzubauen?

Das war interessant, ich wusste nicht, wie so etwas geht. Ich habe einfach Räumlichkeiten gemietet und gestartet. Ich hatte keinen Businessplan und keinen Plan auf Papier. Erst nach und nach habe ich herausgefunden, wie was funktioniert.

Was war das Schwierigste?

Die Angst, nichts zu verstehen. Etwas falsch oder schlecht zu machen bei den Kundinnen, ohne dass ich mich schützen könnte. Am Anfang wurde ich ziemlich ausgenutzt, weil ich in einer schwachen Position war, weil ich die Sprache nicht gut sprach. Gewisse Menschen wollten mich übervorteilen.

Olga Scudamore
Ich hatte hier in der Schweiz null Kontakte. Deshalb war es sehr schwierig für mich, hier anzufangen. Ich bin Ausländerin, ich konnte die Sprache nicht. Es hat sehr lange gedauert, bis die Menschen mir vertrauten.

Wieviel verdienst du?

Während Corona war es mega schwierig. Ich hatte die letzten zwei Jahre einen Einbruch. Nun hat sich das Geschäft erholt. In der Regel mache ich 120’000 Franken Umsatz, 40’000 davon sind Auslagen, also etwa 80’000 brutto pro Jahr.

Warum ist Geld deiner Meinung nach ein Tabu?

Ich denke, das ist nur in Westeuropa so. Oder in der Schweiz vielleicht. Bei uns in der Ukraine ist das überhaupt kein Tabu!

Warum findest du, sollten wir darüber sprechen?

Aber warum denn nicht? Ich weiss nicht, warum die Menschen in der Schweiz Geld zu einem Tabu gemacht haben. Vielleicht will man etwas verstecken, Lohnungleichheit und so weiter, damit man sich nicht wehren kann. Ich denke, da ist das ganze System in der Schweiz daran schuld. Es ist wie ein Spiel, das gespielt wird. Alles ist unter einem Deckmantel, das sind nicht die Menschen, die das wollen, das ist das System. Bei uns ist Finanzielles sehr transparent, wer wie viel verdient, das war immer klar und nie ein Geheimnis. Von Fabrikarbeiter bis zum Manager. Hier in der Schweiz machen oft das Geschlecht oder die Nationalität einen Unterschied, wer wie viel verdient. Ich höre das immer wieder von Kundinnen.

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Seit im Februar der Krieg in der Ukraine ausbrach, sind viele Menschen auch in die Schweiz geflüchtet. Du hast auch Menschen hierhergeholt, für die du verantwortlich bist. Wie ist das für dich?

Für mich ist das eine sehr grosse Verantwortung und Angst. Diese Menschen aus der Ukraine hierherzubringen, bedeutete zunächst auch, dass ich finanziell für sie verantwortlich bin. Es dauert eine lange Zeit, bis die öffentliche Hand die Geflüchteten unterstützte. Bis dahin musste ich für diese Menschen eine Wohnung, Essen, Geld und so weiter organisieren.

Wie hast du das geschafft?

Mein Mann und viele Kundinnen haben mir geholfen. Wir haben privat Kleider, Möbel und Gutscheine für Essen gesammelt.

Wie viele Menschen hast du hierhergeholt?

Es sind zehn Menschen insgesamt. Meine Mama und Oma sind bei mir in der Wohnung, und drei weitere Familien konnte ich in einer grossen Wohnung unterbringen.

Olga Scudamore
Diese Menschen aus der Ukraine hierherzubringen, bedeutete zunächst auch, dass ich finanziell für sie verantwortlich bin.

Bekommen sie mittlerweile staatliche Hilfe?

Jetzt erst gerade, seit zwei Wochen. Es hat fast eineinhalb Monate gedauert, sie sind am 12. März angekommen. Meine Mama und Oma haben bis jetzt noch nichts bekommen. Ich habe allen, denen ich geholfen habe, gesagt, dass sie deklarieren sollen, dass sie auch finanzielle Rücklagen haben. Das war nie ein Problem. Viele haben ihre gesamten Ersparnisse mitgenommen, zahlen zu Hause noch Miete, Strom, Steuern, damit sie zurückkehren können. Aber bei meiner eigenen Mutter gibt es nun Probleme, weil sie etwas Bargeld dabei hatte. Man sagt ihr, sie hätte ein Vermögen. Dabei sind es ein paar wenige Tausend Franken. Ich besuche ständig mit allen die sozialen Dienste der Gemeinden.

Was ist das Schwierigste?

Das Schwierigste für die Geflüchteten? Mit der neuen Realität wieder ein Leben anzufangen, es ist nach wie vor ein grosses Drama. Für mich war es schwierig, als einzige mit diesen Frauen Kontakt zu haben. Ich bin ihre einzige Bezugsperson, alle sind voll von mir abhängig. Sprachlich, finanziell, alles. Wenn sie ein Problem haben, bin ich für sie da.

Was würde am meisten helfen in der jetzigen Situation?

Es wäre gut, wenn wir in die Zukunft sehen könnten. Wir wissen ja nicht, was noch passieren wird. Können sie hierbleiben, und wenn ja, wie lange? Wann müssen sie zurück: wenn die Russen gehen oder wenn das Land wieder aufgebaut ist? Die ganzen Infrastrukturen sind zerstört, es gibt keine Fabriken, Schulen und Universitäten mehr. Die Menschen haben keine Arbeit, sie leben von Erspartem. Wir müssen wissen, wann und wie sie zurückkehren können. Wir können sie ja nicht einfach in ein zerstörtes Land senden. Ich bin sehr nervös, ich weiss nicht, wann und wo sie hinkommen. Wenn die Wohnung meiner Eltern zerstört ist, was mache ich dann? Ich glaube, rechtlich werden die Menschen ja nicht für immer hierbleiben können.

Es gibt immer wieder Gerüchte über Schwarzarbeit von Geflüchteten. Was denkst du darüber?

Ja, das stimmt, es gibt diese Whatsapp-Gruppen, da bieten die Frauen ihre Leistungen an. Ich war erschrocken darüber, weil die alles zum halben Preis oder darunter anbieten – aber sie machen diese Arbeit eher im privaten Kreis. Trotzdem war ich am Anfang beunruhigt, dass sie mein eigenes in harter Arbeit aufgebautes Geschäft gefährden würden.

Dürfen die Geflüchteten überhaupt arbeiten?

Ja, man darf. Es sind aber ganz viele Menschen aus kleinen Dörfern gekommen, die waren noch nie im Ausland. Sie können vielleicht putzen, aber sie sind nicht gut ausgebildet. Oft haben diese Frauen noch ein kleines Kind dabei. Sie können nicht gut arbeiten – die Schule oder der Kindergarten sind ja meist nur am Morgen, manchmal haben die Kinder auch Angst, dort zu bleiben. Den Hort oder Tagesbetreuung können sie sich oft nicht leisten. Meine Frauen haben 15 Franken pro Stunde verdient in der Gastronomie. Für 46 Stunden Arbeit haben sie 700 Franken verdient – sie wurden total ausgenutzt! Weil sie nicht integriert sind, die Sprache nicht können.

Olga Scudamore
Wir müssen wissen, wann und wie sie zurückkehren können. Wir können sie ja nicht einfach in ein zerstörtes Land senden.

Bekommen sie keine Sozialhilfe?

Doch! Aber weil sie arbeiten gingen, wurde ihnen auch noch die Sozialhilfe zusammengestrichen, diese 1200 Franken, die man bekommt – es lohnt sich bei schlechter Ausbildung für diese Frauen also nicht, arbeiten zu gehen. Sie gehen vielleicht als Putzfrauen für 20 Franken pro Stunde etwas Geld dazuverdienen, oder sie liefern Essen aus mit Uber. Das ist alles so schlecht bezahlt, das lohnt sich fast nicht, wenn sie dadurch die Sozialhilfe gefährden.

Was ist mit den gut ausgebildete Menschen, die hierher kommen?

Natürlich, die Leute, die aus Kyiv kommen, die sind viel besser ausgebildet, die finden gut bezahlte Jobs. Aber Menschen, die aus kleinen Dörfern und Regionen gekommen sind, haben Mühe. Dazu kommt: Wir haben keine Männer hier, es sind wirklich nur Frauen und Pensionierte, die in die Schweiz gekommen sind.

Was wäre dein Wunsch?

Mein Wunsch wäre, wenn ich mehr finanzielle Möglichkeiten hätte, mehr für diese Menschen zu  machen. Aber das ist unrealistisch, ich gebe, was ich kann.

(Sie wischt sich Tränen aus den Augen.)

Wieviel bekommen die Frauen im Monat zum Leben?

Ich kann dir das zeigen. (Sie nimmt das Handy hervor, zeigt ein Foto von einem Formular für die Beiträge des Kantons Zürich.) Die Frauen erhalten ein Blatt mit diesen Auszahlungen. Überall waren die Auszahlungen bisher falsch eingetragen. Bei jeder Familie wurde es falsch ausbezahlt, mal 120 Franken hier, mal 50 Franken dort. Doch 50 Franken sind für diese Menschen sehr viel Geld! Die kalkulieren, wie viele Menschen im Haushalt leben. Für meine Grossmutter sind es 700 Franken im Monat, die sie bekommt.

Ab wann bekommt man das Geld?

Die Auszahlungen fangen erst dann an, wenn das Formular ausgefüllt wurde. Also nicht ab dem Tag, an dem sie eingereist sind. Zwei Personen erhalten 1077 Franken, drei Personen, also eine Frau mit zwei Kindern, 1300 Franken. Hier, schau selbst. (Streckt mir erneut das Handy mit einer Tabelle hin.) Versicherungen und öffentlicher Verkehr sind kostenlos, am Samstag gibt es Essensausgabe, und wir können bei Caritas einkaufen, dort ist es viel günstiger. Also man kann schon so überleben.

Das ist wirklich ein schwieriges Thema, sehr emotional. (Wir schauen uns lange wortlos an.)

Ich finde das einfach seltsam, dass sie überall schreiben, dass man Hilfe bekommt, und einzelne Gemeinden sich dann sperren und beispielsweise nicht die Versicherungen zahlen, obwohl das Gesetz das vorschreibt. Ich nehme also frei, während meiner Arbeitszeit, nehme diese zehn Frauen mit und gehe persönlich vorbei, um zu fragen, warum. Ich habe zum Glück Kundinnen, die sind Juristinnen, die helfen mir auch. Aber es ist schwierig, ich will auch nicht negativ auffallen, weil ich anderen helfe.

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Wie hast du deinen eigenen ersten Hryvnia verdient?

Ich habe sehr früh mein Zuhause verlassen, ich hatte nicht so eine gute Beziehung zu meinem Vater. Ich hatte ein Stipendium und habe gelernt, wie man Nägel macht, und in meiner Küche habe ich angefangen. Es war eigentlich ein Hobby. Und dann bin ich mit 19 in die USA gegangen und habe bei Pizza Hut gearbeitet.

Stresst dich Geld?

Ja, eigentlich schon. Als ich angefangen habe, hier zu arbeiten, habe ich ständig auf mein Konto geschaut und wollte immer mindesten 10’000 Franken auf der Seite haben. Wenn ich zu wenig habe, kann ich wirklich in Panik kommen. Mir ist es sehr wichtig, etwas auf der Seite zu haben.

Wann streitest du über Geld?

Vielleicht, wenn ich es jemandem ausgeliehen habe und er es mir nicht zurückgibt. Oder ich kaufe etwas mit meinem schwer verdienten Geld und ich bekomme eine schlechte Leistung, dann bin ich «sorry for my money». Wenn ich etwas bestelle und es kommt schlechte Qualität, dann werde ich sehr traurig und wütend, schlaflos gar, wenn ich mein hart verdientes Geld für schlechte Arbeit ausgebe.

Spendest du? Warum und wie?

Ja, auch schon vor dem Krieg in der Ukraine. Mein Mann und ich spenden immer an UNAIDS und Tierheime in der Ukraine. Und ich habe immer Geld und Essen an Weihnachten und Ostern an meine Freundinnen zu Hause verschickt.

Für was sparst Du?

Ich spare einfach für mein Alter oder wenn mir etwas passiert.