In dieser Rubrik fragen wir Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.

Du bist Mitgründer der ersten Schweizer Kryptobank Sygnum. Warum stehen so viele Frauen auf Krypto? Männer tun sich ja sehr schwer damit.

(Lacht.) Im Hintergrund sind Männer durchaus aktiv und schürfen («stellen digitale Münzen her», Anmerkung der Redaktion) … Du siehst, ich habe euer Format verstanden. Aber ernsthaft, die Kryptowelt wird manchmal missverstanden. Ich glaube, dass sie ausgeglichener ist, als man denkt.

Nur sieben Prozent der Frauen besitzen Kryptowährungen.

Wir haben jedenfalls viele Kundinnen, gerade auch aus vermögenden Familien und ihren Investment-Gesellschaften. Frauen haben auch selbst in Sygnum investiert. Sie sind genauso interessiert und investiert wie unsere männlichen Kunden.

Du willst diese tiefen Zahlen von CNBC also bestreiten?

Nein. Es ist klar so, dass viel mehr Männer an Krypto-Treffen und -Konferenzen teilnehmen und auf der Bühne stehen. Krypto gilt immer noch als «nerdy» und «techy». Und in der Tech-Welt gibt es leider immer noch weniger Frauen.

Die Szene ist vielleicht aber auch einfach zu männerfeindlich?

Wie meinst du das?

Mathias Imbach
Krypto gilt immer noch als «nerdy» und «techy». Und in der Tech-Welt gibt es leider immer noch weniger Frauen.

Dir wurde sicher auch schon von einem Krypto-Influencer auf Youtube vorgeworfen, dass du dich hochgeschlafen hast (ist der Interviewerin passiert)?

Nein, das ist mir noch nie passiert. Aber ich weiss, worauf du anspielst. Das geht natürlich nicht. Ich denke gar nicht über solche Dinge nach. Es ist so absurd.

In diesem Interview denkst du also erstmals darüber nach?

Ja, mit solchen Fragen bin ich noch nie konfrontiert worden. Bei Sygnum ist der Gender Crypto Gap kein Thema. Wir haben beispielsweise 40 Prozent Frauen im Team.

Aber nicht in der Geschäftsleitung, da hats nur eine Frau unter den zehn Mitgliedern.

Da hast du recht, und ich würde mich freuen, wenn es fünf von zehn wären. Ich lade alle Krypto-interessierten und ambitionierten Frauen ein, sich Sygnum anzuschauen und sich bei Interesse zu bewerben. Uns ist es wichtig, die besten Menschen für die Position zu gewinnen.

elleXX auch. Frauen und Männer sind im Schnitt gleich intelligent, also wollen wir 50:50 auch in der Geschäftsleitung.

Ja, das stimmt. Ich glaube, dass unsere Branche zu technisch wirkt und viele unbewusste Vorverurteilungen herrschen. Diese Rollen und Jobs scheinen für viele Frauen vielleicht weniger attraktiv.

Oder die Bro Culture ist schuld …

Wir sind von einer Bro Culture so weit entfernt, wie man nur sein kann.

Mathias Imbach
Wir sind von einer Bro Culture so weit entfernt, wie man nur sein kann.

Dir gehört eine Kryptobank. FTX, eine Kryptobörse, ging gerade mit Karacho unter. War das erst der Anfang, oder kommt da noch mehr?

Wir sind noch mitten in der Kaskade. Die grösseren Dominosteine sind wohl fürs Erste gefallen. Doch die Auswirkungen werden wir mindestens bis im ersten Quartal 2023 spüren. Es werden noch weitere Fonds straucheln und Börsen pleitegehen.

Das Missmanagement bei FTX war gross. Weisst du denn, wie viele Leute für dich arbeiten und wie hoch euer Cash Flow ist?

Ich gebe mir Mühe. Im Ernst, das weiss ich haargenau. Ich weiss auch, wie viele Vertragspartner wir haben.

Mathias Imbach
Wir sind noch mitten in der Kaskade. Die grösseren Dominosteine sind wohl fürs Erste gefallen. Doch die Auswirkungen werden wir mindestens bis im ersten Quartal 2023 spüren.

Erzähl.

Wir haben 220 Leute in der Schweiz, Singapur, Abu Dhabi und zumindest virtuell im Metaverse. Wir machen monatlich mehrere Millionen Franken Umsatz und haben über zwei Milliarden Franken verwaltete Vermögen. Wir konnten den Wertverlust der digitalen Währungen durch neue Zuflüsse mehr als kompensieren. Allein im November waren es über 550 Millionen Franken Neugeldzuflüsse.

Aber mal ehrlich: Ausgaben gebt ihr schon mit Emojis frei (so geschehen bei FTX)?

(Lacht lauthals.) Nein, da sind wir weniger kreativ als die FTX. Wir haben eine langweilige Ausgabepolitik und einen langweiligen, sehr strengen Finanzchef.

Ihr feiert eure Erfolge also nicht mit Strippern, Escort Boys und Drogen?

Sei versichert, wir sind ganz schweizerisch bodenständig. Wir stossen vielleicht mal an, durchaus auch alkoholfrei, und spielen Ping-Pong-Turniere.

Frauen erhalten 98 Prozent des Start-up-Kapitals. Wie habt ihr überhaupt Geld erhalten und euch finanzieren können? Ihr habt ja immer wahnsinnig viel Funding aufgetrieben.

(Schaut verblüfft, schnauft tief durch.) Uff, ist das echt so, dass Gründerinnen 98 Prozent weniger Geld erhalten?

Ja.

Wahrscheinlich passiert da vieles unbewusst. Die meisten Investment-Chefs der Fonds sind Männer und fühlen sich von den Geschäftsideen der männlichen Gründer wohl mehr angesprochen. Ich war früher selbst VC, also Wagniskapital-Investor für den indischen Grossunternehmer Ratan Tata. Ich konnte da aber auch in viele Gründerinnen investieren.

Aha. Wäre FTXX auch pleite gegangen?

Wie jetzt? XX? Also wenn Frauen die Börse geführt hätten?

Mathias Imbach
Die meisten Investment-Chefs der Fonds sind Männer und fühlen sich von den Geschäftsideen der männlichen Gründer wohl mehr angesprochen.

Nach der Finanzkrise war man sich einig, dass Lehman Sisters nicht passiert wäre. Mehr Frauen auf Top-Ebene korrelieren mit besserem Risikomanagement.

Klar ist: Guten Teams mit guten Absichten passiert das nicht. Aber meiner Meinung nach hätte das auch einer weiblich geführten Kryptobörse passieren können. Es hilft der Frauenbewegung nicht, wenn Frauen generell als moralischer angeschaut werden.

Wie hast du den Krypto-Winter persönlich überstanden? Die Preise sind ja aktuell bis zu 90 Prozent eingebrochen …

Für mich sind diese Schwankungen normal. Ich habe schon mehrere «Krypto-Zyklen» erlebt und versuche stets, am Boden zu bleiben – sowohl im Hype als auch in der Krise. Das ist emotional viel zu aufgeladen, geschürt von Medien und vor allem Twitter. Ich bleibe relaxt und fokussiere mich auf die langfristige Vision.

Männer führen ja die Klimabewegung an und sind sehr umweltbewusst. Wie gehst du mit diesem Krypto-Energieverschleiss um?

Dieses Thema ist wichtig. Die Gewinnung von Bitcoin ist klar energieaufwendig. Bei unserem Bitcoin-Kreditgeschäft arbeiten wir deshalb nur mit Schürfern zusammen, die erneuerbare Energien verwenden. Und Ethereum, die zweitgrösste Kryptowährung, hat vor ein paar Monaten Energieeinsparungen von 99.9 Prozent erreicht. Es ist also kein generelles Blockchain-Problem.

Aber Bitcoin ist immer noch die Nummer eins der gehandelten Kryptowährungen weltweit.

Der Markt besteht immer noch ungefähr zu 35 bis 40 Prozent aus Bitcoins. Bei Sygnum ist der Anteil von Ethereum allerdings höher als der von Bitcoin.

Hast du wirklich einen Doktortitel?

Ja.

Echt Wahnsinn. Chapeau. Und nichts abgeschrieben und zusammenkopiert?

(Leicht entnervt.) Nein, ich habe innerhalb der indischen Tata-Gruppe analysiert, wie sich die Zusammensetzung der obersten Führungsteams auf die Internationalisierungsstrategie auswirkt. Bis heute bin ich grosser Indien-Fan.

Aha – eine Diversity-Doktorarbeit also.

(Grinst.) So ungefähr.

Du hast in deinem CEO-Office bestimmt auch eine Kinderecke, du bist ja Jungvater?

Nein, ich habe keine Kinderecke. Meine Tochter ist erst elf Monate alt. Sie ist nicht im Büro. Meine Partnerin und ich arbeiten beide. Wir haben ein für uns gutes Setup gefunden und geniessen das Elternsein.

Welche Soft Skills vermittelst du deiner Tochter?

Ich probiere da allerlei, aber sie antwortet bisher einfach noch nicht … Ich will ihr vor allem Selbstvertrauen und eigenständiges Denken vermitteln. Ich will, dass sie Mut hat. Dass sie sagt, wenn sie etwas anders sieht – auch wenn alle anderen das Gegenteil behaupten.

Was ich mich jetzt aber doch die ganze Zeit über gefragt habe: Warum hast du dich bei deinem Aussehen überhaupt fürs Gründen entschieden? Warum nicht eine Mister Schweiz-Karriere?

Wird man als Frau wirklich mit solchen Fragen konfrontiert? Ich habe immer das gemacht, was mir Spass bereitete. Ich bin ja eher introvertiert. Wie du weisst, mache ich dieses Interview ja vor allem auch dir zuliebe.

Ist das eine Drohung? Es ist noch nicht vorbei. Du bist 40, überschminkst du eigentlich dein wahres Alter?

Das überlasse ich deiner Fantasie.

Mathias Imbach
Wird man als Frau wirklich mit solchen Fragen konfrontiert?

Stört es dich, wenn du in Kommentaren, bereits seit du 35 bist, als verwelkte Blume betitelt wirst?

Ich weiss, dass Frauen mit solchen Themen konfrontiert werden. Das tut mir  leid. Auch Männer müssen einstecken. Verurteilen und ignorieren wir es und wirken positiv und gemeinsam weiter.

Darum gibt es ja die elleXX-Männerfragen, damit ihr auch mal Einstecken üben könnt. War mir ein Vergnügen.

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