Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
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SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:39
Ort:Zürich
Beruf:Stadtführerin bei Surprise
Einkommen:ungefähr 1000 CHF zum Ausgeben (verbeiständet)
Schulden:keine, vor kurzem abbezahlt
Grösster Ausgabeposten:Lebensmittel und Zigaretten
Vermögen:keines

Sprichst du gerne über Geld?

Nein, ich finde es ein schwieriges Thema. Ich wollte zuerst auch dieses Interview nicht führen.

Warum hast du dich trotzdem dazu überwunden?

Weil ich es eigentlich wichtig finde, darüber zu sprechen. Geld sollte kein Tabu sein.

Wie hat Geld dein Leben geprägt?

Geld hat bei mir schon früh für Probleme gesorgt. Also eigentlich war es nicht das Geld, sondern meine Partner, die mir mein Geld weggenommen haben. Das fing mit meinem ersten Freund an. Er gab mein Geld für Drogen und Alkohol aus und hat mir oft mein Erspartes und meinen Lehrlingslohn weggenommen. Wenn ich ihm nichts geben wollte, hat er mich bedroht oder geschlagen. Mit neunzehn Jahren war ich schon verschuldet.

Das ist sehr jung. Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe für einen guten Freund ein Handy-Abo abgeschlossen. Weil er noch nicht volljährig war, habe ich den Vertrag für ihn unterschrieben. Er hatte mir zwar  versprochen, immer alles zu bezahlen, aber das tat er natürlich nicht. Die hohen Telefonrechnungen blieben unbezahlt. Weil der Vertrag auf mich lief, wurde ich betrieben. Diese Betreibungen musste ich selbst Monat für Monat abbezahlen. Und zwar immer vor allem anderen. Dann erst kamen meine Fixkosten und meine anderen Rechnungen, für die ich dann aber kein Geld mehr hatte. Es war ein Rattenschwanz, und es wurde immer schlimmer.

Sandra Brühlmann
Man kommt ohne Hilfe aus Betreibungen fast nicht mehr raus.

Wie hoch waren deine Schulden am Ende?

Etwa 20'000 Franken. Ich weiss es nicht mehr genau. Aber es war sehr viel Geld.

Wie bist du da wieder herausgekommen?

Ich habe mit etwa zwanzig Jahren einen Platz in einer geschützten Werkstatt bekommen. Dort konnte ich eine Töpferlehre machen. Die Organisation hat meine Schulden bezahlt, und ich habe ihr den Betrag während fünf Jahren in Raten zurückgezahlt. Dafür war ich sehr dankbar. Alleine hätte ich das sonst nicht geschafft. Man kommt ohne Hilfe aus Betreibungen fast nicht mehr raus.

Welche Gefühle löste Geld damals bei dir aus?

Geld hat mich gestresst und viele Ängste ausgelöst. Gleichzeitig hat es mich sehr traurig gemacht, wenn mich meine Ex-Freunde wegen Geld geschlagen oder betrogen haben. Ich fragte mich oft: Wie kann Geld nur so wichtig sein, dass man einem anderen Menschen dafür so weh tut?

Du hast eine bewegte Geschichte. Magst du davon erzählen?

Meine Probleme haben bereits begonnen, als ich noch ziemlich jung war. Ich hatte schon als Jugendliche Ängste und Panikattacken. Mit vierzehn Jahren geriet ich mit meinem damaligen Freund in eine Clique, in der viel getrunken und Drogen konsumiert wurden. Vor Drogen hatte ich immer Angst. Aber das Trinken hat mir geholfen. Wenn ich betrunken war, hatte ich keine Angst mehr. So bin ich in die Sucht hineingerutscht. Das habe ich damals nicht gemerkt. Erst mit der Zeit, als ich immer wieder meine Lehrstellen nach kurzer Zeit verloren habe, hat sich was geändert.

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Was hast du unternommen?

Ich ging in eine Klinik, machte einen Entzug und schaffte eine Anlehre in einer geschlossenen Werkstatt. Ich war eine Zeit lang stabil. Durch einen neuen Partner bin ich dann aber wieder in Kontakt mit Alkohol gekommen. Er hat mich immer wieder dazu gedrängt, doch mal mit ihm zu trinken. Irgendwann habe ich nachgegeben. Da war ich so Mitte zwanzig. Ich war schnell wieder drin.

Wie ging es weiter?

Nach etwa zwei Jahren hat er mich betrogen und verlassen. Mir ging es sehr schlecht. Manchmal ging ich kaum noch aus dem Haus. Irgendwann entschied ich mich, zu einem Psychiater zu gehen. Dort bekam ich drei Antidepressiva verschrieben, in einer viel zu hohen Dosierung. Als es mir damit noch schlechter ging, bekam ich Ritalin. Davon wurden mir wöchentlich 400 Tabletten verschrieben.

400 Tabletten?

Ja, diese extrem hohe Dosis hat schliesslich auch zu einer Psychose geführt. In dieser Zeit habe ich kaum noch gegessen oder geschlafen. Gleichzeitig trank ich fast drei Flaschen Wodka am Tag. Ich war nur noch Haut und Knochen. Es ging rasant bergab, ich verwahrloste komplett. Nach einer Auseinandersetzung mit der Polizei und der Hausverwaltung landete ich schliesslich auf der Strasse.

Das ist wirklich schrecklich.

Es war eine schlimme Zeit. Das Leben auf der Strasse war sehr hart, besonders mit meiner Psychose. Ich fühlte mich oft verfolgt, hatte viel Angst und Stress. Als Frau ist man zusätzlichen Gefahren ausgesetzt. Ich habe mich darum oft mit Männern zusammengetan, zu meinem Schutz.

Wie hast du dich in dieser Zeit versorgt? Wie bist du auf der Strasse an Geld gekommen?

Ich hatte eine IV-Rente. Einmal pro Woche habe ich von meiner Beiständin bei der Kesb einen Scheck über 200 Franken bekommen. Den konnte ich im Stadthaus gegen Bargeld einlösen.

Und wofür hast du dieses Geld ausgegeben?

Ich habe meist alles für Zigaretten und Alkohol ausgegeben. Gegessen habe ich in dieser Zeit kaum etwas. Der Alkohol war meine Nahrung. Man denkt immer, Obdachlose wollten Essen. Aber das Essen war mein kleinstes Problem. Ich hatte so viele andere Sorgen und Stress.

Bist du durchgekommen mit diesen 200 Franken?

Da ich «nur» Alkohol getrunken habe, bin ich durchgekommen. Ich musste nie Freunde oder Fremde nach Geld fragen. Wenn ich aber noch Drogenprobleme gehabt hätte, hätte das Geld nicht gereicht.  

Sandra Brühlmann
Als ich auf der Strasse lebte, hatte ich oft das Gefühl, weniger wert zu sein als andere.

Wie bist du von der Strasse weggekommen?

Ich war acht Monate lang obdachlos. Danach habe ich mir einen Platz in der Wohn- und Arbeitsgemeinschaft Suneboge organisiert. Dort war ich fünf Jahre. Ich habe es geschafft, vom Alkohol wegzukommen und mit der Zeit wieder ein geregeltes Leben zu führen. Inzwischen lebe ich seit vier Jahren alleine und trinke seit sieben Jahren nicht mehr. Darauf bin ich stolz. Das Leben fühlt sich ganz anders an, wenn man nicht dauernd benebelt ist. Es ist zwar nicht immer leicht, alles auszuhalten, aber insgesamt ist es schon viel besser.

Du arbeitest heute als Stadtführerin für den Verein Surprise. Auf deinen Touren erzählst du deine Geschichte. Warum hast du dich entschieden, so viel von dir preiszugeben?

Meine grösste Angst war immer, vor Menschen zu reden. Ich habe mir gesagt: Wenn ich diese Angst überwinden kann, kann ich noch viel mehr schaffen. Ich finde es wichtig, meine Geschichte zu teilen. Es ist für mich eine Art, sie zu verarbeiten. Und schliesslich finde ich wichtig, dass auch Menschen, die nicht so viel haben, eine Stimme bekommen, und dass ihnen zugehört wird.

Ist Armut in der reichen Schweiz ein Tabu?

Ja, das finde ich schon. Wir werden oft nicht gehört, oder uns wird nicht geglaubt. Als ich auf der Strasse lebte, hatte ich oft das Gefühl, weniger wert zu sein als andere.

Welche Beziehung hast du heute zu Geld?

Jetzt, da ich ein geregeltes Leben habe, gibt mir Geld eine Sicherheit. Es beruhigt mich, wenn ich ein bisschen was auf der Seite habe und meine Rechnungen bezahlen kann. Ich achte auf meine Ausgaben und lebe bescheiden. Das war eigentlich schon immer so. Ich hatte nie ein Problem, mein Geld einzuteilen. Mein Problem war, dass ich oft ausgenutzt wurde, weil ich grosszügig und gutmütig war.

Jetzt bist du das nicht mehr?

Ich habe gelernt, nein zu sagen. Wenn ich jemandem aushelfe, dann nur mit so viel Geld, wie ich für mich abschreiben kann. Ich will nicht mehr, dass mir Leute alles wegnehmen. Das ist mir so oft passiert, dass ich mich irgendwann gar nicht mehr traute, eigene Träume und Ziele zu haben. Weil ich wusste, dass sie ja sowieso nicht in Erfüllung gehen.

Das klingt traurig und frustrierend.

Das war es. Heute habe ich aber wieder Ziele. Das ist wichtig für meine psychische Verfassung. Man braucht im Leben Perspektiven.

Welche Träume und Ziele hast du denn?

Ich möchte glücklich und gesund sein. Ich will es weiterhin schaffen, ohne Alkohol zu leben. Und ich möchte meinen guten Freundeskreis pflegen. Ein weiteres Ziel ist eine Afrikareise. Ich würde dort gerne in einem Projekt mit Tieren als Helferin arbeiten.

Sandra Brühlmann
Ich hatte nie ein Problem, mein Geld einzuteilen. Mein Problem war, dass ich oft ausgenutzt wurde, weil ich grosszügig und gutmütig war.

Wie viel Geld hast du pro Monat zur Verfügung?

Ich bekomme Geld von der IV und Ergänzungsleistungen. Das Geld geht direkt an meine Beiständin. Sie bezahlt meine Miete und meine Krankenkasse. Ich versuche auch noch, bei ihr pro Monat einen kleinen Betrag zu sparen, den sie für mich aufbewahrt. So bleiben mir zum Leben pro Monat für alles andere etwa 1000 Franken.

Wofür gibst du dieses Geld aus?

Das meiste für Lebensmittel und Zigaretten. 100 Franken sind für mein Vergnügen, zum Beispiel für einen Ausflug, einen Restaurantbesuch oder Kleider. Ich muss jeden Monat viel rechnen. Ich kaufe günstige Lebensmittel und esse nicht dreimal am Tag. Kleider kaufe ich – wenn überhaupt – secondhand. Gut wäre, wenn ich noch mit dem Rauchen aufhören könnte. Dann hätte ich etwa 200 Franken mehr im Monat. Aber das ist halt nicht so einfach.

Stresst dich Geld heute noch?

Manchmal. Aber eigentlich möchte ich das nicht mehr. Dieser Stress schränkt meine Lebensqualität zu stark ein.

Wer hat mit dir als Kind über Geld gesprochen?

Mein Vater, aber wir haben nicht viel über Geld gesprochen.

Hat er dir trotzdem einen Leitsatz mitgegeben?

Eigentlich nicht, ausser dass ich nie etwas leasen soll. Ich habe später im Leben aber gelernt: Bei Geld hört die Freundschaft auf. Das habe ich einige Male erlebt.

Wie hast du deinen ersten eigenen Franken verdient?

Richtig verdient habe ich erst in der Lehre. Vorher habe ich vielleicht mal ein bisschen Geld bekommen, wenn ich den Grosseltern im Garten geholfen habe oder so.

Wofür sparst du?

Für die Autoprüfung und meine Reise nach Afrika.

Hast du einen Wunsch in Bezug auf Geld?

Ich wünsche mir, dass ich wieder 100 Prozent im ersten Arbeitsmarkt tätig sein kann. Ich möchte eine gute Leistung bringen und mein eigenes Geld verdienen. Und ich wünsche allen Leuten, die es nicht so einfach haben, dass ihnen das Leben nicht noch schwerer gemacht wird.

Danke für das Gespräch und deine Offenheit.

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